Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Die Juniorprofessur, das unbekannte Wesen

Patrick Honecker: Das Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh, kurz CHE, will es wissen. In den nächsten Tagen wird eine Online-Umfrage frei geschaltet, die die Wünsche der Juniorprofessorinnen und -professoren zusammentragen möchte. Professor Tassilo Schmitt vom CHE ist jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Schmitt.

Moderation: Patrick Honecker | 19.05.2004
    Tassilo Schmitt: Guten Tag, Herr Honecker.

    Honecker: Herr Schmitt, die Juniorprofessur, der Juniorprofessor, das noch unerforschte Nachwuchswesen. Wieso ist jetzt der Zeitpunkt für so eine Umfrage gekommen?

    Schmitt: Ganz unerforscht ist es nicht. Die Junge Akademie hat ja im letzten Jahr bereits eine erste Untersuchung und Studie vorgelegt, die sich mit den Anfängen der Juniorprofessur beschäftigt hat. In wenigen Tagen wird eine neue Untersuchung, ebenfalls von der Jungen Akademie, vorgelegt werden, wo die Juniorprofessur mit einer speziellen Fördermöglichkeit für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft untersucht wird. Wir wollen jetzt wissen, ob es fächergruppenspezifische Probleme bei der Umsetzung der Juniorprofessur gibt, denn man hört häufig das Argument: "Na ja, eigentlich ist es ja eine ganz gute Idee, aber mit den Traditionen und Notwendigkeiten unsere Fächer ist das nicht vereinbar, dass man Juniorprofessuren einstellt oder solche Ämter schafft." Wir wollen diejenigen fragen, die jetzt Juniorprofessoren geworden sind, wie die Profile in den Fächern aussehen, wie sie sich qualifizieren können, welche Arbeitsmöglichkeiten sie haben, wie sie in den Fächern und in Fachgesellschaften akzeptiert sind, wie die Aufgabenverteilungen in der Lehre stattfindet, ob das die ihnen zugesagte Selbständigkeit fördert oder nicht und Ähnliches.

    Honecker: Sie haben die Junge Akademie angesprochen. Erste Ergebnisse sind ja bereits bekannt geworden bei dem Vergleich Emmy-Noether-Programm und Juniorprofessur. Die Noetherianer haben erheblich besser auf dem Hochschulmarkt abgeschnitten. Unabhängig davon: Sie haben mit einigen Juniorprofessoren und -professorinnen im Vorfeld bereits gesprochen. Welche Wünsche haben Sie denn im persönlichen Gespräch schon gehört?

    Schmitt: Das ist sehr unterschiedlich und unterstreicht, wie notwendig es ist, dass man eben fächergruppenspezifisch unterscheidet. So haben wir zum Beispiel bei Ingenieurs-Juniorprofessoren die wirklich spannende Idee gehört, dass man möglicherweise eine Teilzeit-Juniorprofessur einrichten sollte. Anderweitig wird viel von Freisemestern gesprochen. Es ist auch unterschiedlich wichtig, dass die Juniorprofessoren auch Professoren heißen und nicht nur Juniorprofessoren, also die Frage des Titels, die ja auch in den Ländern geregelt wird, spielt da eine Rolle. Wichtig, aber eben auch unterschiedlich wichtig, ist die Frage der Ausstattung des Zugriffs auf Instituts- und Fachbereichsmittel und so weiter.

    Honecker: Diese Frage der Freisemester oder die Frage der Teilzeitbeschäftigung verknüpfen wir ja eigentlich auch ein bisschen mit der Frage der Festanstellung. Es wird häufig vom so genannten Tenure-Track gesprochen. Häufig übersetzt man das ja mit der unbefristeten Festeinstellung - dabei ist der "Track" eigentlich mehr der Weg, die Möglichkeit, diese Stelle zu bekommen. Wie ist das bei den Juniorprofessoren? Wie wird das artikuliert?

    Schmitt: Das haben ja auch die bereits genannten Umfragen schon gezeigt, und es ist auch unsere Auffassung beim CHE, dass für den Erfolg der Juniorprofessur die Gewährung der Einrichtung eines Tenure-Track ganz wichtig ist. Wobei man immer wieder betonen muss, dass "Tenure-Track" eben nicht "Tenure" heißt, sondern Tenure-Track eben bedeutet, dass unter genau definierten Leistungskriterien die Stelle in eine Lebenszeitprofessur umgewandelt werden kann. Es bedeutet nicht, dass wer auf einer solchen Stelle sitzt, automatisch eine Lebenszeitprofessur bekommen muss.

    Honecker: Wie sieht das denn in der Praxis aus? Wenn wir das zum Beispiel mit den USA vergleichen, wie wird das dort gehandhabt?

    Schmitt: Das ist sehr unterschiedlich. Gerade an den besonders renommierten Hochschulen ist es so, dass vergleichsweise wenige die Tenure auch bekommen, sondern die Kriterien da sehr, sehr hart sind. Man hört da Zahlen, dass 90 Prozent der Personen, die einen Assistent Professor haben, eine solche Stelle nicht bekommen. An anderen Hochschulen ist es so, dass die Tenure sich sehr stark auch mit der Qualität, mit dem Selbstbild der Hochschule verbindet. Die Aussage ließe sich so zusammenfassen: Wenn wir es nicht schaffen, durch unsere Vorauswahl und durch die Förderung einen Assistent Professor so gut zu machen, dass wir ihn dann auch behalten können, dass er die Tenure-Kriterien nicht schafft, dann stimmt auch mit uns was nicht.

    Honecker: Abschließend und ganz kurz: Wie werden Sie diese Umfrage durchführen?

    Schmitt: Wir machen das online und werden jetzt mit Hilfe der Jungen Akademie, die da Projektpartner ist, alle uns erreichbaren Juniorprofessoren und Juniorprofessorinnen anschreiben, ihnen den Fragebogen frei schalten und sie dann bitten, die entsprechenden Fragen zu beantworten. Das soll innerhalb der nächsten vier Wochen abgeschlossen sein, so dass wir auf einer Tagung, die an der Universität Clausthal-Zellerfeld am ersten und zweiten Juli stattfindet, bereits erste Ergebnisse nennen können. Die endgültige Veröffentlichung ist dann für den Spätsommer geplant.

    Honecker: Wir werden natürlich auch darüber berichten. Tassilo Schmitt vom Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh.