Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Die helle Bedrohung

Biologie. - Forscher beobachten in den vergangenen Jahren immer häufiger, dass Licht die Aktivität von Fledermäusen zu beeinflussen scheint – im Guten, meistens jedoch leider im Schlechten. Auf dem Berliner Fledermaustreffen, das derzeit stattfindet, ist Lichtverschmutzung ein großes Thema.

Von Caroline Ring | 01.03.2013
    Manchmal finden Forscher ihre Projekte sprichwörtlich vor der Haustür. Zum Beispiel Daniel Lewanzik, der für seine Doktorarbeit tropische Fledermäuse in Costa Rica beobachtet hat, die sich von Früchten ernähren. Während seiner Arbeit stellte er eines Morgens fest, dass die Früchte eines Pipabuschs vor der Haustür nicht komplett abgeerntet waren.

    "Dazu muss man sagen, dass diese Pipabüsche, bei denen reifen nicht alle Früchte gleichzeitig, sondern in jeder Nacht reifen einzelne Früchte heran, die sind auch immer nur eine Nacht reif, das heißt, wenn die in einer Nacht nicht geerntet werden, fallen sie praktisch am nächsten Tag ab. Und normalerweise werden sie zu 100 Prozent geerntet. Weil die so eine wichtige Ressource darstellen. Deshalb fanden wir es merkwürdig, dass da noch Früchte dran waren, morgens."

    Der Busch befand sich im Lichtkegel einer Sicherheitsbeleuchtung für das Haus. Die ganze Nacht hindurch beschien sie nicht nur das Gebäude, sondern auch den Busch davor. Lewanzik:

    "Und dann haben wir überlegt, ob das eventuell an dem Licht liegen könnte und haben dann ein Experiment jetzt durchgeführt, bei dem wir das genauer untersucht haben, unter experimentellen Bedingungen. Haben also einen Flugkäfig benutzt, haben Tiere da rein gemacht, und konnten dann zeigen, dass tatsächlich Licht beeinflusst, wo die Tiere ihre Früchte ernten sozusagen. Das heißt, im Licht ernten sie weniger Früchte als im Dunkeln."

    Insgesamt testete er 56 Tiere, die im Durchschnitt nur halb so oft den hellen Bereich anflogen wie den dunklen. Genauso wurden auch nur ungefähr halb so viele Früchte im hellen Bereich geerntet, wie im dunklen. Auf die freie Wildbahn übertragen, hätte das weitreichende Folgen: Fruchtfressende Fledermäuse übernehmen in den Tropen wichtige Bestäuberfunktionen. Und sie dienen wie hierzulande Vögel oft dazu, Kerne und Samen von Pflanzen zu verbreiten. In den Tropen erreichen sie damit auch Flächen, die gerodet oder beweidet wurden. Werden die Tiere vertrieben, bleibt auch diese ökologische Pionierarbeit aus. Was genau die Fledermäuse an dem künstlichen Licht stört, ist bisher nicht geklärt: Möglicherweise werden sie verscheucht, weil sie so - anders als im Schutz der Dunkelheit - von Fressfeinden wie Greifvögeln erkannt werden können. Daniel Lewanzik:

    "Man könnte auch argumentieren, dass Fledermäuse natürlich von ihren Augen darauf evolviert sind, dass sie unter ganz geringen Lichtintensitäten noch sehen können, das heißt, vermutlich sind die Sehpigmente dann schon bei etwas hellerem Licht gesättigt. Aber sicher ist das nicht. Da fehlen dann noch weitere Experimente, um das zu belegen."

    Lewanzik weiß allerdings, dass Lichtverschmutzung nicht nur die tropischen Arten betrifft. Auch in Europa gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass nächtliche Beleuchtung ein Problem für die Tiere darstellt. Fledermäuse quartieren sich tagsüber häufig in Hausdächern oder Monumenten ein. Werden die jedoch nachts angestrahlt, sind auch die Ein- und Ausgänge zu den Fledermausbauten hell erleuchtet.

    "Und jetzt hat man gezeigt, dass wenn der Eingang oder der Ausflug von diesem Tagesquartier beleuchtet wird, dass die Fledermäuse dann später ausfliegen, oder in geringerer Stückzahl ausfliegen und manche bleiben halt ganz im Quartier, nachts, sodass ihnen dann nachts weniger Zeit zur Verfügung steht, um zu jagen, und letztendlich wurde sogar gezeigt, dass sich diese verkürzte Jagdperiode auf die Jungen auswirkt, das heißt die Jungen in beleuchteten Quartieren entwickeln sich schlechter oder langsamer als die Jungen in unbeleuchteten Quartieren."

    Aber auch außerhalb der Quartiere kann Lichtverschmutzung Fledermäuse beeinflussen. Straßenbeleuchtung veranlasst einige Arten beispielsweise dazu, dass sie ihre Flugrouten ändern oder aus der Region verschwinden. Eine allgemeine Aussage über den Einfluss von künstlichem Licht auf Fledermäuse lässt sich trotzdem nicht machen: Schließlich gibt es auch Arten, die von dem zusätzlichen Licht profitieren. Die heimischen Zwergfledermäuse beispielsweise jagen nachts Insekten – die wiederum vom Laternenlicht angezogen werden.

    "Und die Insekten stehen dementsprechend in der angrenzenden dunklen Landschaft, nicht mehr zur Verfügung. Für die eine Art mag es gut sein, aber für die andere Art dann gleich wieder indirekt ein Nachteil."

    Um solchen ökologischen Zusammenhängen auf die Spur zu kommen, untersucht Lewanzik auch hierzulande am Berliner Institut für Zoo- und Wildtierforschung den Einfluss von künstlichem Licht auf Fledermäuse. Er ist an einem Projekt beteiligt, das im Westen von Brandenburg die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf ein ganzes Ökosystem untersucht. Es trägt den Titel "Verlust der Nacht".