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Die Mandäer
Das religiöse Erbe von Johannes dem Täufer

Ihre Gebetshäuser liegen am fließenden Wasser, denn das wichtigste Ritual in der Religion der Mandäer ist die Taufe. Es gibt nur rund 100.000 Mandäer, die heute vor allem im Irak und dem Iran leben. Was will diese kleine monotheistische Religionsgemeinschaft?

Von Horst Blümel | 24.11.2015
    weißgewandete Männer und Frauen führen an einem Fluß das Taufritual durch
    Taufe bei der sabäisch-mandäischen Gemeinschaft im Irak (dpa / picture-alliance)
    Anders als bei der christlichen Taufe durchleben Mandäer mehrmals im Leben das Reinigungsritual - so zum Beispiel fünf Wochen nach der Geburt und auch bei der Hochzeit. Yassmen Yahya, die Vorsitzende der Synode der Mandäer in Australien:
    "Bevor wir das Ritual praktizieren können, benötigen wir dazu die Erlaubnis des Flusses. Erst dann beginnen die Priester mit der Zeremonie, die in aramäischer Sprache abgehalten wird. Gemeinsam mit dem Priester steht man im Wasser, reicht ihm die rechte Hand und legt das Versprechen ab, von nun an gute Taten zu vollbringen. Das heißt zum Beispiel, Bedürftigen zu helfen und anderen Menschen nicht zu schaden. Danach taucht der Priester den Täufling dreimal unter. Am Flussufer essen die Getauften Brot, das der Priester gebacken hat, und sie trinken ein Gemisch aus Wasser und Traubensaft."
    Das lebendige Wasser
    Fließendes Wasser bedeutet für die Mandäer Leben. Zudem steht es symbolisch für Gott. Die Religionsgemeinschaft errichtet ihre Gebetshäuser an Flussläufen. Außerdem soll jeder Mandäer versuchen, in der Nähe eines Flusses zu leben.
    Es gilt als große Sünde, ein fließendes Wasser zu verschmutzen. Allerdings ist es für Mandäer eine gute Tat, Essensreste in den Fluss zu werfen. Damit sollen die Lebewesen im Fluss gefüttert werden. Yassmen Yahya:
    "Wasser ist sehr bedeutsam für uns. Im fließenden Wasser kommen wir der Lichtwelt am nächsten und treffen mit den Seelen der Verstorbenen zusammen. Außerdem versorgt uns der Fluss mit neuer spiritueller Energie. Die Taufe reinigt unsere Seele und das Wasser unseren Körper. Deshalb ist Wasser so wichtig in unserem Glauben."
    Die Mandäer glauben an die Unsterblichkeit der Seele und an einen Gott. Sie nennen ihn "Den Lebendigen" oder "Lichtkönig". Ihr letzter Prophet war Johannes der Täufer. Die Glaubenslehre ist in der "Ginza-Rabba", dem wichtigsten religiösem Buch der Mandäer, niedergeschrieben.
    Das Buch beschreibt die Entstehung der Erde und der Lichtwelt mit den Engeln. Es widmet sich auch dem Aufstieg der Seele nach dem Tod in die Welt des Lichts. Ein Bote begleitet die Seele bei ihrer Reise aus der Finsternis in die Lichtwelt - an den Ort, von dem sie auch gekommen ist.
    Der Weg ins Licht
    Neben der Taufe, die Voraussetzung für die Seelenreise ist, muss ein Mandäer sich bemühen, ein sündenfreies Leben zu führen und die Regeln und moralischen Grundsätze befolgen, um direkt in die Lichtwelt zu gelangen. Yassmen Yahya, die Vorsitzende der Synode der Mandäer in Australien:
    "Wir haben Regeln und Gebote, die auch in anderen Religionen zu finden sind – zum Beispiel nicht stehlen, nicht töten, keinen Ehebruch begehen und anderen helfen. Allgemein kann man sagen, dass wir wohlwollend handeln sollen."
    Neben diesen Regeln gibt es auch noch Diätvorschriften. So ist unter anderem der Verzehr von Rind- Schweinefleisch und Wild verboten. Die Laien der Religionsgemeinschaft ernähren sich überwiegend vegetarisch, Priester müssen sich an eine strengere Diät halten. Sie dürfen nur essen, was sie selbst zubereitet haben. Gemüse und Früchte müssen roh verzehrt werden. Genussmittel wie Kaffee, Tabak und Alkohol sind Priestern verboten. Bei dem sogenannten "Großen Fasten" der Mandäer geht es allerdings nicht um die Ernährung.
    "Von unserer Geburt bis zum Tod befolgen wir das große Fasten. Es bedeutet, dass wir Mandäer so leben, dass kein anderer in irgendeiner Weise verletzt wird. Weder durch unsere Worte noch durch unser Verhalten. Dies ist die Bedeutung des großen Fastens."
    Ein Glaube in Gefahr
    Die Mandäer sind vom Aussterben bedroht. Besonders heikel ist die Situation in ihrer Heimat, im Irak und Iran. Yassmen Yahya nennt einen der Gründe:
    "Wir sind Pazifisten. Deshalb kommt für uns nicht in Frage, bei einem Konflikt Gewalt anzuwenden. Bereits als Kinder lernen wir, Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen und Kompromisse zu schließen. Aber dieses Verhalten hat in den letzten Jahren in unserer Heimat nicht zum gewünschten Erfolg geführt, und viele mussten das Land verlassen. 2003 lebten im Irak 70.000 Mandäer, aber jetzt sind es nur noch knapp fünf Tausend."
    Obwohl die Mandäer im Koran als Buchreligion anerkannt sind, werden sie oft gezwungen, zum Islam überzutreten. Auch die Vorschriften ihres eigenen Glaubens tragen dazu bei, dass die Religionsgemeinschaft gefährdet ist. So verlieren Mandäer die Zugehörigkeit zu ihrer Glaubensgemeinschaft, wenn sie ein Mitglied einer anderen Religionsgruppe heiraten. Mandäer wird man nur durch Geburt. Um die Größe der Gemeinschaft stabil zu halten, ist es seit jeher die religiöse Pflicht eines Mandäers, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Dies gilt auch für die Priester.
    "Natürlich diskutieren wir darüber, wie wir die Größe unserer Gemeinschaft aufrecht erhalten können. Wie können wir es erreichen, dass unsere Kinder stolz auf ihren Glauben sind und später nicht die Gemeinschaft verlassen? Aber da wir es, trotz sehr schwerer Bedingungen, über Hunderte von Jahren bis heute geschafft haben, bin ich zuversichtlich, dass unsere Gemeinschaft auch in Zukunft noch existieren wird.