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Die Mainzelmännchen feiern Geburtstag

Mit Berichten über gestiegene Eierpreise wollte das ZDF eine eigene Note in die Fernsehnachrichten bringen. Doch der Plan ging nicht auf. Erst nach und nach fand der Sender ein Konzept, mit dem er beim Publikum ernst genommen wurde. Jetzt feiert er sein 50-jähriges Jubiläum.

Von Brigitte Baetz | 01.04.2013
    "Hier ist das Zweite Deutsche Fernsehen. Heute! Die Eierpreise bis Ostern stabil."

    Das ZDF – es musste, wie so mancher Nachzügler in der Familie, als Kind unter Beweis stellen, dass es eben nicht nur "das Zweite", sondern auch etwas Besonderes ist. Doch die Entscheidung, die Nachrichten unter anderem mit der Berichterstattung über Eierpreise aufzulockern, führte nicht zum gewünschten Erfolg. Erst als "Heute" erwachsen - seriöser - wurde, schalteten immer mehr Deutsche ein. Intendant Karl Holzamer schien es zum Sendestart schon geahnt zu haben:

    "Der Intendant einer solchen Einrichtung, der hat es mit den gleichen Sorgen zu tun, die auch den Dichter bewegen, wenn er sagt, ich wünschte sehr der Menge zu gefallen oder genauer: der Menge zu behagen oder auf der anderen Seite, wie machen wir‘s, dass Alles frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei, nicht nur für Alle etwas, sondern auch dass nicht Alles für alle ist?"

    Nur 43 Prozent der Fernsehzuschauer konnten zunächst das Programm empfangen, das in einem anderen Frequenzbereich als die ARD ausgestrahlt wurde. Wolf Gerlach, der Erfinder der Mainzelmännchen, die schon am Tag Zwei die Werbeblöcke auflockerten, erinnerte sich:

    "Wir sind rumgerannt und wollten das natürlich richtig im Fernsehen sehen und fanden niemanden, der schon das ZDF empfangen konnte. Und als wir dann endlich jemanden gefunden hatten, der hatte schon so eine Antenne, da war die Sendung zu Ende. Das war unser erster Mainzelmännchen-Abend."

    Das ZDF, das nach den holprigen Anfängen auf einem Bauernhof in Eschborn auf den Mainzer Lerchenberg zog, galt von Beginn an als das unterhaltsamere Programm, was nicht jedem Kritiker gefiel. War der Sender etwa von der Politik dazu auserkoren, das Volk mit Brot und Spielen ruhig zu halten? So wie man es Adenauer unterstellt hatte, dessen Pläne eines regierungsnahen Senders 1961 am Bundesverfassungsgericht gescheitert waren? Die Karlsruher Richter hatten damals gefordert, eine deutschlandweite Rundfunkanstalt zu schaffen, die dem staatlichen Einfluss entzogen sein sollte. Doch die Repräsentanten der gesellschaftlichen Gruppen, die im Fernsehrat des ZDF vertreten sind, verteilten sich - mit wenigen Ausnahmen - schnell auf die beiden politischen "Freundeskreise" des Gremiums – der eine CDU-, der andere SPD-nah.

    Mit amerikanischen Fernsehserien, die es bei einem Filmhändler namens Leo Kirch kaufte, eigenen Krimiformaten wie dem "Kommissar" und "Derrick", sowie Quiz- und Musikshows wurde das ZDF der Unterhaltungssender für die ganze Familie.

    "Hier ist Berlin. Das Zweite Deutsche Fernsehen präsentiert Ihnen Ausgabe Nummer Eins der Hitparade. Am Mikrophon, Ihr Dieter Thomas Heck. Guten Abend."

    Unterhaltung à la ZDF war schon vor "Wetten, dass" vorwiegend mehrheitskompatibel. Es wäre jedoch unfair, das Programm des ZDF auf leichte Kost zu reduzieren. Das Magazin "Kennzeichen D" beispielsweise klärte über das Leben in der DDR auf. Das "auslandsjournal" bringt seit 1974 die weite Welt ins Wohnzimmer. Das Thema Doping wurde im "Aktuellen Sportstudio" schon thematisiert, als die meisten Medien davon noch nichts wissen wollten. Und während Rechtsaußen Gerhard Löwenthal im "ZDF-Magazin" regelmäßig gegen die rote Gefahr zu Felde zog -

    "Immer wieder versuchen Linksradikale aller Schattierungen …"

    - gab und gibt der Sender auch dem Kabarett eine Heimat.

    "Herzlich willkommen bei uns in der Anstalt. Schön, dass Sie sich wieder haben einliefern lassen …"

    Trotz grundgesetzlich verbriefter Staatsferne der "Anstalt" versuchten Politiker immer mal wieder, Einfluss auf das Programm zu nehmen. Zum Eklat kam es 2009, als auf Betreiben mehrerer Unionspolitiker der Vertrag des parteilosen Chefredakteurs Nikolaus Brender nicht verlängert wurde. Die "Causa Brender" führte dazu, dass sich das Bundesverfassungsgericht nun mit der Legitimität des ZDF-Staatsvertrages beschäftigen muss.