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"Die glorreichen Sieben"
Das Remake im Western

Der Western als eines der ältesten Genres in der Filmgeschichte wurde immer wieder für tot erklärt. Remakes von Klassikern kommen trotzdem regelmäßig in die Kinos - diesmal eine weitere Verfilmung von "Die glorreichen Sieben". Der afroamerikanische Regisseur Antoine Fuqua hat eine Variante mit mehr ethnischer Diversität gedreht.

Von Hartwig Tegeler | 21.09.2016
    Manuel Garcia-Rulfo (links) als Vasquez und Chris Pratt als Josh Farraday im Film "Die glorreichen Sieben". Der Film kommt am 22.09.2016 in die deutschen Kinos.
    Kinostart des Films "Die glorreichen Sieben" (Sony Pictures Releasing GmbH/dpa)
    Zunächst, wie sich's gehört, die Begriffsklärung von "Western". Und zwar eine vom Profi: Tommy Lee Jones, Texaner sowie Regisseur und Hauptdarsteller des großartigen Western "The Homesman" von 2014 im Bonusmaterial der Blu-Ray des Films:
    "Über die Jahre", grummelt Tommy Lee Jones vor sich hin, "habe ich den Eindruck bekommen, Western sind Filme mit Pferden und großen Hüten. Howdy!"
    Also zu den "glorreichen Sieben": Die Story ist bekannt. Vom Original von 1960, den beiden Fortsetzungen - 1966 und 1969 - und der TV-Serie Ende der 1990er-Jahre: Arme Leute werden von Banditen überfallen und bestohlen. Zum Schutz heuern sie Revolvermänner an:
    "Sie brauchen keinen Kopfgeldjäger. Sie brauchen eine Armee. - Und die wollen wir auch anheuern, Sir."
    Am Ende sind es natürlich diese mythischen sieben Retter. Die Zahl sieben:
    "Sieben Tage, mehr Zeit habt ihr nicht."
    Im 2016er-Remake von Antoine Fuqua sind die "glorreichen Sieben" aber nicht sieben Weiße. Denn auch zum Action-Blockbuster-Kino gehört heute natürlich ethnische Diversität. Denzel Washington, der Chef der Sieben, ist Afroamerikaner, dazu gibt es einen Asiaten, einen Native American und einen Mexikaner. Neben den anderen, den Weißen.
    Die meisten heute gedrehten Western bieten, zugegeben, den alten Wein in neuen Schläuchen, allerdings mit einigen Abweichungen. Wo dann auch schon mal - wie jüngst Natalie Portman in "Jane Got a Gun" - nicht ein Rächer, sondern eine weibliche Kollegin den bleiernen Blutzoll fordert oder der Held - wie jetzt in "Die glorreichen Sieben" - ein Schwarzer ist. Damit zeigt sich wieder einmal: Der Western erzählt im Gewand des 19. Jahrhunderts in seinen besten Momenten über die Zeit, in der er gedreht wird.
    Und manchmal gelingen den Filmemachern dann, gut, nur manchmal, aber immerhin, interessante Blicke auf ihre Zeit. Beispiel: "True Grit" von Joel und Ethan Coen Coen von 2010, Remake eines John-Wayne-Klassikers. Joel und Ethan Coen zeichnen den alten Westen - im Gegensatz zum Original von 1969 - als ein Land, in dem man nur verrückt werden kann. Die Helden sind müde, gebrochen. Der Mythos Amerika, über den der Western in seiner klassischen Phase erzählte, wird dekonstruiert. Erhabenheit - Fehlanzeige.
    Solide Unterhaltung
    Eine Erneuerung des Genres, eine Umdeutung, einen neuen Blick auf die US-amerikanische Geschichte wie bei den Coen-Brüdern in "True Grit", das von Antoine Fuqua zu erwarten, wäre allerdings am Ende zu viel verlangt. Sein Film ist solide Unterhaltung mit schönen Landschaften und großen Hüten. Sowie ein paar zeitlichen Aktualisierungen: Bei Fuqua stiehlt nicht ein mexikanischer Bandit die Wintervorräte eines mexikanischen Dorfes, sondern ein eiskalter amerikanischer Geschäftsmann will amerikanischen Siedlern ihre Stadt stehlen, um dort Gold zu schürfen. Ein wenig Kapitalismuskritik nach der Finanzkrise von 2007/2008 hat also auch in diesem Western-Action-Remake seinen Platz gefunden. Und dann gibt es noch die toughe Witwe, die beim finalen Geballer mit Winchester kräftig mitballert. Hollywoods Publikum besteht eben nicht mehr allein aus männlichen Weißen. Und dass die, die von den "glorreichen Sieben" im aktuellen Film den Showdown überleben, …
    "Es wird kein gutes Ende nehmen."
    … dass die ohne Frau - die bleibt zu Hause - in den Sonnenuntergang reiten wie einst die Kollegen 1960, …
    "Wir haben verloren. Wir verlieren immer."
    … so viel Verbeugung vor den "heiligen Gesetzen" des Genres muss auch im 2016er-Remake sein.