Mittwoch, 24. April 2024


Die Jahresgewinner des lyrix-Wettbewerbs 2008

Zufrieden blicken die Initiatoren von »lyrix« auf das Jahr 2008 zurück: In der ersten Wettbewerbsrunde haben uns mehr als 1200 Gedichte erreicht. Die positive Resonanz auf »lyrix« hat uns überwältigt und wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Teilnehmern sehr herzlich für die eindrucksvollen und spannenden Beiträge bedanken.

18.02.2009
    Angesichts der zahlreichen Gedichte ist der Jury die Wahl der Jahresgewinner nicht leicht gefallen. Auf zwölf Preisträger wollte man sich einigen, letztendlich konnten dreizehn Schülerinnen und Schüler die besten Wertungen der Juroren auf sich vereinigen. Um nicht per Los entscheiden zu müssen, haben sich die Initiatoren des Wettbewerbs darauf geeinigt, dreizehn Jahresgewinner auszuzeichnen. Diese dreizehn Schülerinnen und Schüler fahren vom 05. bis 08. März 2009 nach Berlin und werden dort unter anderem an einem Lyrikworkshop mit den Autoren Norbert Hummelt und Dirk von Petersdorff im Literarischen Colloquium Berlin teilnehmen.

    Übrigens: Auch in der zweiten Runde von »lyrix« ist der Preis für die Jahresgewinner wieder ein verlängertes Wochenende in Berlin. Mitmachen lohnt sich!


    Die »lyrix«-Preisträger 2008 in alphabetischer Reihenfolge:



    Sophia Barthelmes aus Eckersdorf
    Markgräfin-Wilhelmine Gymnasium Bayreuth, Jahrgangsstufe 13
    »lyrix«-Monat: Juni
    Leitmotiv: Ich sehe was, was Du nicht siehst...

    philosophie

    so traurig macht
    es mich dass
    ich sie niemals
    werde betrachten können
    die gesamte schönheit der sonne
    denn
    sie würde mich
    blind machen

    lieber gott
    ist dies auch
    bei dir
    bedingung?





    Josefine Berkholz aus Berlin
    Jugendkunstschule Atrium, Klasse 8
    »lyrix«-Monat: Februar
    Leitmotiv: Schöne Kinderzeit?

    Kinderworte

    Leise Gedanken,
    Zu schüchtern für den Augenblick,
    schicken scheu die ersten Ranken,
    An des Tages klares Licht.

    In einem Kleid aus handgenähten Worten,
    Suchen sie sich ungeschmückt,
    den Weg zu des Ohres Pforten,
    Für den Augenblick beglückt.

    Junge Stimmen suchen sacht,
    einen Menschen der sie hört,
    Doch sie bleiben ohne Acht,
    weil man sich an ihnen stört.

    Jugendwahrheiten verblassen,
    Niemand der sie an sich bindet,
    Sterben auf dem Boden, still, verlassen,
    bis sie später jemand findet.

    Warum will sie niemand wissen,
    weggewischt an jedem Orte
    muss die Welt sie lange missen
    niemand hört auf Kinderworte.





    Julia Frick aus Lambsheim
    Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12
    »lyrix«-Monat: Februar
    Leitmotiv: Schöne Kinderzeit?

    Kindheit

    Kindheit ist, wie Süßes naschen,
    Gummibärchen, Colaflaschen,
    Toben schmeckt nach Quark-Nachtisch,
    in die Schule geh'n nach Fisch.

    Verstecken schmeckt nach Schokolade,
    Blinde Kuh nach Marmelade,
    Fernseh’n schmeckt nach Erdbeereis,
    Pflichten nach Gemüsereis.

    Spielzeug schmeckt nach Himbeersahne,
    "Schlaf-schön-Küsse" nach Banane,
    Lachen schmeckt nach Obstsalat,
    erwachsen werden - nach Spinat!





    Johanna Fugmann aus Memmelsdorf
    Dientzenhofer Gymnasium, Klasse 6
    »lyrix«-Monat: April
    Leitmotiv: Ist es Liebe?

    Lauch

    Deine Augen, deine Lippen, dein Kinn,
    Ich bin ganz weg und hin,
    Ich verwechsel jeden Satz in jedem Wort,
    Nein das war anders aber auch so was von der Sort,
    Ich verbuchsel alle Wechselstaben,
    Ach wie gern würd ich deine Liebe haben,
    Ich weis nur nicht, liebst du mich auch?
    Magst du auch so gerne Lauch?
    Ich hab nämlich gehört:
    ein Paar muss zusammen passen,
    Man muss die selben Sachen hassen,
    Dasselbe lieben muss man auch,
    Und ich mag eben Lauch.





    Judith Gerten aus Pulheim
    Geschwister-Scholl-Gymnasium, Klasse 10
    »lyrix«-Monat: Oktober
    Leitmotiv: Mein Land!?

    Deutsch-Land

    Schwarzrotgolden weht die Fahne
    Himmel über Deutschland? blau
    Wege aschig, ockerfarben
    Alte Menschen, weiß und grau

    Kleine Kinder? rosa Finger
    Fahren durch den Lockenschopf
    Helle Fasern, schwarze Strähnen
    Lichtermeer auf deutschem Kopf

    Blasse Haut ziert grüne Augen
    Dunkle Iris, braungebrannt
    Afrikanisch, völkerfarben
    Reicht sich eine Welt die Hand

    Helle Finger, beige Kuppen
    Falten, tief, geschichtenreich
    Bahnen sich den Pfad des Lebens
    Durch Gesichter, dunkel, bleich

    Land der Deutschen, deutsche Lande
    Banner der Vielfältigkeit
    Spannen unsre Landesgrenzen
    Von Monotonie befreit

    Laute voller Farbenfreude
    Schwingen sich von Mund zu Mund
    Malen uns Momentaufnahmen
    Fotoalbum Deutschland? bunt.





    Julia Große aus Stendal
    Winckelmann-Gymnasium Stendal, Klasse 8
    »lyrix«-Monat: Juni
    Leitmotiv: Ich sehe was, was Du nicht siehst...

    Ich sehe was, was du nicht siehst

    Was du nicht siehst, das sehe ich.
    Nein, ein Schläger bist du nicht!
    Zieh deine Springerstiefel aus,
    den Baseballschläger lass zu Haus!

    Was du nicht siehst, das sehe ich.
    Nein, ein Fascho bist du nicht!
    Gib deinem Nachbarn mal die Hand,
    kommt er auch aus einem anderen Land.

    Was du nicht siehst, das sehe ich.
    Er ist ein Mensch, wie du und ich.
    Gewalt und Grausamkeit sind out,
    es steckt ein Mensch in jeder Haut.

    Was du nicht siehst, das sehe ich:
    Du bist o.k. - versteck es nicht!





    Kai-Oliver Gutacker aus Niddatal
    Sankt Lioba Schule, Jahrgangsstufe 12
    »lyrix«-Monat: Oktober
    Leitmotiv: Mein Land!?

    Ins Kristall

    Wie einen grauen Mantel
    Leg ich mein Tagwerk ab
    Im stillen Weltenwandel
    Senkt sich die Nacht herab

    Es regen sich die Träume
    Geflüster steigt ins All
    Und formt die engen Räume
    Zu atmendem Kristall

    Kristall'ne Zaubergründe -
    Die Lande kristallin
    Kristalldunst netzt die Winde
    Die seicht durchs Nachtreich zieh'n

    Durch schattenlose Wälder
    Bedeckt mit klarem Schnee
    Durch bunte Spiegelfelder
    Bis in die weite See

    Sich mit dem Mondlicht einend
    Zieh'n Geisterschar'n umher
    Und ihre Blicke scheinen
    Aufs silberblaue Meer

    Als wollten sie mich leiten
    Entdecken sie sich mir
    Durchströmen rasch die Weiten
    Und bringen mich zu dir





    Jonas Kohnen aus Ludwigshafen
    Heinrich-Böll-Gymnasium, Klasse 10
    »lyrix«-Monat: Oktober
    Leitmotiv: Mein Land!?

    Landflucht

    Vermatscht grüne Grasstücke, im Sommer waren hier Gänseblümchen stationiert Nachts lichterlose, blättergeflutete, verdächtig stille Stadtteilparks Schrumpfende Tierwelt, nur noch ein paar zwitschernde Vögel auf den kargen Ästen Igel und Mäuse, verstecktes Wimmeln im Unterholz, jährlich leiser werdend

    Wege in meinem Land sind holprige Reifenqual, wenig befahren Baustellen überall, wandern ganz langsam die Straßen entlang Straßenbahnrillen werden von Zeit zu Zeit zur Fahrradfalle Weltoffene, verschlossene, glückliche oder traurige Individuen leben hier

    Häuser, mal hoch mal niedrig, nur zum Teil bewohnt Der zentrale Ort für vollkommen isolierte Menschen Ihr Anteil erkennbar an der traurigen Leere der Geschäfte Einsame Seen, verpasste Spiegelungen der Sonnenuntergänge

    Glücklos umherstreifende Verlassene suchen die traute Zweisamkeit Beleuchtete Springbrunnen sind Ausdruck illusionärer Verschönerungsversuche Industrieschornsteine sorgen für schleichend ansteigende Luftverschmutzung Muss noch hier bleiben, dann abwägen, wahrscheinlich wohl wegziehen





    Theresa Pleitner aus Blaubeuren
    Evangelisches Seminar Kloster Blaubeuren, Jahrgangsstufe 12
    »lyrix«-Monat: September
    Leitmotiv: Spiel des Lebens

    Spielen und gespielt werden

    Gib mir deine Hand
    lass uns auf den Gräbern tanzen
    wenn wir auch
    die Blumen zu Dreck zertrampeln
    die Toten in den kahlen Ästen der Bäume
    empört die Finger heben
    wenn auch in mir
    die Wut der Ohnmacht schreit
    das was ich liebte hier zu Staub zerfiel
    beiße ich dich doch zärtlich in die Wange
    ein Halt von nackter Haut inmitten der Willkür
    eines Gottes dessen Marionetten wir sind

    sein grausames Spiel spielt er mit uns
    und wir, gutgläubigen Kindern gleich,
    suchen verzweifelt den Sinn
    in den Launen des Schicksals
    basteln aus dem flüchtigen Material unserer Gedankengänge Sinnmasken
    ein verbitterter Maskenball von Marionetten

    Doch mein Spiel soll ehrlich sein
    wie nackte Haut
    bloßgelegt die Adern des Herzens
    verfolgt von euren starren Blicken
    strömt doch das Blut meines
    zerrissenen Herzens fort
    wenn ich
    einsam
    tanze
    ohne sinn
    von Sinnen





    Naomi Shamban aus Quickborn
    Elsensee-Gymnasium Quickborn, Jahrgangsstufe 12





    Andreas Thamm aus Bamberg
    Dientzenhofer Gymnasium, Jahrgangsstufe 12
    »lyrix«-Monat: April
    Leitmotiv: Ist es Liebe?

    Mein Lied

    Ich lege meinen Kopf
    In ihren Schoß.
    Vergesse mich,
    falle ins Nichts,
    gestoßen vom Brummen der Lampe.

    In der Luft,
    zittern ihre Worte nach.
    Ich wiege mich
    In Erinnerung.
    Das Bild vor meinen Augen
    vergilbt,
    der Putz in ihrem Gesicht
    bröckelt

    Eine Zigarette für den Nichtraucher.
    Die Raucherin sieht zu.
    Kalter Qualm
    Trägt Moral und Sehnsucht
    An die Decke.
    Leidenschaftlich huste ich mir
    Die Leidenschaft aus der Lunge-
    Oder war es Teer?

    Im Radio spielen sie unser Lied.
    Wie kitschig das doch ist.
    Aber es weiß ja sonst niemand.
    Unnötig es zu erwähnen,
    vielleicht hört sie gar nicht zu,
    vielleicht ist es ja auch nur
    mein Lied

    Meine Lippen an ihren.
    Keine Regung mehr
    In ihrem Gesicht
    Oder in meinem Herzen
    Sie sieht mich nicht mehr an
    Ihre Lippen sind bleich
    Ihr Schoß schon
    Kalt.





    André Thyroff aus Heinersreuth
    Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium Bayreuth, Jahrgangsstufe 11
    »lyrix«-Monat: Juli
    Leitmotiv: Magische Ferienzeit

    Fernweh

    Der Hafen liegt verlassen da
    Boote, notdürftig vertäut, neigen ihr Deck In stummer Verbeugung Gen Grund, senken entblößt die Masten Nussschalen gleich, achtlos fallen Gelassen.

    Die Ebbe zwang die Boote in die
    Knie, griff gierig nach ihren
    Körpern, lockte
    Sie auf See.

    Ermattete schließlich doch
    Stumm liegen sie jetzt
    In bewundernder
    Geste.

    Ruhelos ergriffen sitze
    Ich am Kai, wäre
    Gern mit geschwommen doch
    Auch ich bin notdürftig vertäut.
    In den Pfützen am Grund
    Tummeln sich Krebse.





    Lou Zucker aus Hamburg
    Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium, Jahrgangsstufe 12
    »lyrix«-Monat: Oktober
    Leitmotiv: Mein Land!?

    Salzwind und Andennebel

    Ich bin das unaufhaltsame, nasskalte Grau,
    das unter die Kleider dringt und in die Gemüter,
    die sich nicht zur Wehr zu setzen wissen.

    Ich bin der Dönergeruch in den U-Bahn-Schächten
    und das Abendgold in den Hafenkränen
    wo mich nach langer Reise
    der Salzwind hin zurück trug.

    Mit Eukalyptusduft
    und Andennebel im Herzen
    sah ich mich zum ersten Mal im Spiegel.
    Mit Sommersprossen
    und ungekämmten Haaren
    und lächelte mir zu





    Die »lyrix«-Jury 2008:
    In der Jury saßen neben den beiden Lyrikern Norbert Hummelt und Dirk von Petersdorff auch der Hauptabteilungsleiter Kultur des Deutschlandfunks, Dr. Matthias Sträßner, der Literaturkritiker Michael Braun, der Verleger Manfred Metzner (Das Wunderhorn) sowie Malte Blümke für den Deutschen Philologenverband.