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Die Lügen des Monsieur Cahuzac

Die Affäre um die verleugneten Auslandskonten des ehemaligen französischen Haushaltsministers Jerome Cahuzac bedeutet für die Regierung Francois Hollandes eine schwere Krise. Nun beginnt ein Untersuchungsausschuss mit der Arbeit - und lädt hochrangige Regierungsvertreter vor.

Von Ursula Welter | 21.05.2013
    Er soll sie alle belogen haben: Niemals, sagte Jerome Cahuzac selbst, vor den Zighundert Abgeordneten im Halbrund des französischen Parlaments, niemals habe er Konten im Ausland besessen, weder jetzt noch früher.

    Wenige Wochen später gestand er genau diese Konten ein vor dem Staatsanwalt, der Ermittlungen aufgenommen hatte. Seinen politischen Freunden schickte der Ex-Minister für Haushalts- und Sparfragen eine SMS und bat um Vergebung.

    Mit seinem Geständnis stürzte Jerome Cahuzac Frankreich in eine tiefe politische Krise.

    Schwer zu glauben, dass Francois Hollande niemals von etwas gewusst hat, stieß die konservative Opposition ins Horn all derer, die sich fragten, wie es sein konnte, dass das Internetportal "mediapart" schon Anfang Dezember 2012 konkrete Hinweise auf Schwarzgeldkonten des Haushaltsministers in der Schweiz veröffentlichte. Und wie es sein konnte, dass dieser, trotz der weitreichenden Vorwürfe, monatelang im Amt bleiben und Medien, politische Freunde und die Regierung , inklusive Staatspräsident, belügen konnte.

    "Verletzt, erschüttert, tief erschüttert" sei er, sagte Francois Hollande damals, nachdem der Budgetminister sein Geständnis abgeliefert hatte.
    Ob Cahuzac auch den Präsidenten belogen hat und wie lange er das konnte. Ob es im Elysée-Palast bis zuletzt keine Beweise für die Auslandskonten des einstigen Budgetministers gab. Das wird der Untersuchungsausschuss fragen, der heute seine Arbeit aufnimmt.

    Francois Hollande selbst wird zwar nicht vorgeladen, dafür rund 20 andere Personen von Rang und Namen. Den Auftakt heute macht Edwy Plenel, Chef des Internetportals, das die Sache mit diesem Telefonmitschnitt ins Rollen gebracht hatte, auf dem eine Stimme – wie sich zeigte, die von Cahuzac – ein Schweizer Konto einräumt.

    Der Untersuchungsausschuss will dann den konservativen Abgeordneten aus Cahuzacs Wahlkreis hören, der das Tonband in Umlauf gebracht hat. Aber auch hohe Beamte, ehemalige Minister und amtierende Ressortchefs stehen auf der Liste. Darunter Frankreichs Finanzminister, Pierre Moscovici, zur fraglichen Zeit Dienstvorgesetzter von Cahuzac, der auf dem Höhepunkt der Affäre meinte.

    "Er hat gelogen, den Präsidenten belogen, den Premierminister, das Parlament, sie, die Medien, mich und das nicht nur einmal."

    Der Ausschuss wird dennoch wissen wollen, wieso der Finanzminister nach den ersten Medienberichten eine Suchanfrage in der Schweiz startete, jedoch nur bei einer Bank, um anschließend Cahuzacs Unschuld zu beteuern. Dass dieser sein Konto in der Schweiz zunächst gewechselt, das Geld dann nach Singapur geschafft hat: Das hätte der Minister herausfinden können, hätte er gewollt, kritisiert die Opposition. Die Zentrumspartei UDI hatte den Untersuchungsausschuss beantragt, die Regierungsmehrheit ließ es geschehen.

    "Wann und wie haben die Regierungsmitglieder gemerkt, dass Cahuzac log", das sei eine der Kernfragen, sagt Charles de Courson von der UDI, der den Ausschuss leiten wird. Nicht nur der Finanzminister, auch die Justizministerin Taubira und Innenminister Valls sollen gehört werden.

    In sechs Monaten soll den Befragungen ein Bericht folgen. Den allerdings wird ein Sozialist schreiben, das setzte die Partei des Präsidenten durch. Charles de Courson hofft dennoch auf Erfolg, jedenfalls im Grundsatz: "Gerüchte sind tödlich für eine Demokratie", sagt er, "deshalb müssen wir alles tun, um die Wahrheit ans Licht zu bringen."

    Die Öffentlichkeit beschäftigt sich derweil mit der Frage, warum der geschasste und geständige Minister, der wegen Steuerbetrugs vor Gericht kommen wird, Abfindungen erhält und diese auch in Anspruch nimmt. "So ist das Gesetz", sagt Finanzminister Moscovici kleinlaut.