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Die Göttliche

Sarah Vaughans Plattenkarriere hatte viele Höhen und Tiefen, doch als Live-Performerin wurde sie eine Attraktion und eine grandiose Balladen-Interpretin. Vor 20 Jahren starb die Musikerin.

Von Karl Lippegaus | 03.04.2010
    Sarah Vaughan kam aus einer musikalischen Familie und lernte als Siebenjährige Klavier spielen. Bald war sie Organistin und erste Stimme im Kirchenchor ihrer Gemeinde in Newark, New Jersey. Schon mit Fünfzehn begann sie in Jazzclubs aufzutreten.

    Unzählige Stunden hockte Sarah in Plattenläden, ein dünnes, unscheinbares Mädchen.

    "Ich war keine Augenweide. Ich war sehr, sehr schüchtern."

    Mit 18 gewann sie den ersten Preis beim berühmten Amateurwettbewerb im Apollo-Theater in Harlem. Sie erzählte, der Sänger Billy Eckstine habe sie in die Bigband von Earl Hines geholt, später singt sie in "Mr. B’s" eigenem Orchester, neben Charlie Parker und Dizzy Gillespie. Sarah liebt Lärm, Bewegung, Durcheinander, und sie lebt, wie es ihr passt.

    Die drei größten Jazzsängerinnen des 20.Jahrhunderts waren Billie Holiday, Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan. Sarah war neun Jahre jünger als Billie und sieben Jahre jünger als Ella. "Sassy" war ein Naturtalent.

    "Ich singe ... ich singe einfach nur."

    Mit 23 hatte sie ihren ersten großen Hit: "Tenderly". Natürlich wurde sie eine Diva, die den Luxus liebte, ihre Vortragskunst aber auch immer weiter verfeinerte. In ihren letzten Jahren soll sie rund eine Million Dollar pro Jahr verdient haben. Ihre Manager mussten auch immer ihre Liebhaber sein, das machte es kompliziert. Zwei Päckchen Zigaretten waren ihre Tagesration, ihrer Stimme konnte das lange nichts anhaben.

    "Ich trinke, ich rauche, ich bin high, ich mach’ die Nacht durch, ich geh’ aus ..."

    "The Divine One" (die Göttliche) war eine scheue, unsichere Frau, stets bemüht, natürlich zu wirken; unter der coolen Oberfläche aber brodelte es. Sie hasste Interviews und lehnte Auskünfte über ihr Leben ab. Die krassen Auswüchse der Rassentrennung hatten sie tief verletzt.

    "Ich denke nicht in schwarz und weiß. Ich denke an menschliche Wesen, an Leute ... Meine Mutter hat mich so erzogen."

    Mit ihrer Stimme hätte sie es bis zur Opernsängerin geschafft. Aber Schwarze waren aus der klassischen Musik praktisch ausgeschlossen. Nirgendwo mischten sich Schwarze und Weiße jedoch so zwanglos wie im Jazz.

    "Falls ich jemals meine Autobiographie schreibe, werde ich die Produzenten beim Namen nennen, die mich zwingen wollten, Songs zu singen, die nicht meinen Zielen entsprachen."

    "Was ich dem Publikum anbiete, ist Musik. Wenn ich das nicht hinkriege, bin ich eine Versagerin. Musik ist mir wichtiger als ständig neue Hits zu fabrizieren."

    Im Studio ein absoluter Profi, lieferte sie spätestens beim zweiten oder dritten Anlauf die plattenreife Version.

    "In Konzertsälen bleibe ich ziemlich nahe an den Plattenversionen … In Nachtclubs lass’ ich mich mehr gehen."

    "Ich erinnere mich an die nicht so guten Zeiten. Die späten 60er- und die frühen 70er- waren auch nicht nett zu mir."

    Sarah war ständig on the road und setzte sich für lange Autofahrten am liebsten selbst ans Steuer. Da waren all die Nächte in den Kasinos und Cocktailbars, Clubs, Festivals und in Konzertsälen rund um den Globus – es war ein raues Leben. Eine ihrer besten Platten ist "How Long Has This Been Goin’ On" von 1978. Danach gab sie drei ausverkaufte Konzerte in der Carnegie Hall. Und half mit, dem Jazz zu neuer Popularität zu verhelfen. Am 3. April 1990 starb Sarah Vaughan mit 66 Jahren.