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Die Lösung der Römischen Frage

Mit weniger als 1000 Einwohnern ist die Vatikanstadt der kleinste Staat der Welt. Vom 8. bis ins 19. Jahrhundert herrschten die Päpste noch über weit größere Ländereien - italienische Truppen annektierten den damaligen Kirchenstaat aber im Jahr 1870. Erst mit Unterzeichnung der Lateranverträge vor 80 Jahren erhielt der Heilige Stuhl wieder sein eigenes Territorium.

Von Anna Gann | 11.02.2009
    "Italien erkennt an, dass der Heilige Stuhl die unumschränkte souveräne Gewalt und Jurisdiktion über den Vatikan besitzt, wie er gegenwärtig besteht, und schafft dadurch den Vatikanstaat."

    11. Februar 1929. Pietro Gasparri, der Staatssekretär Papst Pius XI., und der italienische Staatschef, Benito Mussolini, unterzeichnen die Lateranverträge, aus denen der gehörte Text stammt. Damit ist nach zweieinhalbjährigen Verhandlungen der 44 Hektar große Vatikanstaat gegründet, auch heute noch der kleinste souveräne Staat der Welt. Die vatikanische Nationalhymne, die Hymne des Heiligen Stuhls, preist Rom, die Stadt des Apostels Petrus, als dessen Nachfolger sich die Päpste aller Zeiten begriffen haben.

    "Glückliches Rom, edles Rom, du bist Sitz des Petrus, dem die Schlüssel des Himmelreiches übergeben wurden."

    Die Lateranverträge beendeten einen Jahrzehnte dauernden Konflikt zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl. Der Hintergrund: Italienische Truppen hatten 1870 Rom besetzt. Kurz darauf wurde der Kirchenstaat annektiert, also die Gebiete Mittelitaliens, in denen die Päpste seit dem 8. Jahrhundert die Landesherrschaft beansprucht und meist auch inne hatten. Papst Pius IX. exkommunizierte die Angreifer und verschanzte sich wütend im päpstlichen Palast.

    "Ich bin ein Gefangener im Vatikan!"

    Fast sechs Jahrzehnte, bis zum Abschluss der Lateranverträge, verharrten die Päpste im selbst gewählten Arrest. Zahlreiche Staaten unterhielten jedoch auch in dieser Zeit diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl und setzten damit faktisch seine Souveränität voraus. An ihrer zentralen Forderung hielten die Päpste dennoch fest: Als Basis der päpstlichen Unabhängigkeit und Freiheit sei ein eigenes Territorium unverzichtbar.

    Durch den neu gegründeten Vatikanstaat erhielt der Heilige Stuhl, wie Pius XI. es sagte, ein Gebiet, auf dem sich seine Souveränität niederlassen konnte. Die Lateranverträge legten außerdem Entschädigungszahlungen für die verlorengegangenen kirchlichen Besitztümer fest: insgesamt ca. 90 Millionen Dollar, sowie die dauerhafte Zahlung der Pfarrergehälter in ganz Italien. Und ein eigenes Konkordat Italiens mit dem Heiligen Stuhl bestimmte: Die katholische Konfession wird die privilegierte italienische Staatsreligion. Alcide de Gasperi, Christdemokrat und späterer Ministerpräsident, gab der Freude unter den Katholiken Italiens Ausdruck:

    "Aus welthistorischer Sicht ist es eine Befreiung der Kirche und ein Glück für die italienische Nation."

    Und der Staatschef Mussolini? Er konnte sich nicht nur rühmen, die heikle "Römische Frage" endgültig gelöst zu haben. Vor allem erhielt der Duce, nach eigenen Worten eigentlich ein "Ungläubiger", gewissermaßen den kirchlichen Segen für seine faschistische Politik. Nach Unterzeichnung der Verträge appellierte Papst Pius XI. an die Staaten der Welt: Sie sollten dem italienischen Beispiel folgen und die einträchtige Kooperation zwischen Staat und Kirche fördern.

    "Mit diesem Appell an die Welt verbindet sich heute unsere Bitte an Gott um jene Ruhe und Ordnung in der Welt, in der allein der Friede Bestand hat."

    Kritiker sehen in den Lateranverträgen seit jeher einen unmoralischen Schulterschluss der katholischen Kirche mit dem faschistischen Italien. Pius XI. konnte sich indes durchaus auf kirchenpolitische Gepflogenheiten berufen. Um die angestrebte Ruhe und Ordnung zu erreichen, wurde die Papstkirche in ihrer Geschichte oft mit Regierungen handelseinig, egal welcher politischen Richtung. Die Frage, inwieweit sie damit auch Verbrechen unmenschlicher Regime unterstütze, hat sie dabei meist pragmatisch ausgeklammert. Drei Monate nach den Lateranverträgen formulierte Pius XI.:

    "Wenn es darum geht, eine Seele zu retten oder größeren Schaden für die Seele zu verhindern, würden wir sogar den Mut haben, mit dem Teufel zu verhandeln."