Dienstag, 23. April 2024

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Die Häfen der Levante

Die "Häfen der Levante" so heißt der jüngste Roman Amin Maaloufs. Die Levante, das ist ein etwas angestaubter Ausdruck für die Länder des östlichen Mittelmeers, also den Nahen Osten. Doch der so poetisch klingende Titel täuscht: Der Roman hat nichts mit den Märchen aus Tausendundeiner Nacht zu tun, sondern er spielt im alles andere als märchenhaften 20. Jahrhundert. Hintergrund ist zum einen der 2. Weltkrieg, den der Romanheld Ossyan als Mitglied der Résistance in Frankreich erlebt, und zum anderen der Beginn des arabisch-israelischen Konflikts, mit dem sich Ossyan bei seiner Rückkehr in den Nahen Osten konfrontiert sieht. Zugleich ist "Die Häfen der Levante" aber auch eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen aus verschiedenen Kulturen.

Birgit Harms | 25.02.1998
    "Da ist ein Mann, der eigentlich Araber ist, weil er in einem arabischen Land aufwächst und arabisch spricht. Aber es ist doch etwas komplizierter, denn er hat einen türkischen Vater und eine armenische Mutter. Und dann ist da auf der anderen Seite eine Jüdin aus Österreich, die später in Palästina lebt. Sie lieben sich, doch sie werden von den Ereignissen auseinandergerissen, und man fragt sich beim Lesen die ganze Zeit, ob sie sich wiederfinden werden."

    Kulturelle Konflikte spielen auch in den früheren Werken von Amin Maalouf eine große Rolle - so zum Beispiel in dem Roman "Die Felsen des Tanios", in dem es um das Zusammenleben zwischen Moslems und Juden in einem kleinen libanesischen Dorf im 19. Jahrhundert geht. Für diesen Roman erhielt der Autor 1993 übrigens den begehrten französischen Literaturpreis "Prix Goncourt". Maaloufs Geschichten sind nicht zuletzt geprägt von seiner eigenen Biographie. Genauso wie der Held aus "Die Häfen der Levante", so hat auch er, der im Libanon geboren wurde, aber schon seit mehr als 20 Jahren in Frankreich lebt, im Grunde genommen nicht nur eine, sondern verschiedene kulturelle Identitäten. Und genau deshalb, so glaubt er, kommt ihm auch eine gewisse Verantwortung als Vermittler zwischen der westlichen und der arabischen Welt zu:

    "Wenn man in beiden Welten gelebt hat, wenn man in engem Kontakt zu beiden Kulturen stand, dann ist es wichtig, daß man einen Beitrag leistet zur besseren Verständigung zwischen den verschiedenen Kulturen. Denn ich glaube, es gibt viele Mißverständnisse. Wir haben zur Zeit eine paradoxe Situation: Dank der neuen Kommunikationsmedien sind die Menschen sich sehr nah gekommen. Aber vielleicht gerade deshalb, weil sie merken, daß sie zu einer Art Universalkultur gehören, hat jeder für sich sehr stark das Bedürfnis, sich abzugrenzen und zu zeigen, daß er anders ist als die anderen. Und ich glaube, diese paradoxe Situation stellt eine große Gefahr dar."

    Um diese Gefahr zu erkennen, so meint Amin Maalouf, brauchen die Menschen positive Mythen, die ihnen zeigen, daß die multikulturelle Gesellschaft auch ein friedliches Miteinander sein kann. Und genau das, positive Mythen, sollen seine Romane auch sein. Und deshalb scheint durch alle Konflikte und Krisen stets auch ein gewisser Optimismus und Humanismus - auch in "Die Häfen der Levante." Maalouf glaubt an das Gute im Menschen und hat die Hoffnung auf bessere Zeiten noch nicht aufgegeben. Das zeigt sich nicht nur in seinen Texten, sondern auch, wenn man ihn nach seiner Meinung zur Situation im Nahen Osten fragt:

    "Ich bin überzeugt, daß es für diese Region keine andere Lösung als den Frieden gibt. Ich bin überzeugt, daß der Krieg keine Lösung ist, weder für die Araber noch für die Israelis, denn er löst kein einziges Problem. Und deshalb wird es schließlich Frieden geben, ich bin überzeugt, daß es Frieden geben wird."