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Die Macht der Seilschaft

Baden-Württembergs Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus hat sich seit über zwei Jahren zurückgezogen, aber sein Schatten reicht weit. Im Rückblick steht er für eine verfilzte Regierungspartei und den EnBW-Deal - und der Untersuchungsausschuss dazu macht sich selbst das Leben schwer.

Von Michael Brandt | 21.02.2013
    Heute Vormittag nach einer nicht-öffentlichen Sitzung des EnBW-Untersuchungsausschusses im Stuttgarter Landtag: Die Abgeordneten verlassen den Sitzungssaal, die Obleute der Fraktionen stellen sich im Foyer für ihre Statements auf. Der stellvertretende Vorsitzende Jürgen Filius von den Grünen gibt den weiteren Fahrplan für den Ausschuss bekannt:

    "Es wird so sein, dass am 22. März die nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses stattfindet. Und es werden dort dann der Herr Schebesta, der Herr Müller und auch der Herr Haug als Zeugen vernommen zu den Komplexen, die gerade in den vergangenen Tagen die Öffentlichkeit beschäftigt haben."

    Gemeint ist der jüngste Skandal im Skandal, dass nämlich der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller Material aus dem Ausschuss an den wichtigsten Zeugen, Ex-Ministerpräsident Mappus, weitergeleitet hat. CDU-Obmann Volker Schebesta hat während des Ausschusses mit Mappus per SMS kommuniziert. Beide erklärten bei einer turbulenten CDU-Fraktionssitzung in dieser Woche hinter verschlossenen Türen den vollständigen Rückzug aus dem Gremium. Fraktionschef Peter Hauk im Anschluss:

    "Ich halte das für sehr respektvoll, wir haben das in der Fraktion auch entsprechend gewürdigt, dass damit auch ein Weg für den Neubeginn im Ausschuss freigemacht wurde."

    Neubeginn ist das Stichwort, - wieder einmal - in der baden-württembergischen CDU. Einen Neubeginn sollte es nach der verlorenen Landtagswahl im März 2011 geben, außerdem nach dem Rücktritt von Landtagspräsident Willi Stächele im Oktober des gleichen Jahres. Und jetzt also schon wieder ein Neubeginn. Und immer wieder ist es der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus, über den seine Parteifreunde stolpern.

    Politisch hat sich Mappus seit über zwei Jahren zurückgezogen, aber sein Schatten reicht weit. Im Rückblick steht er für eine verfilzte Regierungspartei: Eine Partei und eine Landtagsfraktion, die sich seinen Vorgaben aus der Regierungszentrale gerne unterordneten, ob sie nun richtig waren oder nicht.

    Nicht richtig waren sie beim Rückkauf der EnBW-Aktien durch das Land. Ein politischer Coup, mit dem sich Mappus Ende 2010 die Wiederwahl sichern wollte und über den er im Landtag von Baden-Württemberg erklärte:

    "Wenn das kein gutes Geschäft ist, dann weiß ich nicht mehr, was für Baden-Württemberg gut wäre."

    Die gesamte CDU-Fraktion applaudierte damals, obwohl es schon im Dezember 2010 eine Stimme gab, die das Zustandekommen des Geschäfts heftig kritisierte - unter den Buhrufen der CDU-Abgeordneten.

    "Das Wort erteile ich Herrn Abgeordneten Kretschmann."

    "Herr Ministerpräsident, sie haben mit dem Notbewilligungsrecht aus dem Artikel 81 den Landtag in einer Art und Weise an die Wand gespielt, wie das noch nie in der Geschichte dieses Landes passiert ist."

    Der baden-württembergische Staatsgerichtshof gab dem heutigen Ministerpräsidenten Kretschmann später recht und bestätigte, dass der Deal verfassungswidrig war.

    Der Zwischenrufer, der Kretschmann zu Beginn mit den Worten "Der Neinsager" begrüßte, war übrigens der CDU-Abgeordnete Klaus Herrmann. Ausgerechnet ihn hat die CDU-Fraktion jetzt als neuen Vorsitzenden des EnBW-Untersuchungsausschusses nominiert, in der kommenden Woche soll er im Landtag gewählt werden. Ein ehemaliger Mappus-Anhänger soll nun also für den zitierten Neuanfang stehen? Über sein Verhältnis zu Mappus sagte Hermann nach der Nominierung:

    "Ich habe bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden 2005 Herrn Mappus gewählt, das ist richtig. Das ist natürlich aus heutiger Sicht anders zu beurteilen wie aus damaliger Sicht."

    Ein CDU-Mann, der tatsächlich für einen Neubeginn in seiner Partei stehen könnte, ist Landtagspräsident Guido Wolf. Das Verhalten von Müller und Schebesta hat er in den vergangenen Tagen heftig kritisiert. Es sei schwierig, sagt er jetzt, den Vorwurf des Parteifilzes zurückzuweisen:

    "Wenn man jahrelang in einer Fraktion zusammengearbeitet hat, entstehen zum Teil auch Freundschaften. Es entstehen politische Verbindungen. Aber was jetzt nicht passieren darf, dass diese Verbindungen und Freundschaften genutzt werden, um sich der objektiven Aufarbeitung der Vorgänge um den Ankauf der EnBW-Aktien in den Weg zu stellen."

    In der Tat – auch wenn inzwischen das Tischtuch zwischen der Landtagsfraktion und Stefan Mappus weitgehend zerrissen ist, so gibt es immer noch zahlreiche freundschaftliche Kontakte. Karl Zimmermann zum Beispiel, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss, hat persönlich durchaus Verständnis für die Lage seines Parteifreundes.

    "Ich kenne Mappus als sehr lebensfrohen Menschen, ich habe jetzt eben erfahren dürfen, dass man plötzlich die Distanz vehement sucht und die auch noch begründet. Das tut mir für die Person und für den Menschen sehr, sehr leid. Und das hat er einfach auch nicht verdient."

    Die Partei tut sich schwer mit ihrem Ex-Ministerpräsidenten, der die CDU nach seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss in einer SMS an einen Freund als "Scheißladen" bezeichnet haben soll. Und dass er beste Lust habe, auszutreten. Im Nachhinein hat er das zwar dementiert, was aber nichts daran ändert, dass ihm viele eine solche Äußerung zugetraut hätten. Hier also persönliche Bindungen, dort dringend notwendige persönliche Distanz von dem Mann, der bis heute davon überzeugt ist, dass er als Ministerpräsident und beim EnBW-Deal alles richtig gemacht hat. Landtagspräsident Guido Wolf sieht eigentlich nur einen Weg, wenn der Neuanfang dieses Mal funktionieren soll: Selbstkritik.

    "Vielleicht würde das dem einen oder anderen in unserer Partei, der Verantwortung getragen hat, auch gut tun. Man darf Fehler machen, Menschen verzeihen uns Politikern Fehler, das ist meine Erfahrung, wenn sie die Größe hat, dazu zu stehen. Und insofern kann dieser Prozess für die CDU ja auch eine Chance sein, wenn sie die Herausforderung offen annimmt."


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