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"Die Griechen haben gezeigt, dass sie nicht vorwärtskommen"

Schluss mit den Hilfen für Griechenland, das Land muss raus aus dem Euro und selbst wieder auf die Beine kommen: Lutz Goebel, Vorsitzender des Verbandes der Familienunternehmer, hat keine Geduld mehr mit Athen. Die Eurozone sei so stabil, dass ein Austritt des Landes verkraftbar wäre.

Das Gespräch führte Christine Heuer | 24.07.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende – so lässt sich die Gemütslage derer beschreiben, die dafür plädieren, dass Pleitestaaten wie Griechenland aus der Eurozone austreten. Zum Beispiel Lutz Goebel, er ist Vorsitzender des Verbands der Familienunternehmer. Er hat sich bereits in der Vergangenheit dezidiert gegen Finanzspritzen für Griechenland ausgesprochen, und meine Kollegin Christine Heuer hat ihn gefragt, ob er sich durch die dramatische Entwicklung jetzt bestätigt fühlt.

    Lutz Goebel: Also was Griechenland angeht, fühlen wir uns bestätigt. Es ist einfach nicht möglich, dass die Griechen praktisch Abwertungen von über 30 Prozent auf Löhne und Preise durchsetzen, ohne dass es zu riesigen Verwerfungen kommt, und die einzige Chance, die es dort gibt, ist, dass praktisch sie aus dem Euro aussteigen und somit wieder wettbewerbsfähig werden können.

    Christine Heuer: Das heißt, sie müssen zurück zur Drachme, die Griechen?

    Goebel: Ja, es wird keine andere Lösung übrig bleiben, weil sie sonst eben praktisch international nicht wettbewerbsfähig sind und sie müssen dann sich neu aufstellen. Argentinien hat das ja vorgemacht, wie es auch funktioniert.

    Heuer: Philipp Rösler hat sich ja sehr deutlich schon geäußert, wir haben es gehört. Rechnen Sie damit, dass in Kürze auch die Bundeskanzlerin umfällt und die Griechen fallen lässt?

    Goebel: Ich würde es nicht Umfallen nennen; aber es ist einfach so, dass praktisch die Griechen alle ihre Zusagen offensichtlich nicht einhalten können und auch nicht einhalten wollen. Gerade ist der Chef der Privatisierungsbehörde zurückgetreten, weil offensichtlich die Privatisierungen nicht vorangehen. Es ist auch irgendwie keine Art … Sparplan, wenn man sich erst mal Behörden aufbauen muss, also praktisch eine Verwaltung zurechtzustutzen, oder ein Kataster aufzubauen oder Steuersystem zu installieren, das braucht natürlich viele Jahre.

    Heuer: Aber es ist ja nicht so lange her, dass Angela Merkel gesagt hat, es sei ein Abenteuer, den Griechen nicht zu helfen.

    Goebel: Ja gut. Aber wir haben ja schon einen Schuldenschnitt gehabt, und der ist eigentlich relativ glimpflich über die Runden gekommen. Er war natürlich zu spät und er war auch zu gering, aber er hat gezeigt, dass dieser Dominoeffekt nicht eintritt, und ich denke, mittlerweile hat man das ganze System so stabilisiert, dass man Griechenland ohne Weiteres verkraften kann.

    Heuer: Und in der Folge rechnen Sie mit einer Kehrtwende der gesamten Bundesregierung in der Schuldenkrise?

    Goebel: Ja, das ist zu hoffen, weil wenn wir so weitermachen wie bisher, dann wird der nächste Rettungsschirm bereits in einem Jahr wieder leer sein, der ESM, und dann werden wir wieder über neue Rettungspakete nachdenken, und wir sollten uns lieber Gedanken machen, wer denn in einer stabilen Euro-Zone als Mitglieder dann mit dabei ist.

    Heuer: Wer wäre das denn aus Ihrer Sicht?

    Goebel: Ganz wichtig ist es, dass es Deutschland und Frankreich ist. Dann haben wir eine Reihe von stabilen Ländern wie die Niederlande, Belgien, Finnland. Das wäre schon mal das Minimum. Am besten natürlich noch Italien, ich glaube, die Chancen sind auch recht gut, die haben eine relativ stabile Wirtschaftsstruktur, die haben einige Schwächen in der Steuerverwaltung, aber das kann man beheben.

    Heuer: Sie sind also für ein Kerneuropa mit dem Euro, wenn ich Sie richtig verstehe?

    Goebel: Richtig. Das ist die beste, vielleicht sogar die einzige Lösung, die funktioniert, weil gewisse Länder können wir einfach nicht mehr mitnehmen, weil die das praktisch auch nicht darstellen können im Euro.

    Heuer: Und die viertgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone, Spanien nämlich, wäre dann nicht mit dabei?

    Goebel: Ja das ist die Frage, ob die das schaffen können. Die haben also kein sehr stabiles Geschäftsmodell, die sind praktisch in ihrer Industrie nicht besonders wettbewerbsfähig. Es würde, glaube ich, kein Automobilzulieferer ein Werk in Spanien bauen. Also sie müssen sich ganz grundlegende Fragen stellen über ihr Geschäftsmodell und wie sie da wieder auf die Beine kommen, und das sieht momentan nicht besonders gut aus.

    Heuer: Nein, die Banken werden schon gestützt und der Eindruck verdichtet sich, dass demnächst auch Spanien insgesamt unter den Rettungsschirm kriechen muss. Wären Sie denn im Falle Spaniens dafür, noch einmal Finanzspritzen zu geben?

    Goebel: Ja, also ich meine, was wir jetzt schon getan haben, geht ja schon weit über das hinaus, was man überhaupt verantworten kann. Die spanischen Banken werden gestützt, es werden alle Banken erhalten, was völlig fragwürdig ist. Nur eine einzige spanische Bank, die Santander, ist wirklich systemrelevant, die anderen Sparkassen nicht, also das wird schon mal getan. Die Auflagen sind sehr gering, und wenn Herr Schäuble sagt, der spanische Staat haftet für dieses Geld, mit was haftet er denn? Was hat er denn?

    Heuer: Ja. Aber die Frage war, soll die Eurozone noch mal Geld nach Spanien investieren?

    Goebel: Nein! Wir müssen die Grenzen irgendwo einhalten. Die Staaten müssen selber sehen, dass sie auf die Beine kommen.

    Heuer: Wenn sich Deutschland tatsächlich zu so einer Haltung durchringt, wie Sie sie gerade eben beschreiben, wie wahrscheinlich ist es denn, dass sie sich damit in der Eurozone durchsetzen können?

    Goebel: Ja gut, sie müssen sich Verbündete suchen. Man muss irgendwo aufzeigen, dass mit Deutschland gewisse Wege nicht einzuhalten sind. Und ich denke, die Chancen dazu sind relativ gut. Bei dem letzten Gipfel war es ja so, dass Frau Merkel praktisch von den Italienern und Spaniern unter Druck gesetzt wurde, die Franzosen haben zugezwinkert und Frau Merkel musste ja mit einem Wachstumspakt zurückkommen, um die Sozialdemokraten zufriedenzustellen, und das war eine Falle, in die sie reingelaufen ist. So was darf nicht wieder passieren.

    Heuer: Der IWF hat ja die Meldung des "Spiegel" dementiert, dass er Griechenland kein Geld mehr geben wird. Soll Deutschland denn notfalls dann auch allein das Ende der Rettungsmaßnahmen herbeiführen, jetzt vielleicht eben zuerst konkret im Falle Griechenlands?

    Goebel: Ja, aber die Troika kommt ja jetzt zurück. Zwei der drei Troika-Mitglieder haben schon sehr eklatante Zweifel angemeldet daran, dass die Griechen überhaupt vorwärtsgekommen sind mit ihren Sparanstrengungen. Welche Glaubwürdigkeit will man denn noch verlieren, um wieder jetzt nachzuhelfen, sondern man muss einfach sagen, jetzt ist Schluss, mehr geht nicht, wir haben euch klar gesagt, wie es geht, und ihr macht es nicht, also können wir auch nicht mehr helfen.

    Heuer: Andererseits, Herr Goebel, ist es denn klug, mitten aus der Rettung auszusteigen? Die Griechen bitten ja eigentlich nur um eine längere Frist, um ihr Land wieder fit zu machen. Das ist ja ein Klacks, verglichen mit dem, was vorher an Geld geflossen ist.

    Goebel: Aber das Geld, was geflossen ist, ist sowieso weg und das kommt auch nie wieder von den Griechen. Deswegen sind das in unseren Augen die Unternehmer sagen "sunk costs", versunkene Kosten. Also das hilft uns überhaupt nicht weiter. Und die Griechen haben gezeigt, dass sie nicht vorwärtskommen. Es gibt andere Staaten wie Portugal, die geben ordentlich Gas.

    Heckmann: Lutz Goebel war das, der Vorsitzende des Verbands der Familienunternehmer, zur Euro-Krise in Europa. Christine Heuer hat das Gespräch geführt.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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