Freitag, 19. April 2024


Die »lyrix«-Gewinner im März 2014

Im März gastierte »lyrix« im Bach-Museum Leipzig. Inspirationsquellen zum Thema "Ruhm" waren ein Orgelspieltisch und Ulrike Almut Sandigs "Lied".

28.04.2014
    Im März gastierte »lyrix« im Bach-Museum Leipzig. Inspirationsquellen zum Thema "Ruhm" waren ein historischer Orgelspieltisch und Ulrike Almut Sandigs Gedicht "Lied".
    Wie kurzlebig Ruhm heutzutage sein kann und wie doch alle Welt nach Ruhm strebt - das zeigen viele der Gedichte, die ihr uns im März geschickt habt. Ein Aspekt, den einige von euch beleuchtet haben: Insbesondere in der digitalen Welt streben immer mehr Menschen nach Berühmtheit und möchten auffallen, manche um jeden Preis. Aber auch der stille, leise Ruhm kommt in euren Texten vor: Wie kann man mit seinem Tun und Handeln die Menschen in seiner persönlichen Umgebung bewegen, wie verewigt man sich in der Gedankenwelt seiner Freunde und Familie?
    Vielen Dank für Eure engagierten und bewegenden Texte zum Thema "Ruhm". Hier kommen die fünf Gedichte, die unsere Jury am meisten überzeigt haben.
    #super #welt #geil
    die größten köpfe my-ner generation
    blähen wie montgolfiere
    über den köpfen von ahnungslosen
    zerplatzen sie im ALLeingang
    PENG! KRACK! POP!
    kultur unverschlüsselt übertragen
    durch die klebrigen weben des webs
    WhatsApp? fragt der Buschfunk
    das wird von vögelchen getwittert
    in weniger als 80 tagen um die welt
    verbindet eine YouTube jede pinnwand
    x-press klick hashtag klick KNACK!
    die 100 millionen marke
    zum preis? tauchengehen im mainstream
    das ziel: noch 1 milliarde
    klick hashtag klick Ungefähr
    3.500.000.000 Ergebnisse (0.15 Sekunden)
    wie sie waren
    wie sie sind
    wie
    wir sie haben wollen
    also sprach jesus christus
    über die digitaldementen
    ich versteh euch nicht!
    newtons apfel fiel nicht weit vom stamm
    ehe ein mann namens jobs ihn anbiss
    selbst wenn ein wurm drin war
    schlägt das imperium zurück
    wenn es sein oder nicht sein muss
    stolpert freud über einstein
    auf die couch hashtag wreckingball
    in den tempel des todes hashtag ford
    um gemeinsam den bach runterzugehen
    mit kleinen Schritten für einen Menschen
    aber riesigen Sprüngen für die Menschheit
    (Philippe Bürgin aus Weil am Rhein, Mathilde-Planck-Schule Lörrach, Jahrgang 1994)
    o.T.
    Las heute über einige Personen
    die Großes vollbracht,
    die Schweres geschafft,
    die Zeichen gesetzt,
    die gekämpft und geopfert,
    vielleicht auch gelitten,
    der Gesellschaft gedient,
    Geschichte geschrieben
    und das alles aus
    Zufall, aus
    Schicksal, aus
    Überzeugung
    getan haben.
    Staunte und las und las – allein –
    am Abend saß
    und kein Gesicht
    und keine Tat,
    kein Datum
    und kein Name
    wollte mir einfallen.
    Ging morgens über hellgrauen Asphalt
    (es war kalt)
    und wie ich ging, gedankenblind,
    ruft es und schreit und
    taub war ich nicht – blieb stehn,
    ein Kind
    ein Mädchen war's, mit blondem Haar
    läuft her zu mir
    und kniet.
    Und aus hoher Perspektive
    seh ich Kinderhände
    auf hellgrauem Asphalt
    (ohne Handschuh – obgleich kalt!)
    behutsam eine Schnecke heben.
    Ihr Haus war gelb und sehr
    bewegt.
    Die Schnecke lebt
    wohl heute noch.
    Das Kinderlachen gab mir Antwort auf die Frage,
    wer wohl der Held des Tages sei?
    (Felicitas Fritzsche aus Merzhausen, Waldorfschule St. Georgen, Jahrgang 1994)
    Leben?
    Sterbe ich
    werde ich
    leben.
    Lebe ich
    werde ich
    ewig sterben.
    Wer denkt an das
    was kommt?
    Was werden will?
    Was wollen kann?
    Wer sieht was ist?
    Es sieht wer weiß
    doch weiß ich?
    Sterbe ich
    lebt Erinnerung.
    Lebe ich verblasst sie
    mehr und mehr
    hinterlässt nichts
    weder Schatten
    noch Rauch.
    Lebt das Ich
    das hier und jetzt
    bleibt die
    Bewunderung
    bestehen
    für heute und
    für alle Zeit.
    Lebe ich
    werde ich
    sterben
    doch sterbe ich
    werde ich
    ewig leben.
    (Annabelle Kahmann aus Wuppertal, Gymnasium am Kothen, Jahrgang 1997)
    zeitarbeit
    upload. video. vergangene sekunden zählen
    eins, zwei, drei: like it! höre auf
    zu zählen. millionen.
    internetstar – von heute auf morgen
    berühmt im netz. die zeit
    läuft weiter ins unendliche. mit uns
    wie lange? STOP
    liegengeblieben wie ein altes auto
    name – kenn‘ ich nicht –
    herausstechen. kann jeder.
    ein held sein bedeutet
    bewundert, begeisternd, berührend
    zu sein. für immer
    im kopf von
    ihnen. euch. dir. mir.
    im herzen – von heute und morgen
    download. ruhm. vergehende sekunden zählen
    (Kathrin Moll aus Altdorf, Gymnasium Neckartenzlingen, Jahrgang 1996)
    Was bleibt.
    Jeder will bleiben.
    Keiner kann bleiben.
    Der Tod macht uns einen Strich durch die Rechnung
    und doch der Wunsch:
    Leben über den Tod hinaus.
    Bekannt sein, Berühmt sein,
    dann unsterblich obwohl längst gestorben.
    Verewigt in Marmor und Ton
    in Granit und Gold
    und ein kleines Messingschild
    erinnert an deine Existenz.
    Ist es das?
    Heute auf allen Titelseiten
    in den Nachrichten und überall
    omnipräsent
    doch der Tod wartet auch auf dich.
    No Chance.
    Man glaubt nicht,
    wie schnell Gras wachsen kann,
    was heute schneit
    ist morgen schon Schnee von gestern.
    Eine Statue dir zu ehren aufgestellt
    ist vielleicht noch eine Reliquie
    dann eine Antiquität
    und dann irgendwann
    nicht mehr als ein bisschen
    altmodischer, bestenfalls recyclingwürdiger Müll.

    Was bleibt, bestimmst nicht du,
    bestimmen nicht die Anderen,
    nicht die Zeitung, nicht die Bücher,
    nicht das Internet, auch wenn es nichts zu vergessen scheint.

    Was bleibt, das bleibt
    und du kannst nichts dafür tun
    oder dagegen.
    Es sind die Gedanken an dich und an das
    was du getan hast
    in den Herzen und Köpfen derer die du berührt und bewegt hast
    in deren Leben du eine Spur hinterlassen hast,
    wie ein Atom in einer Nebelkammer.
    Nicht berühmt ist das, was bleibt,
    sondern berührt
    von dir.
    (Magdalena Wejwer aus Umkirch, Wentzinger Gymnasium, Jahrgang 1997)