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"Die Koalition arbeitet vertrauensvoll zusammen"

Dass die FDP gegen den Willen der Kanzlerin Joachim Gauck als Präsidentschaftskandidaten vorschlug, ist für den designierten Generalsekretär der Liberalen, Patrick Döring, kein Hindernis für das weitere Regieren. Im Gegenteil: Auch künftig werde die FDP als eigenständige Partei ihre Positionen klar vortragen.

Das Gespräch führte Dirk-Oliver Heckmann | 19.03.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Eigentlich hatten sich Union und FDP einvernehmlich auf einen Nachfolger für Christian Wulff als Bundespräsident einigen wollen, aber das, was nach dessen Rücktritt im Kanzleramt stattfand, hatte mit Einvernehmlichkeit nicht viel zu tun – im Gegenteil. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel noch versuchte, ihre Kandidaten durchzubringen, musste sie dem Vernehmen nach über die Nachrichtenagenturen erfahren, dass sich die Liberalen dazu entschlossen hatten, den rot-grünen Kandidaten Joachim Gauck zu unterstützen. FDP-Chef Philipp Rösler hat ihr damit eine Niederlage beigebracht, die sie so schnell nicht vergessen dürfte. – Am Telefon dazu Patrick Döring, designierter FDP-Generalsekretär. Guten Morgen!

    Patrick Döring: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Döring, wie fühlt man sich so als Präsidentenmacher?

    Döring: Joachim Gauck ist ja der Präsident von vielen, das Ergebnis zeigt das und deshalb freuen wir uns, dass die Wahlfrauen und Wahlmänner der Partei der Freiheit einen Präsidenten der Freiheit gewählt haben, und darum ging es, eine überparteiliche Kandidatur zu ermöglichen, die dem Amt Würde und Respekt zurückgibt.

    Heckmann: Ihr Parteichef, Philipp Rösler, hat ja in aller Öffentlichkeit doch, muss man sagen, seinen Erfolg ausgekostet und sich über Angela Merkel regelrecht lustig gemacht in einer Talkshow, sodass der Unionspolitiker Wolfgang Bosbach schon sagte, man sieht sich im Leben immer zweimal. Wie glücklich waren Röslers Auftritte aus Ihrer Sicht?

    Döring: Der Kollege Bosbach hat entgegen seinem Naturell schamlos untertrieben. Man sieht sich in der Koalition viel mehr als zwei Mal. Wir haben ja an dem Wochenende nach der Kandidatenfindung bereits im Koalitionsausschuss zahlreiche Ergebnisse vorgelegt als Koalition. Also die Koalition arbeitet vertrauensvoll zusammen und wir wollen die gesamte Legislaturperiode im Geiste unseres Koalitionsvertrages gestalten. Die Präsidentenfrage ist geklärt und jetzt wenden wir uns wieder den politischen wichtigen Fragen zu.

    Heckmann: Aber meine Frage zielte ja auf die Auftritte von Herrn Rösler in dieser besagten Talkshow. War das denn so geschickt, sich so zu verhalten und die Stimmung, das Klima in der Koalition so zu gefährden?

    Döring: Also nicht alles trifft immer den Geschmack aller. Aber Philipp Rösler und die Frau Bundeskanzlerin verbindet ein sehr konstruktives, sehr vertrauensvolles Verhältnis und dabei ist es geblieben.

    Heckmann: Dabei ist es geblieben. Der FDP hat der Coup allerdings bisher nicht viel genutzt. Bei den meisten Umfrageinstituten steht die FDP weiterhin bei drei Prozent.

    Döring: Also, nun haben wir gestern wenigstens eine kleine Bewegung gesehen, indem wir eine vier Prozent in der "Bild am Sonntag" gesehen haben bei Emnid. Darum ging es aber auch überhaupt nicht. Ich glaube, es wäre falsch, die Frage der Kür des Bundespräsidenten mit kurzfristigen parteitaktischen Überlegungen zu verbinden. Hier ging es jetzt erst mal, das höchste Staatsamt wieder mit einer Persönlichkeit zu besetzen, was auch Vertrauen in die Demokratie zurückbringen kann. Das ist jetzt gelungen und jetzt arbeiten wir weiter und die Wählerinnen und Wähler entscheiden dann sicher nach einem ganzen Kriterienbündel, wer in den Parlamenten und wer in den Regierungen dieses Land gestalten soll.

    Heckmann: Wenn die FDP, Herr Döring, nicht in der Situation wäre, wie sie jetzt ist laut Umfragewerte, hätte sie vielleicht nicht so konsequent sich dann für Herrn Gauck ausgesprochen, wäre möglicherweise nicht so aggressiv da herangegangen. Müssen wir uns jetzt darauf einstellen, dass das in anderen Themenfeldern ebenso passiert?

    Döring: Eine Partei wird ja gewählt für Haltung und Überzeugung, und deshalb ist es gut, wenn man seine Haltung und seine Überzeugung wahrnehmbar vorträgt und auch durchsetzt. Das ist uns in dieser Frage gelungen, wie in anderen inhaltlichen Fragen auch, und deshalb sind wir im Geiste des Koalitionsvertrages drei unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Haltungen und Schwerpunkten und in diesem Sinne werden wir weiter regieren. Das ist so. So wie die Unionsparteien für sich in Anspruch nehmen, ihre Positionen klar vorzutragen, wird das auch die Freie Demokratische Partei als eigenständige Partei tun.

    Heckmann: Das heißt, Sie werden da nicht weiter aufs Gas drücken oder so?

    Döring: Das hat nichts damit zu tun, wie die Umfragewerte sind.

    Heckmann: Das heißt, Sie werden nicht weiter aufs Gas drücken?

    Döring: Nein. Es gibt ja viele politische Probleme, die wir ganz einvernehmlich und gemeinsam lösen, wenn ich nur an die Frage der Stabilisierung unserer Währung denke, wo diese Koalition sich ja in schwierigsten Entscheidungen sehr einvernehmlich getroffen hat. Und es gibt innenpolitische Diskussionen, wo man andere Akzente setzt als Liberale als als Unionsparteien. Das ist alles ganz natürlich und normal und gehört zum demokratischen Geschäft dazu. Am Ende entscheidet allerdings, dass das Land gut regiert ist, und dafür ringen wir um den besten Weg. So soll es sein in der Demokratie.

    Heckmann: Die FDP, Philipp Rösler, Sie selbst auch brauchen dringend einen Wahlerfolg in Nordrhein-Westfalen, das heißt, ein Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde. Ironischerweise sind Sie ja dabei auf Christian Lindner angewiesen, der im Dezember die Brocken hingeworfen hat. Ist Philipp Rösler also ein Vorsitzender von Lindners Gnaden?

    Döring: Wir haben ja mit den Wahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen jetzt mindestens zwei Überraschungen in diesem Jahr, denn weder Saarland noch Nordrhein-Westfalen waren geplant, und ich finde es toll, dass die Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen so schnell nach dieser sehr konsequenten und mutigen Entscheidung, den Minderheitshaushalt von Rot-Grün nicht mitzutragen, einen überzeugenden Kandidaten vorgestellt haben. Christian Lindner ist zweifellos jemand, der das Land Nordrhein-Westfalen gut kennt, er hat neun Jahre im Landtag gearbeitet, er war viele Jahre Generalsekretär im Land, wird einen tollen Wahlkampf organisieren und wir werden alle gemeinsam diese Wahl zum Erfolg führen. Darum geht es nämlich, die Freie Demokratische Partei als Ganzes in eine gute Ausgangslage zu bringen.

    Heckmann: Aber Ihre Zuneigung zu Herrn Lindner hat sich ja durchaus in Grenzen gehalten. Sie haben ihm ja unterstellt, immerhin gegen Rösler geputscht haben zu wollen.

    Döring: Ach, da ist auch viel Merkwürdiges geschrieben worden im Laufe der Zeit.

    Heckmann: Es war ein Interview mit dem "Stern". Da haben Sie gesagt, ...

    Döring: Ein unautorisiertes, worauf ich großen Wert lege.

    Heckmann: Das heißt, Sie haben das so nicht gesagt, er habe geglaubt, dass die Lage so instabil sei, dass Rösler zurücktreten muss und dass die Partei ihn, den großen Intellektuellen, dann ruft?

    Döring: Es ist mehrfach deutlich gemacht worden, dass dieser Satz so nie gefallen ist, aber darum geht es auch gar nicht. Christian Lindner hat in einem Vieraugengespräch mit Philipp Rösler die Lage geklärt; er ist der designierte Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen, er wird mit einer guten Mannschaft die konsequente Haltung der FDP in Nordrhein-Westfalen, gegen einen Schuldenhaushalt von Rot-Grün zu stimmen, verteidigen und dafür werben, dass es eine Partei gibt, die nicht einen Staat auf Pump finanzieren will, weder in Nordrhein-Westfalen, noch im Bund, und das ist jetzt die gemeinsame Aufgabe, die wir auch gemeinsam stemmen werden.

    Heckmann: Christian Lindner hat jetzt gesagt, es gehe in Nordrhein-Westfalen um die Frage, wird es in Deutschland weiter eine liberale Partei geben. Sehen Sie die Lage auch so kritisch?

    Döring: Es ist sicher bemerkenswert, dass zum Beispiel im Saarland wir im Prinzip überwiegend sozialdemokratische Parteien vorfinden, die Unionspartei dort fast sich nicht mehr unterscheidet von der SPD, die Linkspartei ebenfalls sehr staatsorientierte Vorstellungen hat, und ich glaube, die deutsche Demokratie ist gut gefahren mit einer wahrnehmbaren starken freiheitlichen Kraft in den Parlamenten, und darum geht es eben auch. Und gerade in Nordrhein-Westfalen ist ja auch der Unterschied deutlich geworden. Die Freunde der FDP haben trotz kritischer Lage, trotz, sagen wir mal, schwierigem Umfeld ihrer Überzeugung Ausdruck gegeben und gesagt, wir werden diesem Haushalt nicht zustimmen können, weil Rot-Grün in einer Minderheitsregierung nicht bereit ist, trotz bester Steuereinnahmen ein Stück weit den Staatshaushalt zu konsolidieren, und das macht den Unterschied und ich bin ganz sicher, dass Wählerinnen und Wähler das auch belohnen.

    Heckmann: Der Spitzenkandidat der CDU, Herr Döring, Umweltminister Norbert Röttgen, der hat sich offenbar festgelegt. Er will nicht als Oppositionsführer nach Düsseldorf gehen. Das jedenfalls berichtet die "Bild"-Zeitung. Wäre das eine Entscheidung, die der FDP an Rhein und Ruhr nutzen würde?

    Döring: Zunächst geht es auch hier nicht um kurzfristigen parteipolitischen Bodengewinn, sondern um die Frage, ob unser Föderalismus und unsere Demokratie wirklich funktionieren können, wenn der Eindruck entsteht, dass politische Spitzenämter – und das ist auch die Frage, wer Ministerpräsident des größten Bundeslandes wird – sozusagen Verfügungsmasse sind. Ich bin entschieden dafür, dass sich Kandidatinnen und Kandidaten für die Ebene entscheiden, auf der sie kandidieren. Christian Lindner hat das getan und er wird mit seinen Kolleginnen und Kollegen, mit allen, die in Nordrhein-Westfalen in den Wahlkampf ziehen, deutlich machen, dass es ums Land geht, und zwar um das größte Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland, und das ist gut so.

    Heckmann: Das heißt, an einer solchen Entscheidung von Norbert Röttgen hätten Sie nichts zu kritisieren?

    Döring: Norbert Röttgen hat seine Entscheidung getroffen. Ich bin überrascht, dass das bereits jetzt festgelegt wird. Ich dachte immer, dass man vielleicht auch den Wahlausgang abwartet, bevor man persönliche Zukunftsfragen klärt. Aber entscheidend ist ja wohl, dass die Nordrhein-Westfälinnen und Nordrhein-Westfalen entscheiden müssen, ob sie jemanden unterstützen wollen, der mit ganzem Herzen für das Land arbeitet, und zwar egal ob in Regierung oder in Opposition. Das ist bei unserem Kandidaten jedenfalls der Fall. Dass das bei dem Unions-Kandidaten wahrscheinlich nicht der Fall ist, wird der Wähler selbst bewerten.

    Heckmann: Der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring war das hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Interview.

    Döring: Sehr gerne, vielen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.