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Die Geschichte einer Ausbeutung

Kolumbus' Landung in Amerika war ein schwarzer Tag für die Ureinwohner. Die spanische Regisseurin Icíar Bollaín verwebt in ihrem Film "Und dann der Regen" Zeiten und Themen und verarbeitet 500 Jahre europäisch-amerikanische Geschichte samt Kolonialismus, gnadenloser Ausbeutung, hilflosem Widerstand und prekären Lebensverhältnissen bis heute.

Von Christoph Schmitz | 29.12.2011
    Ein Hubschrauber fliegt über den bolivianischen Bergwald. Ein schweres Holzkreuz schleppt er unter sich her, eine Szene wie in Fellinis "La dolce vita". Das ist nicht die einzige Filmreminiszenz in Icíar Bollaíns "Und dann der Regen". Später sieht man eine brutale Meute spanischer Konquistadores durch den Urwald ziehen und muss unweigerlich an Werner Herzogs "Aguirre, der Zorn Gottes" denken. Vergangenheit und Gegenwart sind in "Und dann der Regen" verwoben. 500 Jahre europäisch-amerikanische Geschichte samt kolonialistischem Geschwätz von Fürsorge, gnadenloser Ausbeutung und hilflosem Widerstand. Geschickt verwebt der Film die verschiedenen Zeiten und Themen.

    So beginnt er: Ein spanisches Filmteam ist in der Nähe von Cochabamba angekommen. Die wirkliche Geschichte des Christoph Kolumbus soll hier gedreht werden. Bolivien wurde als Drehort ausgewählt, weil die Produktionskosten im Andenstaat am niedrigsten sind und sich die indigene Bevölkerung für ein paar Dollar am Tag als authentisch wirkende Statisten und Darsteller anheuern lässt. Die Proben beginnen, die ersten Aufnahmen werden gemacht, wir sehen einen Film im Film, Christoph Kolumbus tritt den indigenen Einwohnern gegenüber.

    Die Darsteller der amerikanischen Ureinwohner leben in den Elendsvierteln von Chochabamba. Ihre prekären Lebensverhältnisse werden noch dadurch verschärft, dass die Stadt die Wasserversorgung privatisiert und an einen multinationalen Konzern verkauft hat. Brunnen dürfen die Einheimischen nicht bauen, die Wasserpreise können sie nicht bezahlen. Der "bolivianische Wasserkrieg" bricht aus, eine blutige Revolte, wie sie im April 2000 tatsächlich in Chochabamba stattgefunden hat. Der Anführer des Aufstands ist zugleich der Hauptdarsteller in dem Historienfilm des spanischen Teams, das mehr und mehr in den Konflikt der Gegenwart hineingezogen wird. Der Regisseur im Film interessiert sich nur für sein Kunstprojekt, die Wirklichkeit ist ihm egal, der Produzent ausschließlich für den ökonomischen Erfolg des Unternehmens, anfangs jedenfalls, später wandelt er sich vom Saulus zum Paulus, was ein wenig schöngeredet wirkt.

    Dennoch arbeitet Icíar Bollaín die zahlreichen Ebenen der Ausbeutung von heute und damals und deren Parallelen klug und pointiert heraus. Vielfach gebrochen sind dabei die Perspektiven und medialen Reflexionen. Es gibt den Film im Film, die Proben zum Film, eine Regieassistentin, die den Dreh mit ihrer Kamera dokumentiert, Szenen, in denen die bolivianischen Schauspieler auf einem Monitor die Filmaufnahmen vom Tag sehen, dazu eingeblendete Fernsehreportagen über den Wasserkrieg, in denen die Protagonisten des Kolumbusfilms zu erkennen sind. Eine effektvoll komponierte Erzählung über einen aktuellen alten Konflikt.

    Die Botschaft des Films wird recht schnell deutlich, vielleicht zu schnell. Etwas belehrend wirkt er mitunter, verliert sich in der zweiten Hälfte in Actionszenen und will am Ende übertrieben viel Hoffnung verbreiten. Zugleich bleiben manche Charakterstudien in Erinnerung. Etwa die des Regisseurs im Film. Der zeigt sich nicht nur als verantwortungsloser Ästhetizist, sondern auch als Feigling. Vor allem bleibt einem der Darsteller des Anführers im bolivianischen Wasserkrieg im Gedächtnis, Carlos Aduviri, der auch den Widersacher von Christoph Kolumbus spielt. Den Schmerz der Unterdrückung, das Misstrauen eines ganzen Volkes und dessen Überlebenswille stehen ihm ins Gesicht geschrieben.