Freitag, 29. März 2024


Die »lyrix«-Gewinner im Oktober 2013

Im Oktober 2013 begab sich »lyrix« gemeinsam mit einem Gedicht der Schriftstellerin Marion Poschmann und dem Gemälde "Fünf Frauen auf der Straße“ von Ernst Ludwig Kirchner "auf die Straße".

05.12.2013
    Die Straßen dieser Welt, seien es reale oder fiktionale, liefern seit jeher Stoff für unzählige Geschichten. Im Oktober haben wir gefragt, welche Assoziationen ihr mit dem Thema Straße verbindet.
    Im Oktober 2013 besuchte »lyrix« das Museum Ludwig in Köln. Ein Gedicht Marion Poschmanns und das Gemälde "Fünf Frauen auf der Straße“ von Ernst Ludwig Kirchner inspirierten euch rund um das Thema "auf der Straße“.
    Eure Gedichte spiegeln die Vielfalt dessen wieder, was es unterwegs zu erleben gibt. Auf Reisen zur Erkundung der Welt entdecktet ihr das Leben fremder Länder. Vor allem aber beschreibt ihr in euren Texten den hektischen Alltag in Großstädten und kritisiert die dort herrschende Anonymität und die kalte Atmosphäre.
    Vielen Dank für Eure Einsendungen! Hier kommen die 5 Gewinner-Gedichte im Oktober:
    Straße des Lebens: Beständigkeit
    Rot
    Der Faden
    Begleitet mein Leben
    Führt mich immer weiter
    Gerissen
    (Nina Gollwig aus Wuppertal, Carl-Fuhlrott-Gymnasium Wuppertal, Klasse 11, Muttersprache deutsch)
    Der Weg
    Ich gehe weiter, ohne Ziel.
    Ein Windhauch weht, ein Blättlein fiel.
    Wo komm ich her, wo will ich hin?
    Die Antwort wäre ein Gewinn.

    Ich träum des Nachts von fernem Land,
    von vielen Freunden, Hand in Hand.
    Als Vogel flieg ich, froh und frei,
    du bist im Traume mit dabei.

    Ich reite schneller als der Wind,
    wir fliegen himmelwärts geschwind.
    Ich spüre Leben, froh und frei,
    du bist im Traume mit dabei.

    Das Mondlicht glitzert auf dem Meer,
    es sorgt für ganz besondren Flair.
    Ich schwimm mit Fischen, froh und frei,
    du bist im Traume mit dabei.

    Ein Windhauch weht, ein Blättlein fiel.
    Nun endlich habe ich ein Ziel.
    Wo will ich hin, was mach ich hier?
    Der Weg führt mich nach Haus zu dir!
    (Annabelle Kahmann aus Wuppertal, Gymnasium am Kothen, Klasse 12, Muttersprache deutsch)
    Weg
    Versteh es nicht falsch, denn
    seit jener Stunde blieb ich hier, hab mit
    meinem Atem deine Worte gezählt, die
    hängen geblieben sind, zwischen Asphalt
    und Schaufenstern im Neonlicht.
    Seit dir und jener Stunde will ich
    nichts wissen vom Bordstein und vom roten Laub,
    ich will es weder vom ersten Winterregen
    unter sommerlich gelben Markisen
    noch vom Echo des Tages, in dunklen Gassen erfahren:
    Dass du nicht mit mir bist,
    denn deine Seele wanderte nie auf meinen Straßen und
    dein Gesicht sieht fremde Berge,
    am Horizont vielleicht ein Meer, dieses Mal
    ohne mich.
    Versteh es nicht falsch, ich habe einst
    die Stadt gewollt, habe den Stein gewählt gegen
    deine Augen -
    blicke, doch
    seit dir will ich
    aufs Dach, will ich, zu Sternen und Kälte
    unter den Fußsohlen, seit dir
    will ich wandern bis mein Atem bricht,
    bis mein Herz zerbricht, seit dir will ich
    weg,
    auch zu den Lichtern, die aufgehen,
    fern und blass, die mich rufen
    zu suchen bis nichts mehr zu finden ist,
    die leuchten
    und doch schon längst erloschen
    sind, wie ich.
    (Svana Stemmler aus Handeloh, Süderelbe Gymnasium, Klasse 11, Muttersprache deutsch)
    Bordsteinkanten
    Ich kenne mich hier aus
    alle Straßen
    alle Wege
    alle Laternen
    gehören mir
    ich gehöre niemandem

    Kreuzungen kenne ich alle
    der Lärm der Fahrzeuge ist mir vertraut
    wie mein eigenes Hecheln

    ich werde getreten
    gejagt und verscheucht
    ich hätte viele Wege
    viele Straßen
    die ich laufen könnte
    an vielen Bordsteinkanten entlang

    und obwohl ich alle Straßen kenne
    weiß ich doch nicht
    welche ich im Notfall nehmen sollte
    welches die Straße ist
    die mich nach Hause führt

    weil ich nicht weiß
    wo ich zu Hause bin

    wenn ich nicht
    ohnehin
    auf den Straßen
    zu Hause bin
    (Magdalena Wejwer aus Umkirch, Wentzinger-Gymnasium, Klasse 12, Muttersprache deutsch)
    Herbst
    Nasser Asphalt
    Salziger Regen
    Es ist still
    Meine Füße gehen
    Immer weiter
    Tote Blätter
    Tanzen flüsternd
    Wenn der Wind sie ein letztes Mal
    Hoch wirbeln lässt
    Salziger Regen
    Nasser Asphalt
    Grauer Himmel
    Kalte Welt
    Kirchenglocken
    Laut und verloren in der Stille
    Läuten, verstummen dann
    Unschlüssig, beschämt
    Perlenketten von Vögeln
    Reihen sich auf
    Fliegen nach Süden
    Graue Welt
    Kalter Himmel
    Ganz alleine
    Auf der Straße
    Weg ohne Ziel
    Meine Füße gehen
    Immer weiter
    Wohin tragen sie mich?
    Sie werden schneller
    Fliehen vor der kalten Welt
    Fliegen- nach Süden?
    Auf der Straße
    Ganz alleine
    (Annika Wilke aus Tübingen, Geschwister-Scholl-Schule, Klasse 8, Muttersprache deutsch)
    Und hier die Gewinner "außer Konkurrenz“
    (Jeder Teilnehmer kann maximal zweimal Leitmotivrundengewinner werden. Weitere eingesandte Gedichte werden trotzdem von der Jury bewertet. Sollte ein Gedicht nach Punkten unter den besten sein, wird es "außer Konkurrenz" veröffentlicht.)
    347 blechmaschinen
    die spieluhr singt "man seh ich müde aus“
    mal wieder ne nacht auf der straße verbracht
    freilichtmuseum der untergänger, kinderfänger
    dazwischen the promise of freedom

    tote blumen exhumiert, abgase inhaliert
    uuuh baby breathe baby baby breathe breathe
    zwischen müll gesessen, satt gefressen
    raupen eingesammelt und unter glas zum brennen gebracht

    angeeckt, zecken geweckt, schnecken zementiert
    keck auf dem schrottplatz der lichter getanzt
    an den rändern abgeranzt
    das gelände abgesteckt
    lichterloh, lichterfroh, fronleichnam
    im teich mann, wohnen fische
    kriechen lurche und obdachlose
    schürfen sich die gelenke auf

    habe gesichter gezählt
    bohnen gesäht
    die wachsen jetzt durch den asphalt, werden zum wald
    metarmorphose: auto wird eichhörnchen

    die kinder backen sandkuchen aus beton
    ihre förmchen dümpeln am trottoir herum
    gerümpel verrottet in den sümpfen
    auf die straße geascht nach halt gehascht
    den abfluss hinabgesickert
    ich spülte mich aus, brannte weg
    kein himmel mehr zum anhimmeln
    nur noch ruß und untergrund
    land unter
    dreh´ die welt wieder bunter
    347 blechmaschinen
    (Helena Kieß aus Dresden, Evangelisches Kreuzgymnasium Dresden, Klasse 12, Muttersprache deutsch)
    man in the street
    der fluss aus menschen
    windet sich unbestimmtem Ziel
    entgegen in einem Bachbett
    aus stahl und beton grauem
    asphalt und glasfenstern die wie eis
    dem himmel zustreben
    dazwischen taxis spielfiguren
    vollenden die musik der großstadt
    straße erleuchtet das leben
    von LED’s mit licht kalt-weiß
    wie sternenstrahlen
    (Kathrin Moll aus Altdorf, Gymnasium Neckartenzlingen, Klasse 12, Muttersprache deutsch)
    Die Straße von unten
    Dunkle Stiefel mit spitzen Hacken
    Braune, ausgetretene Schuhe
    Kleine, bunte Kinderschuhe
    Schlendern
    Hüpfen
    Schreiten
    Die Straße entlang.
    Bewegen sich zu einem Klang
    von unhörbarer Musik.
    Ein einstudierter Tanz
    ganz ohne Absprachen.
    Die Menschen achten
    es nicht.
    (Rebekka Stahlhut aus Buchholz i.d.N., Albert-Einstein-Gymnasium, Klasse 8, Muttersprache deutsch)