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Die Kraft des Verbots

Die Länderchefs haben empfohlen, ein Verbot der NPD zu beantragen. Zweifler gibt es aber weiterhin. Auch in Sachsen. Wenn die Sitze der rechtsextremen Partei leer blieben, verschöbe sich die Macht im Parlament. Für die NPD selbst wäre ein Verbot ein herber finanzieller Schlag, die ihre Aktionen durch Fraktionsgelder mitfinanziert.

Von Hanno Grieß | 06.12.2012
    Als vor einigen Wochen die NPD zu einer sogenannten "Sachsentour gegen Asylmissbrauch" aufbrach, da bot sich zum Auftakt in Chemnitz ein geradezu surreales Bild. Die Partei hatte einen LKW angemietet, um in elf sächsischen Städten kurze Gastspiele zu geben, mit Reden von der aufgeklappten Ladefläche herab, und immer vor Asylbewerberheimen, Moscheen oder islamischen Gemeindezentren:

    Vor Ort: Die sächsischen NPD-Abgeordneten samt ihrer Büro-Angestellten. Zusammen etwa 25 Personen. Und nach 20 Minuten war der Spuk schon wieder vorbei. Ganz anders 200 Meter weiter.

    Die Zahl der Gegendemonstranten überstieg die der NPD-Teilnehmer um ein Mehrfaches. Und doch können die Parolen der NPD verfangen – wie eine Anwohnerin des Asylbewerberheims im direkten Gespräch zeigt:

    "Also das ist ja der blanke Hohn, wie die sich hier austun, wie die lamentieren, und da würde ich sagen, die mögen zurück gehen in ihr Land, da sind sie gut aufgehoben, da können sie gut leben. Denn uns liegen sie hier nur zur Last."

    Die Gesinnung gibt es. Doch ob die NPD auch bei der nächsten Landtagswahl erfolgreich sein kann, erscheint selbst in Sachsen zweifelhaft, mehrere Meinungsforschungsinstitute taxieren ihren Stimmenanteil gegenwärtig auf zwei bis drei Prozent. Allerdings wird erst 2014 in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Eine andere Frage ist, was ganz praktisch geschieht, falls die Partei verboten werden sollte. Was passiert dann mit ihren Abgeordneten – die ja wie zur Zeit in Sachsen und in Mecklenburg – demokratisch gewählt wurden? Über sein Schicksal und das seiner Kollegen ist sich der Görlitzer NPD-Abgeordnete Andreas Storr völlig im Klaren:

    "Ja das ist ja rechtlich auch genau festgelegt. Es wäre so, wenn es zu einem Verbot käme, dann würden quasi unsere Plätze leer bleiben, und die Mandate würden sozusagen verfallen, ohne dass meinetwegen aus den anderen Fraktionen irgendwelche Leute aufrücken. Also der sächsische Landtag hätte dann acht Abgeordnete weniger."

    Von der Sache her sei Storrs Beschreibung durchaus die korrekte Sichtweise, assistiert Professor Werner Patzelt, Politikwissenschaftler an der Technischen Universität Dresden:

    "Abgeordnete einer verbotenen Partei verlieren ihr Mandat. Sie können nicht aus eigenem Recht drinnen sitzen, weil sie gewählt wurden als Abgeordnete einer politischen Partei, und wenn diese verboten ist, ist auch ihre Tätigkeit untersagt."

    Wenn aber die Sitze der NPD leer bleiben, dann verschiebt sich auch die Macht im Parlament. Das Verhältnis der Fraktionen zueinander ändert sich. Man könnte also auf die Idee kommen, bei Ausschluss einer ganzen Fraktion müsste es zu Neuwahlen kommen. Dem widerspricht Politikwissenschaftler Patzelt:

    "Es stimmt dann nicht mehr die Verhältnismäßigkeit der Zuordnung der Mandate gemäß dem Wahlergebnis. Aber hier ist eine Rechtsgüterabwägung vorzunehmen. Und wenn es wichtiger ist, eine verfassungswidrige Partei aus dem Verkehr zu ziehen, dann ist für den Rest einer Wahlperiode diese normalerweise nicht sonderlich starke Verzerrung hinzunehmen."

    Noch sind das allerdings eher Gedankenspiele, wichtiger in der aktuellen politischen Debatte ist, dass die NPD durch ein Verbot ein herber finanzieller Schlag träfe. Denn viele öffentlichkeitswirksame Aktionen werden durch Fraktionsgelder mitfinanziert. Zum Beispiel die schon genannte Sachsentour, die einem NPD-Fraktionsausflug ähnelte. Auch die 13 kostenlosen NPD-Regionalzeitungen in Sachsen mit einer Auflage von 350.000 Exemplaren sollen durch Fraktionsgelder mitfinanziert worden sein. Wie zentral die staatlichen Gelder für die Fraktion und die Abgeordneten-Diäten für die NPD-Logistik geworden sind, schildert detailliert Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen:

    "Ganz besonders konnte man das auch in diesem Jahr beim 13. Februar beobachten, dass der Fackelmarsch der sogenannten Freien Kräfte nur deswegen funktioniert hat, weil die NPD große logistische Unterstützung gegeben hat. Es war Maik Scheffler als Landes-Organisationsleiter vor Ort, mit LKW, mit Bannern, mit Schildern, mit Fackeln. Tatsächlich würde es ihnen schwerer fallen, bestimmte Leistungen logistisch so einfach zu erbringen."

    Trotzdem gibt es weiter entschiedene Skeptiker auch im Sächsischen Landtag. Zum Beispiel Eva Jähnigen von den Grünen. Die Aussicht, dass die acht NPD-Plätze in Zukunft frei bleiben könnten, löst bei ihr wider Erwarten keine Begeisterung aus:

    "Natürlich würde ich mich freuen, und die Wähler haben ja in anderthalb Jahren zur Landtagswahl in Sachsen wieder die Chance, sie raus zu wählen. Die Frage ist: Haben wir unter den jetzigen Voraussetzungen mit einem Verbotsverfahren eine ernsthafte Chance, oder organisieren wir der NPD ein Erfolgserlebnis? Und ich glaube, wir organisieren der NPD ein Erfolgserlebnis, und das will ich nicht."

    Ausgerechnet bei der NPD sieht man das zumindest nach außen ganz ähnlich. Demonstrativ gelassen sagt Andreas Storr:

    "Insofern seh ich das mit nem Verbotsverfahren relativ locker. Ich bin 26 Jahre Mitglied der NPD, und ich kenn die Partei besser als viele Journalisten, und da kann man auch mal was richtig stellen, insofern sehen wir das Verfahren auch als politische Chance."

    Es wird zum Verfahren kommen, denn für einen Verbotsantrag reicht es aus, wenn die Länder dies wollen. Der Bund muss nicht zustimmen. Und die Länder, soviel ist seit heute klar, nehmen das Risiko eines erneuten Scheiterns in Kauf.