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Archiv


Die langen Schatten der Geschichte

Der 2. Oktober 1968. Auf dem Tlatelolco-Platz in Mexiko-City versammeln sich am Abend rund achttausend Studenten zu einer Demonstration gegen die Regierung von Präsident Gustavo Díaz Ordáz. Sie werden von Tausenden von Polizisten, Soldaten und Paramilitärs eingekesselt. Wenige Wochen zuvor ist die UNAM, die Nationale Autonome Universität von der Armee besetzt worden.

Victoria Eglau | 28.09.2002
    Wie in vielen Teilen der Welt sind auch in Mexiko die Hochschulen in jenen Jahren Orte der Auflehnung gegen verkrustete politische Strukturen. In Mexiko regiert seit 1929 ununterbrochen die Staatspartei PRI. Politischen Pluralismus, ein demokratisches System und freie Wahlen kennt das Land nicht. Der ehemalige Studenten-Führer Salvador Martinez della Rocca erinnert sich:

    Wir forderten Demonstrationsfreiheit, Meinungsfreiheit, und die Freiheit, Vereinigungen zu bilden. Dass man ein verfassungsmäßiges Recht darauf hatte. All dies nannten wir die demokratischen Freiheiten. Wir kämpften also für die demokratischen Freiheiten, und nicht dafür, einen proletarischen, einen sozialistischen Staat in Mexiko zu errichten, wie man uns das unterstellt hat, nein! Das einzige, worum wir baten, waren minimale demokratische Freiheiten – und dafür haben sie uns massakriert.

    Die Regierung reagiert zunehmend repressiv auf die Studentenproteste. Kurz vor den Olympischen Spielen, den ersten in Lateinamerika, fürchtet sie um die Stabilität im Lande, und um das Ansehen Mexikos im Ausland. Am Abend des 2. Oktober 68, zehn Tage vor der Eröffnungsfeier, fallen auf dem Tlatelolco-Platz plötzlich Schüsse - die friedliche Kundgebung verwandelt sich in ein Blutbad. Nach heutigen Erkenntnissen ist es eine militärische Sondereinheit, die im Auftrag von Präsident Díaz Ordaz das Feuer auf die Menge eröffnet. Die genaue Zahl der Toten, von den Zeitungen am nächsten Tag mit unter dreißig angegeben, ist bis heute nicht bekannt – seriöse Schätzungen gehen von mehreren hundert aus.

    10. Juni 1971, Fronleichnam. In der mexikanischen Hauptstadt gehen die Studenten wieder auf die Straße. Als Präsident des Landes amtiert inzwischen Luís Echeverría, der zum Zeitpunkt des Massakers im Oktober 68 Innenminister war. Als Tausende von Demonstranten am späten Nachmittag in Richtung Pädagogischer Hochschule ziehen, werden sie von Mitgliedern der paramilitärischen Gruppe "Halcones", zu deutsch "Falken", mit Knüppeln und Feuerwaffen angegriffen. Die Paramilitärs agieren unter dem Schutz von Polizei und Armee, die an zentralen Punkten der Stadt postiert sind. Einige Studenten sind bewaffnet und schießen zurück. Die Bilanz dieses Tages: mindestens 35 Tote und zahlreiche Verletzte.

    In der mexikanischen Protestbewegung tritt nach den Ereignissen auf dem Tlatelolco-Platz 1968 und am Fronleichnamstag 1971 eine Radikalisierung ein. Viele der jungen Regime-Gegner haben den Glauben an einen Dialog verloren. In den 70er-Jahren werden eine Reihe bewaffneter Gruppen gegründet, die bereit sind, ihre Forderungen mit Gewalt durchzusetzen - darunter die "Kommunistische Liga 23. September" und die "Bewaffneten Revolutionären Kräfte des Volkes". Die Antwort des Staates auf die Aktionen der Guerrilleros ist unbarmherzig – es beginnt eine "guerra sucia", ein "schmutziger Krieg". Mehr als fünfhundert Mexikaner verschwinden zwischen 1970 und 1982 spurlos – ihr Schicksal ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Nationale Menschenrechts-Kommission veröffentlichte Ende vergangenen Jahres erstmals einen offiziellen Bericht über die Verschwundenen, die "desaparecidos":

    Es ist uns gelungen, zu dokumentieren, dass von 532 Personen etwa die Hälfte vor ihrem Verschwinden staatlichen Institutionen in die Hände gefallen war - so der Vorsitzende der Kommission, José Luís Soberanes. Auch bei der anderen Hälfte der Verschwundenen gebe es zum Teil Hinweise darauf, dass Behörden ihre Hände im Spiel gehabt hätten.

    1. Dezember 2000. Im mexikanischen Parlament legt Vicente Fox den Amtseid ab. Er ist seit 71 Jahren der erste Präsident, der nicht der Staatspartei PRI, der "Institutionalisierten Revolutionspartei" angehört. Fox ist ein Konservativer, seine Partei heißt PAN, die "Partei der Nationalen Aktion". Viele Hoffnungen knüpfen sich an seinen Amtsantritt, der nicht nur ein Regierungswechsel ist, sondern das Ende einer Epoche bedeutet. Woran die Regierungen der PRI kein Interesse hatten, das will der neue Präsident in Angriff nehmen: die Verbrechen der Vergangenheit aufklären – die blutig niedergeschlagenen Studentenproteste und das Verschwinden von Menschen -, und gleichzeitig dafür eintreten, dass Menschenrechtsverletzungen im Mexiko der Gegenwart nicht mehr vorkommen.

    Als radikaler Aufklärer erweist sich Präsident Fox in seinem ersten Regierungsjahr nicht. Menschenrechts-Organisationen, Intellektuelle und Betroffene der früheren staatlichen Repression sind enttäuscht. Der mexikanische Politikwissenschaftler Sergio Aguayo:

    Die Regierung von Vicente Fox war in ihrem ersten Amtsjahr 2001 beim Thema Vergangenheitsaufarbeitung sehr zögerlich. Sie zog eine Politik der Besänftigung gegenüber den früheren Machthabern einer wirklichen Verpflichtung vor, die Vergangenheit zu erhellen. Nach dem Tod der Menschenrechtlerin Digna Ochoa sah sie sich dann gezwungen, ihren Kurs zu korrigieren und Maßnahmen zu ergreifen. Auch wegen einiger Enthüllungen über die Tragödie der Verschwundenen, an denen ich selbst beteiligt war. Aber insgesamt waren bei Präsident Fox weder Entschlossenheit noch Energie zu erkennen, die Geschehnisse der Vergangenheit aufzuklären.

    19. Oktober 2001. Die Menschenrechts-Anwältin Digna Ochoa wird erschossen in ihrem Büro in Mexiko-City aufgefunden. Bis heute haben die Ermittlungsbehörden die Umstände ihres Todes nicht geklärt. Digna Ochoa hatte für ein Menschenrechts-Zentrum gearbeitet, sie verteidigte unter anderem Indio-Aktivisten und radikale Umweltschützer. In der Vergangenheit war die 37jährige mehrfach bedroht, entführt und körperlich angegriffen worden. "Der Mord an Ochoa wirft uns um Jahre zurück", schreibt der Soziologe Roberto Blancarte in der Zeitung "Milenio". Für Fox ist der Tod der jungen Anwältin ein herber Rückschlag – macht er doch schlagartig deutlich, dass es mit der Menschenrechts-Situation auch im von ihm beschworenen "neuen Mexiko" nicht zum besten steht.

    In den folgenden Monaten unternimmt die mexikanische Regierung entschlossenere Schritte in Richtung Vergangenheitsaufarbeitung. Im November 2001, unmittelbar nach der Veröffentlichung des Berichts über die Verschwundenen durch die Nationale Menschenrechts-Kommission, kündigt sie die Einsetzung einer Sonderermittlungs-Behörde an. Anfang Januar nimmt Sonderermittler Ignacio Carrillo Prieto seine Arbeit auf, er soll Licht in das Dunkel der Geschehnisse in den sechziger und siebziger Jahren bringen. Dabei sollen ihm unter anderem bisher geheimgehaltene Archive helfen, deren Öffnung die Regierung in Aussicht gestellt hat. Im März dieses Jahres erklärt Präsident Fox vor der ausländischen Presse:

    Ich glaube, wir haben der Welt und den Bürgern Mexikos Beweise dafür geliefert, dass wir dem Thema Menschenrechte umfassend verpflichtet sind. Wir haben Fortschritte gemacht, die vor 18 Monaten niemand für möglich gehalten hätte. Wir öffnen die Archive, wir haben eine Sonderermittlungsbehörde geschaffen, die die Verbrechen der 70er- und 80er-Jahre untersuchen soll, also die Fälle der Verschwundenen. Wir haben jene Gefangenen freigelassen, die sich für Menschenrechte eingesetzt hatten. Wir haben dem Parlament 13 Menschenrechtsabkommen vorgelegt, die Mexiko mit internationalen Organisationen geschlossen hat, und sie wurden bereits ratifiziert. Wir kümmern uns also gründlich um das Thema, und nicht nur um die Fälle der Vergangenheit, sondern wir wollen sicher sein, dass in Mexiko Menschenrechte nie mehr von der Regierung verletzt werden.

    18. Juni 2002. Während einer feierlichen Zeremonie im mexikanischen Nationalarchiv öffnet Präsident Fox offiziell die Archive von mehreren Geheimdiensten, Armee und Behörden, die jahrzehntelang unter Verschluss gehalten worden waren. 60-tausend Akten, 80 Millionen Karteikarten sind seitdem der Öffentlichkeit zugänglich. Für den Wissenschaftler Sergio Aguayo, der sich in verschiedenen Publikationen mit dem Tlatelolco-Massaker von 1968 und dem "schmutzigen Krieg" der 70er Jahre beschäftigt hat, sind die Archive von fundamentaler Bedeutung:

    Sie entsprechen den Stasi-Archiven der Deutschen Demokratischen Republik, ihre Öffnung erlaubt der Gesellschaft, den Wissenschaftlern und Medien eine gründlichere Suche nach den Informationen der Geheimdienste. Dadurch wird es möglich sein, viel besser zu verstehen, was geschehen ist. Wer die Akteure waren, und wie die Befehlskette aussah. Das heißt, welche Verantwortung für die Ereignisse der Präsident trug, der Verteidigungs- oder Innenminister. Natürlich enthalten die Archive nicht die ganze Wahrheit. Sie enthalten Information im Rohzustand, die die Erhellung von Zusammenhängen und Verantwortlichkeiten erlaubt, eine fundamentale Voraussetzung für die Geschichtsschreibung.

    Sergio Aguayo sieht die Hauptbedeutung der Archive darin, dass sie Aufschluss über den Verbleib der "desaparecidos", der Verschwundenen geben könnten. Dagegen erwartet der renommierte Politologe nur wenige neue Fakten zum Hergang der Ereignisse auf dem Tlatelolco-Platz, denn dieser sei durch die Forschungen der vergangenen Jahre weitgehend bekannt:

    Es war eine Unterdrückungs-Operation, vom damaligen Präsidenten angeordnet, bei der der Armee eine Falle gestellt wurde. In diese Richtung gehen die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre. Und daher weiß ich nicht, welche neuen Erkenntnisse beim Thema der Verantwortlichkeiten noch gewonnen werden sollten. Worüber wir aber noch mehr wissen müssen, ist die Zahl und die Identität der Toten.

    Die Erwartungen an die Öffnung der Archive sind unterschiedlich. Manche Betroffene machen keinen Hehl daraus, dass sie überhaupt keine Erwartungen haben – so etwa Rosario Ibarra, die mit ihrer Organisation Eureka seit 25 Jahren für die Aufklärung des Schicksals der Verschwundenen kämpft:

    Ich glaube, dass sie voller Staub und Pilze sind, und es interessiert mich überhaupt nicht, sie anzuschauen. Ich will kein altes Papier sehen, wir wollen die Verschwundenen sehen, wir wollen wissen, wo sie sind. Diese Archive kommen uns wie eine gigantische Lüge vor, mit der das mexikanische Volk betrogen werden soll, und mit der unsere Bewegung zum Schweigen gebracht werden soll. Uns, den Müttern der Verschwundenen, haben sie angeboten, die Archive zu sehen, und wir sind nicht hingegangen. Wir wollen keine Papiere sehen, wir wollen unsere Kinder. Das ist unsere Antwort an die Regierung Fox.

    Viele Mexikaner fragen sich, ob die von Präsident Fox eingeleiteten Schritte zur Aufarbeitung der Vergangenheit dazu führen werden, dass die Verantwortlichen eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden. Bei der Öffnung der Archive am 18. Juni versprach Fox, er werde die Urheber von staatlicher Gewalt und Menschenrechtsverletzungen nicht verschonen. Juan Manuel Valero, der sich als Student 1968 an den Protesten beteiligte und heute eine politische Radio-Sendung moderiert, will dem nach dem Regierungswechsel begonnenen Prozess eine Chance geben:

    Für uns führt dieser Prozess vor die Gerichte, zur Inhaftierung der Verantwortlichen dieser Massaker. Ex-Präsident Díaz Ordaz können wir nicht mehr ins Gefängnis stecken, denn er ist tot. Aber wir sind davon überzeugt, dass einer der geistigen Urheber des Massakers am 2. Oktober auf dem Tlatelolco-Platz der damalige Innenminister Luís Echeverría war. Seine Schuld wird außerdem dadurch bestätigt, dass er – inzwischen als Staatspräsident – auch der intellektuelle Vater der Morde am 10. Juni 71 war. UND dass er als einer der schrecklichsten Henker der Guerillero-Gruppen agierte, die eingesperrt wurden und schließlich verschwanden.

    2. Juli 2002, frühmorgens. Der ehemalige mexikanische Präsident Luís Echeverría erscheint vor dem Sonderermittler Ignacio Carrillo Prieto. Es ist das erste Mal in der Geschichte Mexikos, dass ein früherer Amtsinhaber von der Justiz vorgeladen wird, um sich zu Vorwürfen ungesetzlichen Verhaltens zu äußern. Ehemalige Mitglieder der Studentenbewegung haben mehrere Anzeigen gegen Echeverría erstattet – wegen seiner mutmaßlichen Verantwortung oder Mitverantwortung für die Ereignisse von 1968 und 71. Sie sehen in ihm unter anderem den Gründer der paramilitärischen Gruppe "Halcones", welche die Demonstration am Fronleichnamstag blutig auflöste. Eine Woche später, am 9. Juli, nach einer erneuten Vorladung, bittet Echeverría Journalisten zu einer Pressekonferenz. Er habe ein ruhiges Gewissen, erklärt der Ex-Präsident, er bereue nichts und lehne die Verantwortung für die Massaker ab. Vorgeladen wurde inzwischen auch der ehemalige Gouverneur von Mexiko-City, Alfonso Martínez Dominguez. Wie Echeverría lässt er einen ausführlichen Fragenkatalog des Sonderermittlers einfach unbeantwortet. Stattdessen beteuert er in einer schriftlichen Erklärung seine Unschuld an den Vorgängen des Fronleichnamstages 1971.

    Die jüngsten Entwicklungen werfen die Frage auf, ob es mit der Straflosigkeit in Mexiko tatsächlich bald ein Ende haben wird. Dafür wäre es höchste Zeit, meint der Politikwissenschaftler Sergio Aguayo:

    Die Straflosigkeit ist eines der schwerwiegendsten Probleme in Mexiko. In dem Maße wie wir die Straflosigkeit bekämpfen, können wir ein Land aufbauen, in dem Rechtsstaatlichkeit herrscht. Als Wissenschaftler war mein Ziel stets, auf bisher unbekannte Aspekte der mexikanischen Wirklichkeit aufmerksam zu machen und sie zu erhellen. Aber als Bürger wünsche ich mir auch, dass die Gerechtigkeit zum Zuge kommt.

    An diese Gerechtigkeit glauben viele Leidtragende der staatlichen Repression nicht. Sie haben kein Vertrauen in die mexikanische Justiz. Und sie sind der Überzeugung, dass die ehemalige Staatspartei PRI, die Behörden und die Armee letztendlich immer noch unantastbar sind.

    Die PRI, die Partei, die sieben Jahrzehnte lang über Mexiko herrschte – der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa nannte das nach außen demokratisch erscheinende Regime einmal die "perfekte Diktatur" -, besitzt nach wie vor großen Einfluß im Land. Sie stellt die Mehrheit im Parlament und regiert in vielen Bundesstaaten. PRI-Politiker werden nicht müde, die Vergangenheitsaufarbeitung verbal zu unterstützen, die sie freilich niemals selbst in Angriff nahmen. Solle der Sonderermittler doch seine Arbeit tun, betont der Senator der PRI, Manuel Bartlett, aber seine Partei als Ganzes könne selbstverständlich nicht zur Verantwortung gezogen werden:

    Die PRI ist eine Partei, der Millionen von Mexikanern angehören: Bauern, Arbeiter, Leute aus der Mittelklasse. Die PRI ist für nichts verantwortlich. Wenn es für irgendetwas Verantwortliche gibt, dann sind es Individuen, nicht die PRI als Ganzes. Man kann nicht eine ganze Partei tadeln – die Bauern aus dem Bundesstaat Morelos sind doch nicht verantwortlich für etwas, was eine Einzelperson in einem öffentlichen Amt getan hat. Man muss die Individuen vor Gericht stellen. Soll der Sonderermittler es doch tun. Die PRI hat ganz offensichtlich schon für ihre Fehler bezahlt. Sie hat die politische Quittung bei der letzten Wahl bekommen.

    Vergangenheitsaufarbeitung, ja gerne – ist also immer wieder von PRI-Vertretern zu hören, aber natürlich müsse ein vollständiges Bild hergestellt werden. Schließlich sei das als "schmutziger Krieg" bekannte Vorgehen staatlicher Institutionen gegen Regime-Gegner ja nur eine Reaktion auf deren ebenfalls gewalttätige Aktionen gewesen. Den ehemaligen Studentenführer Salvador Martinez della Rocca empört diese Argumentation:

    Ich zweifle gar nicht daran, dass einige Guerillero-Gruppen viele Grausamkeiten verübt haben, aber darum geht es nicht. Worum es geht, ist die Ungesetzlichkeit, mit welcher der Staat vorging, der doch eigentlich über die Einhaltung der Regeln wachen soll. Und er hat alle Regeln verletzt! Regeln, die er selber aufgestellt hat! Darum geht es. Und deswegen ist vom "schmutzigen Krieg" die Rede. Weil sie mit vielen jungen Leuten ein schmutziges Spiel gespielt haben. Sie haben sie gequält, getötet, gefoltert, verletzt – wozu sie gerade Lust hatten.

    Amnesty International wies im vergangenen Dezember in einem Bericht darauf hin, dass sich Verteidiger der Menschenrechte in Mexiko in Gefahr befinden, dass sie Einschüchterungsversuchen, Drohungen und Angriffen ausgesetzt sind. Folter ist bei Sicherheitskräften und Justizbehörden eine weit verbreitete Methode, das dokumentieren verschiedene NGOs und die Nationale Menschenrechts-Kommission. Auch zwei Jahre nach der Wahl von Vicente Fox werden Menschenrechte noch verletzt, und weiterhin verschwinden Menschen. Mehr als ein Dutzend "desaparecidos" hat die Vereinigung Eureka seit Fox‘ Amtsantritt gezählt. Der Politikwissenschaftler Sergio Aguayo hält ein entschiedeneres Eintreten der Regierung für beide Themen für notwendig, die sie sich auf die Fahnen geschrieben hat: Die Verteidigung der Menschenrechte im heutigen Mexiko, und die Auseinandersetzung mit der staatlichen Repression der Vergangenheit:

    Unsere Demokratie wird nicht reifen, unsere Gesellschaft wird nicht wachsen, wenn wir nicht dazu fähig sind, das Schwarze, das Schlangenei zu erkennen, das sich viele Jahrzehnte lang an den Rändern des sozialen Lebens in Mexiko eingenistet hatte, und das zur Auslöschung Tausender von Bürgern geführt hat. Wir müssen es erkennen und uns damit konfrontieren.