Donnerstag, 25. April 2024

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Die Kanzler und die Medien
Sie küssten und sie schlugen sich

Vom Geschichtenerzähler bis zum Provokateur: Mit Journalistinnen und Journalisten ging jeder der deutschen Bundeskanzler anders um. Unser Silvester-Feature erzählt die Geschichte von über 70 Jahren Hassliebe zwischen Kanzleramt und Medien.

Von Michael Watzke | 31.12.2019
Bundeskanzler Konrad Adenauer hält am 22.08.1961 in Berlin eine Pressekonferenz anlässlich seines Besuches im Notaufnahmelager Marienfelde. Adenauer war von 1949 bis 1963 der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und von 1951 bis 1955 zugleich Bundesaußenminister.
Konrad Adenauer war von 1949 bis 1963 der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (dpa)
Erfurt 1970. Ostdeutsche Bürger feiern den westdeutschen Kanzler. Willy Brandt hat dafür Sorge getragen, dass seine Wähler im Westen die Jubelbilder aus dem Osten live im Fernsehen verfolgen können. Er hat TV-Reporter mit nach Erfurt gebracht.
Reporter: "Hier kennen uns die Leute vom Westdeutschen Fernsehen natürlich auch und haben uns hier gesehen. Danke schön! Sie sind jetzt hier durch die Sperre durchgekommen und sind jetzt näher herangekommen an die Stelle, wo Willy Brandt vorbeigehen wird!"
Ein ständiges Wechselspiel
Die Kanzler und die Medien. Ein Mit- und Gegeneinander über mehr als 70 Jahre bundesrepublikanischer Geschichte. Die Vertreter der zweiten und der vierten Gewalt nutzen und benutzen einander. Mal streiten sie, mal streicheln sie sich. Das ständige Wechselspiel von Exekutive und Publikative ist ein zentraler Baustein der deutschen Demokratie seit 1949.
Aber die Medienpolitik hat sich von Adenauer bis Merkel immer wieder verändert. Weil sich die Medien wandelten und weiter wandeln. Und weil jeder Kanzler, jede Kanzlerin anders mit Journalisten, Redaktionen, PR-Expertinnen und Umfrageinstituten umging.
Allein der Unterschied zwischen Helmut Kohl und seinem Nachfolger ist frappierend. Gerhard Schröder, der geniale Geschichtenerzähler, verkaufte sich – auch mithilfe der Medien - als jovialer Mann aus dem Volk: "Hol‘ mir mal ne Flasche Bier, sonst streik‘ ich hier und schreibe nicht weiter."
Lachend beantwortet Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD, l) zusammen mit dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering (r) am Mittwoch (05.10.2005) im Reichstagsgebäude in Berlin die Fragen von Journalisten. Die Spitzen von SPD und CDU/CSU hatten sich zuvor zu einem weiteren Sondierungsgespräch getroffen. Union und SPD haben in ihrem dritten Gespräch einen großen Schritt hin zu einer großen Koalition getan. Beide Seiten sprachen im Anschluss an das Treffen von großer inhaltlicher Übereinstimmung. Die strittige Frage der Kanzlerschaft wollen beide Seiten "sehr zeitnah" klären. Foto: Wolfgang Kumm dpa/lbn (zu dpa-kurz 0095) +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
Bundeskanzler Gerhard Schröder war nicht nur ein guter Geschichtenerzähler, sondern gab sich auch besonders volksnah (dpa)
Helmut Kohl dagegen sah in den meisten Journalisten potenzielle Gegner. Seine Scharmützel mit "Spiegel"-Reportern sind legendär:
"Von allen Ihren Kollegen stellen Sie in Deutschland die dümmsten Fragen! Aber ich gewinne trotzdem die Wahl, was immer Sie ..." – "Sie kommen hierher mit einer vorgefassten Meinung. Mich interessiert Ihre Frage jetzt wirklich überhaupt nicht!" –"Interview mach‘ ich ganz gewiss jetzt keines. Mach‘ ich sonst nicht, warum soll ich’s heute machen?" – "Lesen Sie Ihr Magazin am Montag, da haben Sie für den Rest der Woche zu tun!"
Medienlieblinge dankten schneller ab
Der Vergleich Kohl - Schröder zeigt aber auch, dass die Leichtigkeit und Eleganz im Umgang mit Journalisten und Medien nicht das entscheidende Kriterium für Wahlerfolg sein kann: Kohl regierte 16 Jahre lang, Schröder sieben. Auf den ersten Blick bleiben die eher mediendistanzierten Kanzler – Adenauer, Kohl, Merkel – besonders lang im Amt. Jene Kanzler, die zumindest anfangs als Medienlieblinge galten – wie Erhard, Brandt, Schröder – mussten nach weniger Jahren abdanken.
Das Gebäude der Bundespressekonferenz im Regierungsviertel.
Bundespressekonferenz: Journalistisches Herz
Von der Deutschen Welle über das Wall Street Journal bis zum Korean Broadcasting System: Im Haus der Bundespressekonferenz arbeiten Journalisten aus aller Welt. Die Stimmung ist meistens gut.
Aber eine solch eindimensionale Betrachtung wird dem kommunikationswissenschaftlichen Forschungsfeld "Kanzler und Medien" nicht gerecht, sagt Dr. Thomas Birkner von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Persönlichkeit entscheidet über Umgang mit Presse
Birkner untersucht in einem aufwändigen Projekt "welche Gestaltungsmacht tatsächlich die Einzelperson hat. Weil man natürlich – wenn man auch gerade nach den großen Linien schaut – immer wieder auch feststellt, dass es Kontinuitäten gibt, Strukturen gibt, die Dinge der Kommunikation festschreiben, und gleichzeitig eben auf unsere sieben Kanzler und die Kanzlerin schaut, dann eben doch feststellt, dass es da erhebliche Unterschiede gibt in der Art und Weise, wie kommuniziert wurde, wie das Bundespresseamt eingesetzt wurde, wie mit Richtungspresse und anderen Organen umgegangen wurde."
Besonderes Augenmerk legen Birkner und sein Kollege Dr. Benjamin Krämer von der Ludwig-Maximilians-Universität München auf die Biografien der Politiker. Denn die Forscher glauben, wie Thomas Birkner erklärt:
"Es hat was mit der Persönlichkeit des jeweiligen Regierungschefs zu tun. Und das hat uns interessiert. Da wollen wir weiter in die Tiefe gehen und schauen, wie weit hat die Persönlichkeitsbildung und das Aufwachsen mit Medien schon in der Jugend etwas damit zu tun, wie die Akteure dann eben im Amt handeln."
Adenauer interviewte sich selbst
Ein Hörsaal in München. Im Publikum: viele Kommunikationswissenschaftlerinnen und Soziologen, aber auch interessierte Laien. Vorne, auf dem Panel, prominente Journalisten, Pressesprecher und Forscherinnen. Allesamt Experten für einen oder mehrere der sieben deutschen Kanzler. Zum Beispiel für den ersten: Konrad Adenauer.
"Bundeskanzler Adenauer. Ein Interview zum Jahresende." – "Wenn ein Jahr sich dem Ende nähert und das neue Jahr heraufzieht, ist wohl ein Rückblick und ein Ausblick in die Zukunft am Platze."
1959 war das – wie man schon an der schlechten Tonqualität erkennen kann. Ein Interview – wie angekündigt – ist es nicht: Adenauer sitzt am Schreibtisch seines Wohnhauses in Rhöndorf bei Bonn und stellt sich die Fragen gleich selbst, die er dann in getragenem Ton von Stichwortzetteln abliest.
WDR kam auf Wunsch des Kanzlers nach Köln
Adenauers gestelzter und offiziöser Fernsehauftritt wirkt wie ein Abbild seines persönlichen Medienverständnisses. Für Adenauer waren Medien vor allem dazu da, ihm zu nutzen und seine Politik zu verkünden, sagt der Historiker Frank Bösch, Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam:
"Das zeigt sich zunächst sehr, sehr stark bei der Ausgestaltung des Mediensystems, der Medienpolitik. Adenauer versucht, das Mediensystem so umzugestalten, dass es der CDU und ihm selbst als Kanzler nutzt. Das zeigt sich bei den Versuchen, die scheitern: bei der Einrichtung eines Bundespressegesetzes Anfang der 50er-Jahre. Bei der so genannten Lex Soraya, die jetzt mit Böhmermann noch mal Bekanntheit erlangt hat – also dem Versuch, Verleumdung von ausländischen Staatsoberhäuptern einzuschränken. Bis hin zu dem berühmten Versuch, ein regierungsnahes Fernsehen zu errichten. Das zeigt sich bei der Subvention von regierungsnahen Zeitungen, die im Umfeld von Adenauer organisiert wurden. Bis hin zur FAZ mit der Schaltung von Anzeigen. Da haben wir dieses instrumentelle Verständnis, wo er aber nur zum Teil tatsächlich mit durchkommt, man kann sagen, überwiegend scheitert. Erfolg hat er etwa bei der Einrichtung des WDR, um einen Rundfunksender nahe Köln zu haben."
Teegespräche für ausgewählte Journalisten
Dabei kann der damals 83 Jahre alte Adenauer, der so steif und distanziert wirkt, im Umgang mit Journalisten durchaus charmant und aufgeschlossen sein. Es ist Adenauers anderes Gesicht, sagt Frank Bösch, eine Art zweiter Ebene:
"Auf der Ebene des Zugehens auf Journalisten. Den direkten Kontakt mit Journalisten in den berühmten Teegesprächen: handverlesene Journalisten, die um ihn gesammelt werden, die ihn bei den Auslandsreisen begleiten – auch mit geheimen Mitteln aus dem Titel 300 subventioniert –, die ihn in die USA dann begleiten. Gerade die 'Wochenschau', dem Fernsehen der 50er Jahre: sehr sehr heroische Berichte von Adenauer."
So hatte es der Alte am liebsten. Aber wenn ein Journalist kritisch nachfragte – wie etwa Günter Gaus in einem TV-Interview Anfang der 60er Jahre – reagierte Adenauer selten beleidigt und nie laut, sondern ging in höflichem Ton in die Offensive.
Gaus: "Herr Dr. Adenauer, halten Sie den Beinamen ‚Kanzler der einsamen Entschlüsse‘ für zutreffend oder lehnen Sie ihn ab?"
Adenauer: "Ich halte ihn nicht für zutreffend. Ich habe mich in allen wichtigen Fällen vorher der Zustimmung versichert, entweder des Parteivorstandes oder der Bundestagsfraktion oder auch des Bundestages."
Gaus: "Der Vorwurf also, Kanzler der einsamen Entschlüsse zu sein, hat Sie nie als Vorwurf berührt? Sie haben das mit Gelassenheit getragen?"
Adenauer: "Ja, ich glaube, ich habe Ihnen eben gesagt, Herr Doktor, und darf Sie dann jetzt fragen: Sie schreiben ja Bücher. Sind Sie dabei nicht ein Mann der einsamen Entschlüsse?"
Erhard präsentiert sich glatt poliert
Kurz darauf tritt Bundeskanzler Adenauer zurück. Sein Nachfolger wird ein Mann, den Adenauer als Showman verachtet und mit aller Macht zu verhindern versucht: Ludwig Erhard. "Mr. Wirtschaftswunder" ist im Umgang mit Medien aus ganz anderem Holz geschnitzt. Wo Adenauer wie ein knorriger Ast wirkt, verkauft sich Erhard als glatt poliertes Eichenparkett:
"Ich kämpfe aus innerer Verpflichtung, aus innerer Berufung. Ich kämpfe auch deshalb, weil ich doch etwas dazu beigetragen habe, um dieses neue Deutschland zu formen."
Ludwig Erhard
Ein Markenzeichen von Ludwig Erhard war seine Zigarre (dpa)
Erhard ist ein Meister der Inszenierung. Sein prägnantes Profil, seine allgegenwärtige Zigarre, sein offen zur Schau gestellter Optimismus scheinen perfekt in Deutschlands boomende Konjunktur der 60er-Jahre zu passen. Viele Medien helfen bei der Inszenierung mit, sagt der Kulturhistoriker Peter Hoeres, Professor für Neueste Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg:
"Der wurde ja gewählt als Volkskanzler, weil er so gute Umfragewerte hatte – und weil er relativ beliebt war bei den Journalisten. Bei der 'Brigade Erhard' in der ‚Zeit‘ war er zum Beispiel auch beliebt. Man wollte den Alten jetzt endlich mal weghaben und jemand etwas moderneren, liberaleren Volkskanzler haben. Und der hat es dann aber nicht geschafft – als Gegenwind kam –, die Partei für sich einzunehmen. Damit ist er auch zum Teil gescheitert. Das lag unter anderem daran, dass es damals diesen Grundsatzkonflikt zwischen Atlantikern und Gaullisten gab, wo er überhaupt nicht vermitteln konnte und wo er auch die Partei einfach nicht hinter sich hatte. Das ist, glaube ich, die Mindestbedingung, dass man – wie Kohl es lange geschafft hat, bis 1994 eben, da war die Partei wirklich hinter ihm. Da gab es zwar auch Süssmuth und Geißler, aber auch gegen die hat er die Partei praktisch geeint. Das hat er wirklich sehr, sehr gut verstanden – und Erhard damals eben nicht."
Ergebnisse von Umfragen werden immer wichtiger
Ludwig Erhard hält sich nur drei Jahre als Regierungschef der Bundesrepublik. Der Volkskanzler wird zum Kurzkanzler. Für Peter Hoeres ist die gestörte Beziehung Erhards zu seiner eigenen, ihn tragenden Partei dafür mindestens so ursächlich wie die Tatsache, dass sich Erhards Verhältnis zu den Medien verschlechtert.
Allerdings gibt es hier auch Wechselwirkungen: Journalisten beobachten und berichten eifrig, wie schwach der Rückhalt des Regierungschefs in seiner Partei ist. Die CDU wiederum registriert genau, dass der Rückhalt ihres Spitzenmannes in der Bevölkerung und den Medien schwindet. Umfragen – unter Adenauer scheinbar nonexistent – spielen seit der Kanzlerschaft Ludwig Erhards eine immer wichtigere Rolle, wie Peter Hoeres erklärt:
"Zunächst mal war das ein internes Mittel, um die eigene Politik zu formulieren und bilateral oder 'off the record' zu kommunizieren. Das war also anders als heute, wo wir ständig alle gefüttert werden. Auch bei Kiesinger war es noch so, dass der in den Hintergrundgesprächen sehr, sehr oft auf Umfragen verwies, aber sie nicht publizieren ließ, sondern sie heranzog zur Unterstützung seiner Politik. Etwa: 'Die 68er sind nur eine kleine Minderheit, die meisten Deutschen unterstützen die gar nicht!' Oder: ‚Er ist so beliebt im Volk!' Das hat man dann sukzessive herangezogen, auch in bilateralen Verhandlungen mit dem amerikanischen Präsidenten. Das war dann ein diplomatisches Mittel, mit dem man sagen konnte: 'Die öffentliche Meinung erlaubt es mir nicht, etwa Bundeswehrsoldaten nach Vietnam zu schicken.' Was zum Beispiel von den Amerikanern immer gefordert wurde."
Schröder ärgerte sich über Demoskopie-Institute
Es dauerte aber noch drei Jahrzehnte, bis Meinungsumfragen in Deutschland zu einem entscheidenden öffentlichen Politikinstrument wurden. Besonders intensiv nutzte sie der siebte Kanzler der Bundesrepublik, Gerhard Schröder, sagt dessen langjähriger Regierungssprecher und Berater Bela Anda:
"Umfragen waren für Gerhard Schröder schon sehr wichtig. Er hat sie eingesogen, immer wenn sie kamen. Einen Tag, bevor sie öffentlich wurden, wurden sie dem Bundespresseamt oder ihm direkt zugeleitet. Nur: Auch mit besonderem Zugang können Sie die Umfragen ja nicht ändern. Sie können sich nur drüber freuen oder sich darüber ärgern. Und das passierte dann auch so oder."
Zu Beginn seiner Kanzlerschaft freute sich der spätere SPD-Vorsitzende Schröder meistens über Umfragen. Gegen Ende seiner Regierungszeit ärgerte er sich häufig über die Demoskopie-Institute. Nicht nur, weil Schröder vor der Wahl 2005 gegen Angela Merkel schlechte Umfragewerte erzielte. Sondern weil Schröder die Umfragen auch für falsch hielt.
Stimmungswechsel bleibt geheim
Und als die SPD die Bundestagswahl letztlich mit nur einem Prozentpunkt Stimmenrückstand auf CDU/CSU verlor, da fühlte sich Schröder bestätigt. Zu Recht, findet der Kommunikationsmanager Bela Anda. Denn Schröder habe vor der Wahl im September 2005 in den Umfragen einen Rückstand von 15 bis 20 Prozentpunkten auf Merkel gehabt:
"Was aber nicht wahrnehmbar war in den Umfragen, war dieser Swing. Denn diese Umfragen blieben bis zum Wahlabend in diesem Abstand. Ich erinnere mich noch gut: Thomas Wittke war damals der Leiter des Generalanzeiger-Büros aus Bonn. Der kam zu mir, und sagte: ‚Eine Woche vor der Wahl, meinen Sie, da ist noch was drin?' Also auch die Journalisten in Berlin waren völlig davon überzeugt, bis zuletzt, dass da nix geht. Und die Umfragen gaben ihnen Recht. Und dann habe ich vor einigen Jahren einen der führenden Umfragepäpste getroffen. Der ist zu mir gekommen und hat gesagt: 'Wissen Sie was? Wir haben den Ausschlag gesehen, aber wir haben ihn nicht gemeldet!'"
Warum nicht? Da zuckt der frühere "Bild"-Journalist Anda mit den Schultern. Seine Anekdote soll zeigen, welche Kämpfernatur sein damaliger Chef Gerhard Schröder war.
Stimmenfang an der Hauptstadtpresse vorbei
1998 hatte der niedersächsische Ministerpräsident den Kanzlerthron noch mit Unterstützung der Medien bestiegen. Die meisten Journalisten und Redaktionen machten kein Hehl aus ihrer Überzeugung, dass Deutschland nach 16 Jahren Helmut Kohl einen Wechsel brauche. Aber schon sieben Jahre später schien dieses Gefühl umgeschlagen zu sein. Bela Anda spricht vom "Berliner Ring":
"Also da gibt es eine ganze Phalanx von Journalisten, die in Berlin älter geworden sind und sich immer noch gegenseitig bestärken in der Meinung über bestimmte Vorgänge. Heute ist es: 'AKK bringt’s nicht, die hat keine Chance!' Und so können Sie bestimmte Meinungen sehen, die sich lange Zeit halten, weil man sich auch gegenseitig bestärkt in dieser Meinungsfindung. Und da darf ich schon sagen, auch wenn's der Wahlkampf von Gerhard Schröder war, den wir gemacht haben damals: Ich hab' das erkannt. Das war auch nicht schwer, denn die saßen mir ja gegenüber und sagten: 'Ihr habt ja eh' keine Chance!' Dann haben wir gesehen: Welche Möglichkeiten gibt es, andere Formen der Gespräche zu führen? Und dann sind wir ganz bewusst ins Land hinausgegangen, haben sehr, sehr viele Interviews gemacht, Gespräche – zum Teil auch schriftlich – mit Regionalblättern, die damals immer noch eine große Wucht hatten. Wo sie ein großes Maß an Fläche auch bespielen konnten. Wir haben sehr viel Radio gemacht. Das Netz gab' es damals noch nicht in dieser Form wie heute."
Klare Worte in der Elefantenrunde
Erstaunlich, dass Gerhard Schröder am Ende seiner politischen Karriere auf Lokalzeitungen und Hörfunkstationen setzte – und damit sogar fast erfolgreich war. Ausgerechnet Schröder, der am Anfang seiner Kanzlerschaft nur drei Medien für regierungsrelevant hielt: "Bild", BAMS und Glotze.
Bundeskanzler Gerhard Schröder, SPD , und Unions - Kanzlerkandidatin Angela Merkelvor Beginn der Aufzeichnung eines TV Duells zwischen den Parteivorsitzenden und Spitzendkandidaten der Parteien . Berlin , 12.09.2005.
Bundeskanzler Gerhard Schröder und Kanzlerkandidatin Angela Merkel 2005 in einem TV-Duell (imago stock&people)
Sein letzter TV-Auftritt als Kanzler ist in die Geschichtsbücher der Bundesrepublik eingegangen: die berüchtigte Elefantenrunde mit Merkel, Stoiber, Westerwelle – und einem entfesselten Schröder:
"Glauben Sie im Ernst, dass meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Merkel bei dieser Sachlage einginge, indem Sie sagt, sie möchte Bundeskanzlerin werden? Ich meine, wir müssen die Kirche doch mal im Dorf lassen! Frau Merkel wird keine Koalition unter ihrer Führung mit meiner sozialdemokratischen Partei hinkriegen. Das ist eindeutig. Machen Sie sich da gar nichts vor!"
Merkel jetzt länger im Amt als Adenauer
21 Millionen Menschen – also jeder vierte Deutsche – sahen Gerhard Schröders wirre Grimassen und Angela Merkels fassungsloses Staunen live im TV. So viele wie bei keiner Elefantenrunde im deutschen Fernsehen vor oder nach 2005.
Dieses Kanzlerduell in den Medien war der Startschuss für Angela Merkels Ära als Regierungschefin, die bis zum heutigen Tag andauert. Seit einer Woche, auf den Tag genau seit Heiligabend 2019, ist Merkel die dienstälteste Kanzlerin der Bundesrepublik nach Helmut Kohl. Sie hat damit Konrad Adenauer überholt, der 14 Jahre, einen Monat und einen Tag regierte.
Gesundheitszustand der Kanzlerin
Gesundheit ist Privatsache. Dieser Grundsatz gelte auch für die Bundeskanzlerin, sagte der Politikpsychologe Thomas Kliche im Dlf. Er lehnt Spekulationen darüber ab und sprach von "Politik-Paparazzi".
Als Adenauer 1963 abdankte, da gab es weder Fax noch Farbfernsehen. Es gab keinen Privatrundfunk und keine Mobilfunkmasten. Als Merkel 2005 ihre Kanzlerschaft begann, da waren Fax und Farbfernsehen bereits Auslaufmodelle. Stattdessen gab es seit zwei Jahren Facebook.
Prophetische Aussage zum "Neuland" Internet
An Snapchat dachte noch niemand, das wurde erst 2011 gegründet, da war Merkel sechs Jahre im Amt. Zwei Jahre später, 2013, wurden erstmals mehr Smartphones verkauft als Handys ohne Internetzugang. Im selben Jahr sagte Merkel bei einer Pressekonferenz neben US-Präsident Barack Obama den Satz: "Das Internet ist für uns alle Neuland."
Für diese Aussage erntete Merkel im Internet einen von zahllosen sogenannten Shitstorms ihrer Kanzlerschaft. Dabei erwies sich der Satz, den Merkel auf ihre Neuland-Aussage folgen ließ, als geradezu prophetisch:
"Das Internet ermöglicht auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung natürlich, mit völlig neuen Möglichkeiten und Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen."
Keine drei Jahre später erwies sich diese Warnung als Wahrheit: In den USA übten fremde, demokratiefeindliche Mächte durch Intervention im Internet entscheidenden Einfluss auf eine Präsidentschaftswahl aus. Donald Trump: "Russia, if you’re listening: I hope you’re able to find the 30.000 emails that are missing."
Trump als Negativbeispiel
Für Dr. Thomas Birkner, den Leiter des Forschungsprojektes "Die Kanzler und die Medien", begründet die Entwicklung in den USA die Relevanz seiner kommunikationswissenschaftlichen Studie in Deutschland:
"Ich glaube, das deutlichste Beispiel dafür, dass wir uns mit den höchsten Ämtern in der Politik und ihrem Umgang mit den Medien verstärkt beschäftigen müssen, ist Donald Trump: ein Mann, der radikal die Regeln geändert hat, nach denen politische Kommunikation funktioniert."
US-Präsident Donald Trump kritisiert bei einer Pressekonferenz am Rande des Treffens mit dem türkischen Präsidenten Erdogan die Anhörung in Sachen Impeachment-Verfahren.
US-Präsident Donald Trump attackiert regelmäßig Journalistinnen und Journalisten (picture-alliance/dpa )
Seit dem 16. Juni 2015, dem Tag, an dem Donald Trump seine Präsidentschaftskandidatur bekanntgab, greift er die sogenannten "mainstream media" an. Also renommierte Zeitungen wie "Washington Post" und "New York Times", aber auch etablierte Fernsehsender wie ABC, CBS und CNN und sämtliche Medienorganisationen, die ihn kritisieren.
US-Präsident hält Journalisten für korrupt
Mehr noch: Trump greift Journalisten persönlich an. Auf Kundgebungen wiegelt er seine Fans auf, anwesende Medienvertreter auszubuhen. Auf Pressekonferenzen beschimpft er Reporter, die ihm kritische Fragen stellen, als korrupte Vertreter der Lügenpresse.
Trump: "Are you talking to me?"
Jeff Mason (Reuters): "It was just a follow-up of what I just asked you, Sir.
Trump: "Don’t be rude!"
Mason: "No Sir, I don’t want to be rude. I just wanted you to have a chance to answer the question that I asked you."
Trump: "I answered everything! It’s a whole hoax. And you know who is playing into the hoax? People like you! And the fake news media that we have in this country. The corrupt media. Because you are corrupt! Much of the media in this country is not just fake, it’s corrupt."
Deutschland folgt Medientrends aus USA
Solche Zustände wie in den USA herrschen in Deutschland zwischen Spitzenpolitikern und Medienvertretern nicht. Noch nicht, sagt Richard Meng, langjähriger Journalist der Frankfurter Rundschau. Meng war auch sieben Jahre lang Sprecher des Berliner Senats und kennt das Verhältnis zwischen Medien und Politik deswegen auch aus der anderen Perspektive:
"Es war immer wieder so, dass in Deutschland die Entwicklung des Mediensystems, aber auch des Umgangs damit, ein paar Jahre nach Entwicklungen in den USA kamen. Das gilt auch für politische Trends, aber es gilt eben auch für das Mediensystem. Nicht jede Mode aus den USA fasst hier Fuß: Die Bedeutung der privaten Rundfunkanbieter zum Beispiel ist bei weitem nicht so groß wie in den USA. Auch die Rolle des Zeitungsjournalismus ist nach wie vor gewichtiger hier als in den USA. Insofern kann man das nicht gleichsetzen. Aber es wird Dinge geben, die auch herüberschwappen. Spätestens, wenn zum Beispiel eine AfD so stark wird, dass der Markt ihrer Wähler wiederum für Medien interessant wird. Dann wird es auch Medien geben, die versuchen, auf diesem Markt zu punkten mit rechtspopulistischen Positionen – was es bisher so nicht gibt."
1979 als Jahr des Medienumbruchs
Ein deutsches Breitbart News Network? Oder ein Fox News Deutschland? Auch in der Bundesrepublik haben Politiker aller Parteien von 1949 bis heute versucht, Medienorganisationen zu fördern oder zu behindern, die ihnen und ihrer politischen Richtung nahe oder fernstanden.
Die Gründung des ZDF unter Konrad Adenauer 1961 gehört dazu. Willy Brandts Einflussnahme auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Helmut Schmidts Widerstand gegen Privatsender – und die Einführung des privaten Rundfunks unter Helmut Kohl. Für den Historiker Frank Bösch steht das Jahr 1979 für den Umbruch der Medienlandschaft:
Fernsehen bringt den Vietnamkrieg ins Wohnzimmer
"Wir haben in der Tat einen strukturellen Wandel im Mediensystem Ende der 70er-Jahre – in doppelter Hinsicht. Zum einen haben wir mit dem Fernsehen, das sich nun etabliert hat, und zwar als globales Live-Medium, ein ganz anderes Reinrücken der Weltpolitik in die Wohnzimmer. Das geht ein bisschen schon beim Vietnamkrieg los. Da kommt der ‚living room war': der Krieg, der in die Wohnzimmer reinkommt. Aber noch deutlicher in den 70er-Jahren, wo fernab in der Welt irgendetwas passieren kann – im Iran ist eine Revolution, in Nicaragua gibt es eine Revolution, China öffnet sich. In dem Moment, wo in Nicaragua plötzlich eine sandinistische Regierung drankommt, wird die Verbundenheit damit ganz anders und damit wird der Handlungsdruck in den 70er-Jahren auch ein ganz anderer. Und wenn man überlegt, wie Helmut Schmidt zu diesem Weltpolitiker wird, der sich auf Weltwirtschaftsgipfeln politisch ganz anders inszeniert, dann hängt das sicher auch mit dieser neuen, globalen Medialisierung zusammen, die hier aufkommt."
Schmidt als Selbst-Inszenierer mit Zigarette
Helmut Schmidt wird von manchen Beobachtern als der deutsche Medienkanzler bezeichnet. Das hat auch mit seiner Nach-Kanzler-Karriere als Herausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit" zu tun. Schmidt war ein geschliffener Redner und geschickter Selbst-Inszenierer. Was für Erhard die Zigarre, war für Schmidt die Zigarette. Sie durfte in seinen späten Jahren bei keinem Talkshow-Auftritt fehlen – auch wenn längst ein striktes Rauchverbot galt. An sowas musste sich Schmidt nicht halten, das war Teil seiner Inszenierung als unangepasster, bisweilen raubeiniger Einzelgänger. "Schmidt Schnauze" nannten ihn die Medien schon vor seiner Kanzlerzeit.
Helmut Schmidt 2003 im Interview bei Sandra Maischberger im Audimax der Berliner Humboldt Universität
Helmut Schmidt war als Herausgeber der "Zeit" auch nach seiner Kanzlerschaft ein gefragter Gesprächspartner, hier 2003 in einem Interview mit Sandra Maischberger (imago stock&people)
Als Regierungschef ließ sich Schmidt gern als ideologiefreier Macher porträtieren. Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen – ein klassisches Schmidt-Zitat.
Helmut Schmidt: "Manches von dem, was ich gesagt habe, mag abermals den einen oder den anderen auf der Pressetribüne inspirieren, mich als Pragmatiker zu bezeichnen. Manchmal ist das ja sehr herablassend gemeint, aber ich kann das sehr gut ertragen. Ich bin nämlich in der Tat ein Pragmatiker. Aber kein theorieloser Pragmatiker. Und schon gar kein wertfreier."
Kanzler nutzen Zuckerbrot und Peitsche
Alle deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Schröder haben die Medien gelobt, wenn sie von den Medien gelobt wurden. Und sie haben die Journalisten kritisiert, wenn sie sich von ihnen zu sehr kritisiert fühlten. Dieses Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip erreichte zwar nie Trumpsche Dimensionen. Aber manchmal war es durchaus Trump light, sagt Kulturhistoriker Peter Hoeres:
"Wir können bei allen Kanzlern bisher immer Phasen ausmachen, wo zumindest subjektiv und auch nicht ganz ohne Grund das Gefühl bestand, die Medien oder die Mehrzahl davon sind gegen uns. Ich habe schon bei Brandt eben gesagt: 1973 sah das sicher so aus. Das kann man bei anderen auch sagen. Und dann ist es eben die Kunst, glaube ich, das zu mobilisieren und zu nutzen. Zu sagen, wie Kohl: Die sind gegen uns und wir sind das Land oder wir sind die eigentlichen, arbeitenden Bürger. Ein bisschen gedämpfter Trump-Stil quasi."
Merkel setzt auf Pragmatik
Interessanterweise ist dieser Stil bei der aktuellen Kanzlerin noch am wenigsten nachzuweisen. Zwar hat auch Angela Merkel die Medien genutzt und benutzt – aber vielleicht am stärksten dadurch, dass sie sie in Wahlkampfphasen explizit nicht genutzt hat. Jedenfalls nicht dazu, ihre Politik zu erklären.
Merkels Strategie der asymmetrischen Demobilisierung versetzte die Medien und damit weite Teile der Öffentlichkeit quasi in einen diskursiven Winterschlaf. Das war nicht immer so, sagt der Spiegel-Redakteur Rene Pfister, der Merkel lange und intensiv beobachtet hat:
"2005 war es ja schon inhaltlicher Wahlkampf, den sie geführt hat. Der ja im Grunde war: 'Deutschland braucht Reformen. Das reicht alles nicht, was Schröder gemacht hat. Wir müssen das Land jetzt ordentlich durchreformieren.' 'Der gouvernmentale Wahlkampf' hieß das damals. Und damit sind sie natürlich grandios auf die Nase gefallen. Merkel wäre fast nicht Kanzlerin geworden. Und von da an hat sie ihren Regierungsstil total geändert. Keine großen Pläne machen. Pragmatisch handeln. Wenn die Krise kommt, die regeln. Und ich glaube, das hat ihr Verhältnis zu den Medien total geprägt."
Keine Medienschelte von der Kanzlerin
Merkel wird bis heute ein höfliches, aber distanziertes Verhältnis zu Journalistinnen und Medien attestiert. Und damit ist die Kanzlerin meist gut gefahren. Sogar in der Flüchtlingskrise. Egal, ob sie (gerade am Anfang) eher gefeiert oder (wie später) eher kritisiert wurde - Merkel ist nie der Versuchung erlegen, Medienschelte zu betreiben.
Regierungssprecher Steffen Seibert und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Saal der Bundespressekonferenz. Seibert erteilt einem Journalisten das Wort.
Stimme der Kanzlerin
Steffen Seibert ist länger Regierungssprecher als jeder seiner Vorgänger seit 1949. Der ehemalige ZDF-Journalist ist nicht nur Sprecher der Kanzlerin, sondern auch einer ihrer engsten Berater - unter anderem für die Kommunikation der Regierung in digitalen Medien.
Als ein AfD-Politiker ihr bei einer Bürger-Veranstaltung in Mecklenburg-Vorpommern vorwarf, die Meinungsfreiheit einzuschränken, konterte sie im Ton höflich, im Inhalt messerscharf.
Bürger: "Die Pressefreiheit ist zurzeit nicht gegeben, wir haben eine Propagandapresse. Die DDR würde vor Neid erblassen, wenn sie das sehen würde."
Merkel: "Also erstmal ist ja die Tatsache, dass Sie hier in Reihe Eins sitzen und mit Ihrer Frage nicht gefährdet sind, einfach Ausdruck dafür, dass Sie mir das sagen können. Und dass ich selbstverständlich auch auf Ihre Frage antworte."
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Display einer Kamera bei einer Pressekonferenz.
Angela Merkel gibt sich den Medien gegenüber meist höflich, aber distanziert (Deutschlandradio)
Merkel kann sehr spröde, aber auch sehr schlagfertig sein. Wenn sie beides zeitgleich ist, wird es sogar witzig. Wie in diesem Podiumsgespräch mit einer Redakteurin der Frauenzeitschrift "Brigitte".
Redakteurin: "Frau Merkel, warum ist Ihnen das Schweigen lieber als das Reden?"
Merkel: "Das hab' ich nicht gesagt. Sie haben mich gefragt, worüber ich reden möchte. Und da hab' ich gesagt: Ich möchte übers Schweigen reden. Ich könnte ja gar nicht Politikerin sein, wenn mir grundsätzlich das Schweigen lieber wäre als das Reden. Ich hatte zum Beispiel in meiner früheren Tätigkeit als Physikerin an der Akademie der Wissenschaften viel Raum für Schweigen. Und ich habe mich dann trotzdem entschieden, als die deutsche Einheit und die Wende in der DDR kamen, dass ich vielleicht doch lieber ein bisschen mehr reden möchte."
Merkel verkündet keinen Masterplan
Aber viel reden oder gar Geschichten erzählen wollte Merkel in den bisher 14 Jahren ihrer Kanzlerschaft selten. Rene Pfister vom "Spiegel" erklärt sich das so:
"Es ist wirklich ein Unterschied, wenn man wie Willy Brandt sagt: ‚Neue Ostpolitik!‘ oder ‚Mehr Demokratie wagen!'. Oder Schröder: ‚Wir machen jetzt die Agenda!" Großer Plan, wir gehen in die Medien, wir erklären das, das ist unser Ding! Oder wenn man versucht, das, was man vorfindet, zu managen. Denn wenn man das macht – zum Beispiel in der Griechenland-Krise oder die Eurokrise ist ein gutes Beispiel – wenn man bis zum Schluss nicht weiß: Soll man die Griechen jetzt rausschmeißen, ja oder nein? Man will sich das halt offenhalten. Dann kann man nicht einen großen Plan verkünden. Weil man will ja, dass man am Ende auf der richtigen Seite steht. Auch das ist ein Grund, warum sie so ein supermisstrauisches Verhältnis zu den Medien und zu Journalisten hat. Weil sie immer Angst hat, dass etwas raussickert, was ihre Politik dann zunichte macht."
Bundeskanzler Willy Brandt kniet am 07.12.1970 vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau.
Bundeskanzler Willy Brandt kniet am 07.12.1970 vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau. (dpa)
Nein, eine Geschichtenerzählerin war Merkel nie. Sie ist kein Willy Brandt, der Geschichten und Geschichte sogar ohne Worte erzählen konnte. So wie in Warschau 1970 – beim berühmt gewordenen Kniefall. Oder bei so nebensächlichen Anlässen wie der Einführung des deutschen Farbfernsehens.
Willy Brandt: "In der Hoffnung auf viele friedlich-farbige, aber auch spannend-farbige Ereignisse gebe ich jetzt den Startschuss für das deutsche Farbfernsehen."
Dann wurde der schwarz-weiße Willy Brandt per Knopfdruck bunt. So bunt wie die deutsche Medienlandschaft. Manchem Regierungschef mag es später mit den Journalisten zu bunt geworden sein. Aber eines wurde das Verhältnis zwischen Kanzlern, Kanzlerinnen und den Medien nie mehr: schwarz-weiß.