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Die Klimapolitik der AfD
Persönliche Angriffe und Falschaussagen

Als schlichtweg falsch bezeichnen seriöse Wissenschaftler die Thesen der AfD zum Klimawandel. Die Rechtspopulisten diskreditieren aber nicht nur Forschungsergebnisse, sondern auch diejenigen, die das Klima schützen wollen, wie die Fridays-for-Future-Initiatorin Greta Thunberg.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 29.03.2019
Klimaaktivistin Greta Thunberg bei einer Kundgebung in Hamburg
Wird von der AfD angefeindet: Klimaaktivistin Greta Thunberg (M.) bei einer Kundgebung in Hamburg (dpa/Daniel Reinhardt)
"Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Zukunft klaut." - Bunt geschminkt, in Blumen-Kostümen werden sie heute wieder Pflanzensamen verteilen und ihre Plakate hochhalten. Auch Pauline Dost will kommen. Die 13-jährige Gymnasiastin aus Berlin ist stolz auf die Fridays-for-Future-Bewegung. "Wir sind das Vorbild", sagt Pauline: "Die sollen sich alle mal bewusst machen: Wir Kinder tun was dafür, dass wir in Zukunft hier leben wollen. Und das ist ein wichtiger Punkt, den sich alle klarmachen müssen."
Thunberg: "Die ältere Generation stiehlt uns die Zukunft"
Auch Greta Thunberg ist heute in Berlin dabei. Tausende Jugendliche werden zum Brandenburger Tor pilgern, wo ihr Idol am Mittag eine Rede hält. Und da sagt FDP-Chef Christian Lindner, Klimaschutz sei nur was für Profis? Blödsinn, sagt Pauline: "Was heißt Profis?! Ich meine, wir müssen uns alle hier damit beschäftigen, denn es betrifft uns alle. Nicht nur Profis, sondern die ganze Welt."
Begonnen hat alles in Stockholm: Monatelang hat Greta Thunberg letztes Jahr vor dem schwedischen Parlament für mehr Klimaschutz protestiert. Inzwischen ist sie mit ihrer Wollmütze und den zwei geflochtenen Zöpfen zum Gesicht der Bewegung geworden.
Gerade einmal vier Wochen liegt Thunbergs letzter Besuch in Deutschland zurück: Anfang März kam die 16-Jährige freitags nach Hamburg. Der Medienrummel, der Personenkult, die deutsche Schulschwänzer-Debatte: Greta Thunberg reagiert auf das äußerlich gelassen. Ihr geht es ums Klima: "We are angry because the older generations are stealing our future – right now." Die ältere Generation stiehlt uns die Zukunft, meint Thunberg und wird für diesen Satz bejubelt.
AfD: Persönliche Angriffe statt Sachargumente
Doch es gibt auch andere Stimmen, etwa die von Marc Jongen, Abgeordneter des Deutschen Bundestags und Mitglied der AfD. Für Jongen ist Greta Thunberg: "Ein krankes Kind, denn es ist bekannt, dass Greta Thunberg am Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus leidet. Der Fall Greta ist von höchster Symbolkraft für die wahnhafte Klimarettungspolitik im Ganzen."
Michael Schäfer vom Umweltverband WWF widerspricht scharf und verweist auf die Arbeit des Weltklimarats, der regelmäßig über die fortschreitende Erderwärmung berichtet: "Das ist ein Gremium aus mehreren hundert Wissenschaftlern, die auf Basis aller Veröffentlichungen, die es zum Thema Erderhitzung gibt, zusammenfasst, was der Stand der wissenschaftlichen Forschung ist."
AfD-Politiker Jongen legte unterdessen nach, vor zwei Wochen im Bundestag: Er prangert die, Zitat, "mächtige Klimalobby" an und unterstellt den Eltern von Greta Thunberg Geschäftemacherei. Die Zwischenrufe im Plenarsaal werden lauter, als Jongen fortfährt: "Asperger-Patienten pflegen ein extremes Schwarz-weiß-Denken. Das Abwägen und Differenzieren ist nicht ihre Sache." Die der AfD allerdings auch nicht, hält SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch dagegen: "Das, was Sie hier an diskriminierenden Worten verloren haben, ist niederträchtig, und es gehört nicht in dieses Haus."
"Natürlich gilt, erst recht im Deutschen Bundestag, die Würde eines jeden Menschen", sagt rückblickend die Bundestagsabgeordnete und Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock. "Dass es immer wieder Ausfälle bei dieser Partei gibt, sich über Menschen mit Behinderung lustig gemacht wird, das zeigt, dass diese Partei nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes steht."
Morddrohungen gegen Klimaforscher
AfD-Parlamentarier Marc Jongen wirft dem Weltklimarat der Vereinten Nationen fehleranfällige Modellrechnungen vor, er greift die Grünen an, und immer wieder Greta Thunberg.
"Da eben diese Klimaskeptiker, oder Leugner, wie man sie ja eigentlich nennen muss, keine Sachargumente haben, geht’s halt immer auf die Person", erklärt Stefan Rahmstorf, Physiker beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Jeder Klimaforscher, der öffentlich sich zu dem Thema exponiert äußert, kriegt Morddrohungen. Hab ich auch schon bekommen, auch gegen meine Familie. Daran muss man sich, leider Gottes fast, gewöhnen, wenn man Dinge sagt, die manchen Menschen gegen das eigene Weltbild gehen und die keine sachlichen Gegenargumente haben."
Führende AfD-Vertreter beharren auf ihren Thesen. Im gerade erst verabschiedeten Europawahlprogramm erklärt die Partei: "Wir bezweifeln aus guten Gründen, dass der Mensch den jüngsten Klimawandel, insbesondere die gegenwärtige Erwärmung, maßgeblich beeinflusst hat oder gar steuern könnte. Klimaschutzpolitik ist daher ein Irrweg." Ende Juli, mitten im Dürresommer 2018, erklärte AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, die extremen Wetterereignisse hätten nichts mit dem Klimawandel zu tun: "Wir glauben nicht, dass das sehr viel mit dem CO2-Ausstoß durch die Industrieproduktion oder durch menschliches Tun zu tun hat."
Solche Aussagen stoßen in den Braunkohle-Revieren in der Lausitz auf offene Ohren, erst recht wenige Monate vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland. Aber auch in ihrem Programm für die Europawahl hält die AfD fest: "Umweltpolitik muss sich zuerst an nationalen Bedürfnissen orientieren."
Klimaforscher: AfD argumentiert mit Falschaussagen
Von dieser Forderung hält Michael Schäfer vom Umweltverband WWF - nichts: "Ein Thema wie den Klimaschutz kann man nicht national lösen. Sondern er erfordert eine Kooperation aller Staaten der Erde, wie es beim Pariser Klimavertrag ja der Fall ist. Und dieses objektive Dilemma versucht die AfD damit zu lösen, indem sie einfach leugnet, dass es den Klimawandel und die Erderhitzung gibt."
Karsten Hilse, klimapolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, mischte sich bei einer der letzten Fridays-For-Future-Kundgebungen unter die Jugendlichen und verteilte ein sogenanntes Quiz mit Fragen zum Klimawandel. Klimaforscher Rahmstorf hat sich die Fragen angesehen und in seinem Internet Blog ausführlich analysiert: "Da werden dann Dinge behauptet, dass es im Holozän, also in den letzten 10.000 Jahren schon mal global mehrere Grad wärmer gewesen sein soll als heute. Was einfach wissenschaftlich falsch ist. Und wenn man nach den Belegen fragt, kommen eben Standard-Behauptungen der Klima-Skeptiker, die schlichtweg falsch sind."
Karsten Hilse hingegen betont gegenüber unserem Programm: Der CO2-Gehalt und die Temperaturänderungen hätten noch nie in der Erdgeschichte in einer Ursache-Wirkung-Beziehung gestanden. Umweltpolitiker anderer Parteien schütteln darüber den Kopf. Michael Schäfer vom WWF hält die Gefahren solcher Thesen für überschaubar, rät aber zu Wachsamkeit: "Sie werden nur dann gefährlich, wenn die anderen Parteien dadurch mutlos werden. Aber ich sehe nicht, dass es Klimaleugner in anderen Parteien als der AfD gibt."