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Die Mainzer Domschatzkammer ist wieder eröffnet
Ein Fest für die Augen

Nach anderthalb Jahren der Restaurierung zeigt die Mainzer Domschatzkammer wieder ihre Schätze: Das goldschimmernde Seidengewand eines Bischofs, prunkvolle Monstranzen und anderen Kostbarkeiten. Aber auch moderne Künstler spielen im neuen Präsentationskonzept eine Rolle.

Von Anke Petermann | 11.08.2018
    Zwei goldene Kännchen stehen auf einem goldenen Tablett. Alles ist reich mit Ornamenten und bunten Steinen verziert.
    Messgarnitur, sogenannte Napoleonsgarnitur (Magrit Hankel-Püntener)
    Wie eine riesige Glocke wirkt das Messgewand aus byzantinischer Seide. Der Mainzer Bischof und Domerbauer Willigis trug es vor tausend Jahren. Eines der Hauptwerke im Mainzer Domschatz, erläutert Winfried Wilhelmy, Direktor des Bischöflichen Dommuseums:
    "Sieht aus wie ganz flach gehämmertes getriebenes Gold."
    Mit zartem Palmettenmuster und – kaum zu glauben - ohne jede Spur von Verschleiß. Die sogenannte Bischofs-Kasel war Reliquie und Stoffkunstwerk zugleich, deshalb wurde sie über Jahrhunderte sorgfältig aufbewahrt. Ein Stoff wie Gold – und genau diese Erwartung, nämlich dass es glitzert, glänzt und blinkt, zieht Besucher in Domschatzkammern und zum Teil auch in Messen, weiß Museumschef Wilhemy.
    Bewundern, aber auch verstehen
    "Gerade bei der Eucharistie, wenn die geweihte Hostie in Edelmetall aufbewahrt wird. Eben mit diesem Abglanz des Goldes auf die höhere Göttlichkeit dann hinzuweisen, und auch das ist natürlich der Sinn einer Domschatzkammer. Warum auch nicht. Das ist nicht ehrenrührig, wenn jemand Freude dabei empfindet. Es heißt ja nicht umsonst: 'Freude, schöner Götterfunke'."
    Die meisten Schätze in der Mainzer Kammer dürfen aus den Vitrinen geholt werden. Der neue Bischof Peter Kohlgraf kann den ausgesellten Silber-Stab des verstorbenen Kardinals Lehmann genauso nutzen, wie der Kardinal selbst die historischen Hirten-Stäbe seiner Vorgänger einsetzte. Jahrhunderte alte Prunk-Monstranzen werden auf Fronleichnams-Prozessionen gezeigt. Eine 17jährige begeisterte sich für die prächtigen Hostien-Gefäße, erzählt Winfried Wilhelmy. Sie hielt die ausgesellten Monstranzen mit ihrem Glaseinsatz in der Mitte allerdings für Spiegel. Das gab den Ausstellungsmachern zu denken. Statt die Exponate wie zuvor kunsthistorisch nach Epochen zu gruppieren, ordnen sie die Becken, Kelche, Kannen und Ringe in der neuen Ausstellung didaktisch: nach deren Funktion im katholischen Glaubensleben. Vermittelt wird, wie die liturgischen Geräte im Rahmen der Sakramente, zum Beispiel Taufe, Buße und Ehe eingesetzt werden, präzisiert Kuratorin Anja Lempges.
    "Weshalb wir auch unbedingt Werke von zeitgenössischen Künstlern hier ausstellen wollten: Um zu zeigen, dass ein Domschatz oder liturgische Geräte nichts ist, was nur der Vergangenheit angehört, sondern was eben auch jetzt da ist, was weiter entwickelt werden muss, womit sich Künstler auseinandersetzen können, dass wir hier eine Bergkristallschale haben, die vom Material her sehr edel ist, aber auch von der künstlerischen Gestaltung her zum Niederknien schön ist."
    Seidenmatt geschliffen wirkt die Hostienschale wie ein Gefäß aus Eis.
    "Und sie ist so gemacht für den liturgischen Gebrauch, dass man sagt: auch heute noch versucht man, das Beste zu verwenden, was man dafür zur Verfügung hat."
    Ein provozierender Bergkristall
    Der Nürnberger Künstler Paul Müller hielt Bergkristall für das Beste. Der Darmstädter Peter Pelikan provoziert mit grobem Recycling-Metall und dicken Schrauben als Halterung für eine OP-Schale. Eine umstrittene Hostienschale, weiß Kuratorin Birgit Kita, manche finden sie unverschämt profan. Darf man Geweihtes so aufbewahren, fragen Gläubige. Denn:
    "Da muss man nicht viel überlegen, um da an Krankenhaus, Arzt oder Zahnarzt zu denken, also irgendwie Leiden und nichts Schönes halt. Aber es geht nicht nur um das edle Material, sondern auch um die kluge Auseinandersetzung der Künstler, die sie mit Eucharistie, den Sakramenten insgesamt hatten."
    Den historischen Rahmen für die neu gestaltete Domschatzkammer gibt die spätgotische Nikolauskapelle mit ihren in Rot und Gold gefassten Rippengewölben ab. Eine Mainzer Besonderheit, betont Museumsdirektor Wilhelmy,
    "…denn wenn man sich die deutschen Domschätze anschaut, sind die wenigsten in einem Kirchenraum untergebracht. Aber hier ist eine geweihte Kapelle des 15. Jahrhunderts, in der wir auch sehr viel Kunst aus dieser Zeit glücklicherweise zeigen können. Also stimmungsvoller und passender kann es eigentlich nicht sein."