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Die Klimapolitik der G20-Gruppe
Schon angegrünt, aber noch zu kohlelastig

Vor dem G20-Gipfel in China drängen Umweltaktivisten die führenden Industrie- und Schwellenländer zu mehr Anstrengungen beim Klimaschutz. Würden so viele Kohlekraftwerke gebaut wie geplant, liefe das auf eine Verdoppelung der klimaschädlichen Kohlenutzung hinaus, warnen sie. Allerdings gibt es auch eine gute Nachricht.

Von Jule Reimer | 01.09.2016
    Weißer Dampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerk der Vattenfall GmbH in Boxberg (Sachsen) auf, aufgenommen am 14.03.2016. Foto: Arno Burgi
    Die G20-Staaten sind nach Angaben von Umweltaktivisten für rund drei Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. (dpa / Arno Burgi)
    "Die gute Nachricht ist, dass die CO2-Emissionen in den G20-Staaten innerhalb der letzten zwei Jahre nicht mehr wachsen, aber insgesamt sind die natürlich immer noch auf einem viel zu hohen Niveau", mahnte am Donnerstag in Peking Jan Burck, Klimaexperte bei der deutschen Nichtregierungsorganisation Germanwatch. Die deutsche Klimaschutz-Lobbyorganisation ist Teil einer internationalen Allianz namens Climate Transparency, einem Zusammenschluss von diversen NGOs mit renommierten Klimaforschungsinstituten. Der Name ist bewusst in Anlehnung an die bekannte Antikorruptionsallianz Transparency International gewählt.
    Climate Transparency will mit einer neuen Studie offenlegen, wer von den G20-Staaten besonders viel für den Klimaschutz tut und wer hinterher hinkt. Gute Noten erhält vor allem China, obwohl aufgrund der rasanten Entwicklung der CO2-Ausstoß eines Chinesen rein rechnerisch betrachtet mittlerweile fast an den eines Deutschen heranreicht. Aber, so zählt Jan Burck auf:
    "Es gibt Regionen in China, die komplett auf Erneuerbare Energien umgestellt werden sollen. Es gibt gerade in den großen Städten relativ radikale Luftreinhaltungsgesetze, die ineffiziente Kohle(-kraftwerke) aus dem Markt herausnimmt. Und trotz stark wachsender Energienachfrage ist der Kohleverbrauch in China in den letzten Jahren ziemlich stark zurückgegangen. Das heißt, die Umsetzung auf Erneuerbare Energien funktioniert langsam."
    Die G20 stehen für 75 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen
    Große Zuwächse beim absoluten CO2-Ausstoß verzeichnen auch Kanada, Australien, Indien, Saudi-Arabien und Indonesien. Doch in den ärmeren Staaten relativiert sich dies pro Kopf, weil die Bevölkerung gleichzeitig wuchs.
    Heute stehen die G20-Staaten für 75 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Dennoch sind überall noch viele Kohlekraftwerke in der Planung. Sollten die tatsächlich gebaut werden, so warnt Climate Transparency, würde sich der Kohleverbrauch der G20 verdoppeln. Das Klimaabkommen von Paris und sein Ziel, den Temperaturanstieg deutlich unter zwei Grad zu halten, würde wortwörtlich in Rauch aufgehen. Andererseits lasse Chinas G20-Präsidentschaft und sein Engagement hoffen. Jan Burck von Germanwatch:
    "Praktisch wäre es natürlich großartig, wenn die USA und China im Rahmen des G20-Gipfels das jetzt nutzen, um das Paris-Abkommen zu ratifizieren. Brasilien hat das jetzt gemacht, das ist großartig, ein tolles Signal!"
    So hätte Obama noch schnell vor der US-Wahl den widerspenstigen Kongress umgangen. Klare weltweit gültige Wegweiser für den Klimaschutz: Das wollen auch viele Investoren. Milliardenschwere Pensionsfonds und große Versicherungskonzerne appellierten in den letzten Tagen in diesem Sinn an die G20. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie würde dies begrüßen. BDI-Außenhandelsexpertin Stormy-Annika Mildner:
    "Wir werden uns auf jeden Fall dafür einsetzen, dass das Klimaabkommen gleichmäßig in allen Ländern umgesetzt wird, die sich dafür ausgesprochen und es unterzeichnet haben. Und Wettbewerbsfähigkeit wollen wir ja nach wie vor für unsere Unternehmen auch sichern."
    Der Klimaschutzplan wandert von einem Ministerium zu anderen
    Das Unternehmerengagement habe noch andere Gründe, meint Jan Burck: "Das große Risiko für die Wirtschaft ist, dass irgendwann so wie das ja auch jetzt teilweise in China passiert ist, radikale Verbote ausgesprochen werden."
    Nach der Ratifizierung des Paris-Abkommens beginnt allerdings die mühsame Umsetzung in nationale Gesetze und Anreize. Der Klimaschutzplan, mit dem Deutschland bis zum Jahr 2050 mindestens 85 Prozent seiner Treibhausgasemissionen einsparen will, durchläuft innerhalb der Bundesregierung gerade die sogenannte Ressortabstimmung – aber nicht so wie es die Klimaexperten gerne hätten. Jan Burk: "Wir verfolgen derzeit so ein bisschen den Weg vom Bundesumweltministerium zum Bundeswirtschaftsministerium bis ins Bundeslandwirtschaftsministerium. Jetzt ist der Plan gerade im Kanzleramt. Und er wird Schritt für Schritt abgeschwächt, verwässert und wir befürchten, dass am Ende gar nichts mehr Ordentliches drin steht."
    Bei der Studienvorstellung in Peking rechneten Klimaforscher zudem vor, wie stark Regierungen der G20-Staaten immer noch den Verbrauch von Erdöl, Kohle und Gas subventionierten: mit 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Ihre Forderung: Fossile Subventionen abschaffen, damit die Erneuerbaren Energien endlich ihre Stärke zeigen könnten.