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Die heimliche Krankheit

Chlamydien gehören in Europa zu den am häufigsten sexuell übertragenen Bakterien. Gerade Jugendliche sind sehr häufig damit infiziert. Für junge Frauen ist diese Infektion besonders verhängnisvoll, wenn sie unerkannt bleibt und nicht behandelt wird. Denn eine verschleppte Chlamydieninfektion ist die häufigste Ursache erworbener Unfruchtbarkeit in den westlichen Industrieländern.

Von Barbara Wiedemann | 17.07.2007
    "Chlamydien , da hab ich vorher noch nie was von gehört, bis ich dann mal in der BBC also Fernsehen geguckt habe und da eine Reportage kam über betroffene Frauen, die eben Chlamydien haben und seitdem unfruchtbar sind. Das fand ich so drastisch, deswegen ist das bei mir auch so hängen geblieben. Das Chlamydien so gefährlich sind, hatte ich vorher überhaupt nicht gewusst."

    "Man geht ja davon aus, wenn man sich irgendwas holt, dann merkt man das irgendwie, das ist ja so das unheimliche, das man was haben könnte und man merkt es nicht ...weißt du ja nicht, ob du Chlamydien haben könntest, weißt du ja nicht, ne"

    Unerkannt und Ungebeten - aber oft Inkognito bei der Liebe dabei: das Bakterium Chlamydia trachomatis.

    Die heimliche Infektion grassiert vor allem unter jungen Menschen. Häufig unbemerkt, denn die Erkrankung macht nicht immer Beschwerden - bei zwei von drei Frauen wird sie deswegen gar nicht entdeckt. Und gerade das macht dieses Bakterium so gefährlich. Denn eine Nichtbehandlung kann für Frauen fatale Folgen haben.

    "Chlamydien bevorzugen Schleimhäute, wenn die dann von der Schleimhaut am Gebärmutterhals nach innen in die Gebärmutter und von da aus weiter in die Schleimhaut der Eileiter wandern, dann gibt es da ne Entzündung und diese sehr empfindlichen Schleimhäute können dann verkleben, die Eileiter sind ja ganz, ganz dünne Gebilde, und das ist die große Gefahr bei einer nicht entdeckten, nicht behandelten Chlamydien Infektion, dass die Eileiter verkleben und dadurch das befruchtete Ei nicht mehr normal transportiert werden kann, das heißt, die Folge so einer Chlamydieninfektion kann Unfruchtbarkeit sein oder ne Neigung zu Eileiterschwangerschaften, weil die Eizelle zwar befruchtet ist, aber nicht durchwandern kann in die Gebärmutter.

    Heidrun Nitschke, ist Ärztin für Frauenheilkunde und Leiterin der Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten im Gesundheitsamt Köln. Zu ihr kommen auch viele Jugendliche, um sich beraten zu lassen und meist geht es dabei um das HIV Virus.

    Über die zwar nicht lebensbedrohlichen, aber nicht minder gefährlichen Chlamydien, weiß von den Jugendlichen aber kaum einer etwas. Dabei sind die Bakterien häufig in dieser Altersgruppe unterwegs. Und das liegt nicht nur daran, dass sie jugendliche Schleimhäute besonders gern mögen.

    "Chlamydieninfektionen ist ein typisches Problem von sehr jungen Menschen, so in den ersten Jahren der Sexualität, die junge Frau hat einen Partner der aus seiner vorigen Beziehungen, ehe er es selber bemerkt oder ohne dass er darüber nachdenkt, die Chlamydien mitbringt, wenn die Beziehung unter Umständen auseinander geht, ist die junge Frau wiederum Träger der Chlamydieninfektion und kann sie ebenso unbemerkt an einen neuen Partner weitergeben, dass heißt, so eine Chlamydieninfektion ist nicht Beweis, dass da akute Untreue im Spiel war, sondern man kann die sehr wohl aus einer Beziehung in die nächste retten."

    Auch wenn die Beziehung manchmal nicht mehr zu retten ist - die Chlamydien lassen es sich weiterhin gut gehen.
    Und die unklaren Symptome einer Infektion machen es schwer ihnen auf die Spur zu kommen.

    "Die Entzündung am Muttermund verursacht auffälligen Ausfluss, aber da Ausfluss sowieso ja starken Schwankungen unterliegt, merken viele Frauen das nicht, sie kann gegebenenfalls Zwischenblutungen verursachen, Zwischenblutungen können auch viele Ursachen haben - und sie kann so ein bisschen unklare Unterbauchschmerzen verursachen, die man auch nicht unbedingt direkt mit `ner schlimmen Infektion in Verbindung bringt, das heißt, eine Frau mit `ner Chlamydieninfektion wird nicht ohne weiteres zum Arzt gehen, wenn sie nur diese diffusen Beschwerden hat.

    Bei Männern sieht es ähnlich aus. 30 Prozent der Infizierten haben so gut wie keine Symptome. Und auch wenn Beschwerden wie Brennen beim Wasserlassen oder eine weißliche Sekretion aus der Harnröhre auftreten, können bis zu einem Arztbesuch jede Menge Bakterien den Besitzer gewechselt haben.
    Das hinter einer Harnröhreninfektion auch eine sexuell übertragbare Krankheit stecken kann, mag kaum einer so richtig zu Ende denken, weiß der Urologe Dr. Joachim Lock aus langjähriger Erfahrung

    "Ich habe noch nicht erlebt, dass ein Mann in die Praxis gekommen ist um eine Chlamydieninfektion untersuchen zu lassen, die werden meistens geschickt, entweder vom Arzt oder von der Partnerin, weil da eine Chlamydieninfektion nachgewiesen wurde."

    Unbehandelt kann die Infektion auch bei Männern zu Sterilität oder schweren Prostatabeschwerden führen - und natürlich immer weiter verbreitet werden.
    Gründe genug für den Urologen genau nachzuhören.

    "Also das ist dann auch eine wichtige Angelegenheit der Anamnese , nämlich, irgendwelchen ungeschützten Geschlechtsverkehr in den letzten Wochen, zum Beispiel, oder ich kriege sie dadurch raus das sie ganz unspezifische Beschwerden haben, zum Beispiel an der Prostata, junge Männer, da machen wir bei Prostatabeschwerden immer einen Chlamydiennachweis."

    "Ich hab neulich noch meine Frauenärztin gefragt, ob das so regelmäßig untersucht wird, ich hab dann noch mal gelesen, dass das sehr weit verbreitet ist und das mans vor allen Dingen nicht merkt wenn man es hat, man kann es irgendwie sehen und merken aber...ja, nicht unbedingt, und dann hab ich mich so auch einfach mal testen lassen."

    Diesen freiwilligen Test musste Petra selber bezahlen, denn nur wenn ein Verdacht auf eine Infektion besteht, also es konkrete Beschwerden gibt, zahlt die gesetzliche Krankenkasse eine Untersuchung auf diesen Erreger.

    Eine Versorgungslücke, meint Frauenärztin Heidrun Nitschke, angesichts der zunehmenden Häufigkeit der Infektionen.

    "Die Daten aus Großbritannien und aus Schweden sagen, so etwa bis 25 - manche sagen bis 23 - ist die Wahrscheinlichkeit, dass man einfach wenn man die Frauen jährlich untersucht, dass man dann entsprechend Chlamydieninfektionen erwischt, so hoch, das es empfohlen wird."

    Wird eine Chlamydieninfektion früh genug erkannt, kann ein chronischer Verlauf und damit die Gefahr der Unfruchtbarkeit - gut verhindert werden - wenn bei der Behandlung alles sorgfältig bedacht wird.

    "Wenn die richtigen Antibiotika über den richtigen Zeitraum gegeben werden, dann ist sie gut zu behandeln, vorausgesetzt der Partner wird parallel behandelt und während der parallelen Behandlung gibt's keine neuen Ansteckungen. Das Problem ist, wenn Mensch eins behandelt wird 10 Tage lang, Mensch zwei erst nach dem Ende dieser zehn Tage behandelt wird, dann kann es zu so genannten Ping Pong Infektionen kommen und wenn dann noch eine dritte oder vierte Person im Spiel ist, dann dreht sich dieses Karussell Monate bis Jahrelang."

    "Also, wenn ich mich gerade in jemanden verliebt hab und so und dann muss ich dem sagen, dass ich da so eine Infektion habe, also, das würde mir schon schwer fallen. Ich würde das zwar machen, aber dann hätte ich total die Angst, dass er irgendwie blöd über mich denkt, oder so."

    Schwierig ist es nicht nur für junge Leute über eine Krankheit zu reden, die für viele etwas Anrüchiges hat. Sexuell übertragbare Krankheiten stehen auf der Peinlichkeitsskala ziemlich weit oben.

    Dabei sind Offenheit und Aufklärung wichtige Kriterien um die heimliche Chlamydien-Epidemie aus ihrem Schattendasein zu holen. Und - mit Tabuthemen kann man auch durchaus entspannter umgehen, weiß Frauenärztin Nitschke

    "In Niederlande gab`s ne nette Kampagne, ne Plakatkampagne, da sitzt ein Pärchen auf der Bank und er fragt sie, nee, sie fragt ihn, sach ma, kennste jemand der Chlamydien hat? Und er sagt dann, äähh, meine Mutter hat Begonien und Forsythien ich glaub, da könnten auch ein paar Chlamydien dabei sein.

    Diesen Comic find ich super und so was ähnliches könnte ich mir hier auch in der Präventionsarbeit denken, einfach damit Bewusstsein geweckt wird."