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Die Heilung der "blutigen Wunde"

1979 greift die Sowjetunion in den Bürgerkrieg in Afghanistan ein. Jahrelang kämpfen Widerständler, die Mudschaheddin, unterstützt von den USA und Pakistan, gegen die afghanische Regierung und die sowjetische Armee. Am 8. Februar 1988 verspricht der neue, reformwillige sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow das Ende des Militäreinsatzes.

Von Otto Langels | 08.02.2013
    "Bereits seit längerer Zeit dauert der militärische Konflikt in Afghanistan an. Dies ist einer der schwierigsten und schmerzhaftesten Regionalkonflikte. Jetzt bieten sich allem Anschein nach gewisse Voraussetzungen für dessen politische Regelung."

    Mit diesen Sätzen kündigte KPdSU-Chef Michail Gorbatschow am 8. Februar 1988 den Abzug aller sowjetischen Truppen aus Afghanistan an.

    Knapp ein Jahrzehnt zuvor, am Weihnachtsabend 1979, hatte die Invasion begonnen, ausgelöst durch Machtkämpfe innerhalb der sozialistischen Regierungspartei Afghanistans, die in der Hauptstadt Kabul zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen und einer instabilen politischen Lage führte. Den sowjetischen Truppen gelang es zwar, ein moskautreues Regime zu installieren, zugleich aber wuchs in den Provinzen der Widerstand islamischer Guerillagruppen, der Mudschaheddin, gegen das "gottlose Regime" in Kabul und die ausländischen Feinde.

    Was als kurze Intervention gedacht war, wurde zum längsten von der Sowjetunion geführten Krieg.

    Ein Sprecher des afghanischen Widerstands erklärte kurz nach der Invasion:

    "Ja, ganz sicher können wir einen Guerillakrieg führen. Wir können eine Menge anderer Dinge tun, die wir hier öffentlich nicht erwähnen können. Aber Sie werden es eines Tages in den Nachrichten hören, dass die Russen große Schwierigkeiten bekommen werden, Afghanistan zu unterwerfen."

    Trotz eines Truppenkontingents von bis zu 115.000 Mann gelang es der Invasionsarmee nicht, den Widerstand der Mudschaheddin zu brechen, zu denen auch Teile der afghanischen Armee überliefen. Die sowjetischen Besatzer kontrollierten alle wichtigen Städte und Verkehrsverbindungen, sie setzten Napalm und Minen gegen die Bevölkerung ein und führten einen Krieg der verbrannten Erde, aber ohne durchschlagenden Erfolg.

    Vor allem aus den USA und Saudi-Arabien erhielten die Mudschaheddin finanzielle und militärische Unterstützung, darunter auch hochmoderne Waffen wie Luftabwehrraketen. Das Nachbarland Pakistan diente als Auffanglager und Nachschubbasis.

    Obwohl die sowjetischen Truppen in einem zermürbenden Kleinkrieg hohe Verluste zu beklagen hatten und der Afghanistan-Einsatz in der Heimat unpopulär war, lehnte Staats- und Parteichef Leonid Breschnew einen Rückzug stets ab.

    "Das begrenzte Truppenkontingent wird erst abgezogen, wenn es keinen Widerstand gegen die afghanische Regierung mehr gibt. An dieser grundsätzlichen Position hält die Sowjetunion fest."

    Erst als 1986 Michail Gorbatschow die Führung der KPdSU übernahm, suchte der Kreml nach Auswegen aus der verfahrenen Lage. Gorbatschow bezeichnete Afghanistan als "unsere blutige Wunde" und versprach den Abzug aller Soldaten. Unterstützung bekam er von Außenminister Eduard Schewardnadse:

    "Gorbatschow und ich waren von Anfang an gegen den Einmarsch in Afghanistan. Noch heute sehe ich vor mir, wie die Leute massakriert wurden, die vielen Opfer auf beiden Seiten, all die zerstörten Häuser und Städte. Das war Barbarei."

    Um die Barbarei zu beenden, vereinbarte die Sowjetunion mit der afghanischen Führung im Februar 1988 den Abzug der sowjetischen Truppen. Ende des Jahres kündigte Michail Gorbatschow vor der UN-Vollversammlung in New York das Ende der Militär-Intervention an:

    "Am 1. Januar 1989 wird vollständig und überall das Feuer eingestellt. Im Zusammenhang damit werden zum gleichen Termin Waffenlieferungen an alle verfeindeten Seiten eingestellt."


    Die letzten Invasionstruppen verließen Afghanistan am 15. Februar 1989. Die sowjetische Bilanz: 14.000 Tote und zehntausende Verwundete, auf afghanischer Seite forderte die Intervention eine Million Tote und fünfeinhalb Millionen Flüchtlinge. Zurück blieb ein verwüstetes und unregierbares Land. Jahrelang tobte ein furchtbarer Bürgerkrieg unter verfeindeten Mudschaheddin-Gruppen, aus dem schließlich die Taliban als Sieger hervorgingen. Deren Aufstieg hatten nicht zuletzt die USA ermöglicht.

    Der Afghanistan-Experte Hannes Adomeit:

    "Sie haben ja dann über Pakistan diese religiösen, auch fundamentalistischen Strömungen mit Waffen unterstützt. Sie haben also zu diesem Problem beigetragen, mit dem wir heute alle konfrontiert sind."