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Die Mannschaft ist komplett

CDU und CSU haben ihre Minister für die neue Regierung vorgestellt. Für die Christdemokraten soll Thomas de Maizière Chef des Kanzleramts werden und Wolfgang Schäuble das Innenministerium übernehmen. Der Bereich Familie geht an Ursula von der Leyen, für die Bereiche Kultur und Bildung soll Annette Schavan zuständig sein und für Verteidigung Franz Josef Jung. Die Christsozialen stellen mit Horst Seehofer den Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Zuvor stand bereits fest, dass CSU-Chef Stoiber das Wirtschaftsressort übernehmen wird.

Von Volker Finthammer und Jörg Münchenberg | 17.10.2005
    Die größte Überraschung in der Kabinettsliste Angela Merkels dürfte für Außenstehende die Ernennung von Thomas de Maiziere zum Kanzleramtsminister sein. Der in Bonn geborene Cousin des letzten und einzig frei gewählten Ministerpräsidenten der DDR Lothar de Maiziere gehört bereits seit 1971 der CDU an und hat in den vergangenen 15 Jahren mehrere Ministerämter in den neuen Ländern geleitet. Seit dem Herbst des vergangenen Jahrs ist er sächsischer Innenminister. Was aber, werden sich viele fragen bringt ihn jetzt an die Seite Angela Merkels in das wichtigste Schaltzentrum der neuen Koalition?

    " Er gehört zu meinen ältesten politischen Freunden. Ich bin schon mit ihm gemeinsam im Amt des Ministerpräsidenten de Maiziere gewesen, nach der Volkskammerwahl in der Zeit der Gestaltung der Deutschen Einheit. Und so führen unsere Wege denn vielleicht wieder zusammen. "

    Mit diesem unerwarteten Schachzug behält Merkel allerdings auch zwei wichtige Vertraute für die Fraktionsarbeit. Mit Volker Kauder als Fraktionsvorsitzenden und Norbert Röttgen als parlamentarischen Geschäftsführer weiß die designierte Kanzlerin zwei Männer an ihrer Seite mit deren Unterstützung sie auch rechnen kann.

    Ansonsten aber fällt auf, dass die Kabinettsliste der Union ungleich stärker als die Riege der SPD Minister vom Proporzanspruch der Landesverbände geprägt ist. Das gilt auch für Thomas de Maiziere über dessen Einzug die ostdeutschen Landsverbände wieder ein größeres Gewicht bekommen aber etwa auch für den designierten Verteidigungsminister Franz Josef Jung.

    " Wir haben klar die Bedingungen genannt, unter denen Franz Josef Jung auf die Landesliste gegangen ist, da ändert sich nichts dran aber ich glaube, dass wir das jetzt nicht mehr sehr detailliert diskutieren müssen. Das sehen wir am Montag, und dann werden wir auch die Konsequenzen sehen. "

    So der hessische Ministerpräsident Roland Koch am vergangenen Freitag. Auch bei anderen Besetzungen schien Angela Merkel kaum frei Hand zu haben. Edmund Stoiber etwa musste sie, abgesehen von den Vorfestlegungen in den Gesprächen mit der SPD, die freie Wahl einräumen. Doch der CSU Vorsitzende suchte sogleich den in der bayerischen Schwesterpartei Partei hoch angesehenen Horst Seehofer als Familienminister in das Kabinett einzubinden.

    Das aber wußte Angela Merkel, die für diesen Posten bereits in ihrem Kompetenzteam die neidersächsische Familienministerin Ursula von der Leyen platziert hatte, im Zusammenspiel mit CSU Landesgruppen Chef Michael Glos und dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff zu verhindern. Horst Seehofer ist jetzt für das Ressort Landwirtschaft und Verbraucherschutz nominiert, wo sich der erfahrene Sozialpolitiker noch seine Meriten erwerben muss. In jedem Fall aber besetzt Seehofer kein Schlüsselressort.

    " Und ich hab eben gesagt, ich hoffe, dass er sich nicht nur um die süddeutschen, sondern auch um alle deutschen Bauern in gleichem Maße kümmert. "

    Da könnte man es als erneute Spitze gegen Merkel verstehen, dass CSU Chef Stoiber prompt darauf hinwies, dass ein Drittel der Landwirte in Bayern zuhause sei.

    Als wirkliches Schlüsselressort in der großen Koalition soll das von Ursula von der Leyen vertretene Familienressort verstanden werden. Denn bereits in den Vorverhandlungen zu den Koalitionsgesprächen wurden als eine unter vier zentralen Gestaltungsvorhaben der möglichen Koalition festgehalten:

    " Wir werden, was die Familienpolitik anbelangt sowohl über den gleichen Grundfreibetrag sprechen für Erwachsene und Kinder, das war ja bei uns ein ganz wichtiger Punkt, als auch die Einführung eines Elterngeldes. "

    Mit der Aufstockung des Freibetrages möchte die Union Familien finanziell entlasten, so dass sie zum Beispiel mehr Geld zur Bezahlung von Tagesmüttern oder Kindergartengebühren zur Verfügung haben. Die SPD möchte mit dem Elterngeld, das ein Jahr als Lohnersatzleistung nach der Geburt eines Kindes gezahlt werden soll Familien besonders unterstützen und die Einkommensverluste der Mütter zumindest abmildern.

    " Ursula von der Leyen hat in Niedersachsen auf diesem politischen Gebiet Erfahrung gesammelt und steht durch ihr persönliches Leben auch für das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie, dem sich die Union auch mit voller Kraft widmen wird. "

    Doch allein der höhere Freibetrag für Kinder dürfte mit Steuerausfällen von 2,5 Mrd. Euro schnell zu einem Problem für die Haushälter der Koalition werden. Ohnehin stehen die Verhandlungen ganz unter dem Damoklesschwert der äußerst schwierigen Haushaltslage:

    Dass gespart werden muss, wird weder von Union noch von der SPD bestritten. Allenfalls für das laufende Haushaltsjahr gibt es Scharmützel, bei denen jedoch das öffentliche Prestige im Vordergrund stehen dürfte. Die Union pocht hier weiterhin auf einem Nachtragshaushalt, nachdem sie dem scheidenden Finanzminister Hans Eichel jahrelang eine unseriöse Etatpolitik vorgeworfen hatte.

    Dennoch wiegelt das Finanzministerium ab: das drohende Etatloch könne durch bislang nicht genutzte Kreditermächtigungen gestopft werden, wiederholte Eichels Sprecher in der letzten Woche gebetsmühlenartig. Kein Zweifel, die SPD will sich die Schlappe eines neuerlichen Nachtragshaushalts unbedingt ersparen. Insofern heute auch die einhellige Position des SPD-Parteivorstandes - Generalsekretär Klaus-Uwe Benneter:

    " Nachtragshaushalt war jedenfalls im Parteivorstand keine Rede und ich sehe da auch nicht die Notwendigkeit. "

    Ohnehin blickt der designierte Finanzminister Peer Steinbrück längst nach vorne. Denn dass Deutschland auch in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge dann die Drei-Prozent-Grenze von Maastricht reißen wird, gilt als ausgemacht und selbst 2006 hat zumindest sein Vorgänger Eichel längst abgehakt. Also will Steinbrück spätestens 2007 die europäischen Vorgaben wieder einhalten - seit Tagen trommelt deshalb der abgewählte Ministerpräsident von Nordrhein Westfalen für einen harten Sparkurs:

    " Ich fürchte wir müssen vor dem Hintergrund, dass eine Große Koalition ein Verfassungskonformhaushalt wird vorlegen müssen, und wir werden uns den europarechtlichen Bedingungen stellen müssen und das läuft in meinen Augen darauf hinaus, das wir spätestens 2007 das berühmt Verschuldenskriterium von drei Prozent werden einhalten müssen. "

    Doch mit Steinbrück hat die SPD einen ihrer kompetentesten Finanzpolitiker benannt - selbst bei der Opposition genießt der gebürtige Hamburger einen guten Ruf, zumal er bereits in Nordrhein Westfalen seine Fähigkeiten als Finanzminister unter Beweis stellen konnte. Dabei galt der Norddeutsche lange Zeit als Außenseiter im Kandidatengerangel um einen politischen Spitzenplatz in Berlin, selbst auf ein Bundestagsmandat hatte er verzichtet.

    Den Ausschlag gab letztlich jedoch Edmund Stoiber. Weil der noch amtierende bayerische Ministerpräsident am Ende doch auf den Posten im Finanzministerium verzichtete, kam Steinbrück zurück ins Spiel. Sehr zum Unwillen einiger Unionsspitzen, die Stoiber inzwischen vorwerfen, sich vor der schwierigen Aufgabe der Hauhaltssanierung gedrückt und so den Sozialdemokraten erneut ein Schlüsselministerium überlassen zu haben.

    Eine Kritik, die der designierte Wirtschaftsminister natürlich weit von sich weist - seine Entscheidung habe allein inhaltliche Gründe. Zumal die Kompetenzen des Wirtschaftsministers künftig um die Bereiche Neue Technologien und Europa erweitert werden sollen. Letztlich, so Stoiber, bekomme er jetzt den Posten, den er immer angestrebt habe:

    " Weil ich das Wirtschaftsministerium führen wollte von Anfang an, auch das Technologieministerium, weil ich auch in den letzten 12 Jahren große Erfahrungen gesammelt habe in Bayern. "

    So aber bleibt die schwere Aufgabe bei Peer Steinbrück, dass zu schaffen, woran sein Vorgänger vier Mal hintereinander gescheitert ist: einen europakonformen Haushalt vorzulegen, auch um milliardenschwere Strafzahlungen aus Brüssel zu verhindern.

    Insofern zeigt sich der designierte Finanzminister nach allen Seiten hin offen - selbst einen vollständigen Verkauf der Bundesautobahnen wird nicht ausgeschlossen, könnte dies doch mindestens einen zweistelligen Milliardenbetrag in die leeren Kassen spülen. Alternativ ist auch die Einführung einer PKW-Vingette vorstellbar, obwohl die Länder-Verkehrsminister entsprechende Forderungen noch in der letzten Woche mit knapper Mehrheit zurückgewiesen haben. Doch auch hier gilt: Ausgang der Koalitionsverhandlungen offen.

    Einigkeit besteht jedoch darin, dass der Abbau von Steuervergünstigungen künftig deutlich verschärft werden muss. Zwar hat sich die SPD mit ihrer Position durchsetzen können, dass die steuerfreien Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit unangetastet bleiben. Dennoch gibt es reichlich Spielraum. Denn nach einer Aufstellung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft summierten sich die Steuersubventionen im Jahre 2003 auf stattliche 127 Milliarden Euro - und an diesem Betrag hat sich bis heute wenig geändert, obwohl Eichel mehrere Kürzungsanläufe genommen hat, die jedoch allesamt am Widerstand des unionsdominierten Bundesrates gescheitert sind. Insofern ist eine gewisse Genugtuung beim zuletzt glücklosen Finanzminister nicht zu überhören:

    " All das was ich in den letzten Jahren vorgeschlagen habe und noch wesentlich mehr wird jetzt kommen. Und die Blockade im Bundesrat, die immer unverantwortlich war ist jetzt weg, man kann sich das alles gar nicht mehr erlauben. "

    Zumal die Vorlagen in den Schubladen liegen. 2003 präsentierten der damalige Finanzminister von Nordrhein Westfalen, Peer Steinbrück und der hessische Ministerpräsident Roland Koch ein Modell zum pauschalen Subventionsabbau, das allerdings nur teilweise umgesetzt wurde. Hier also könnte die große Koalition erneut anknüpfen und wird dies auch bei der Eigenheimzulage tun - immerhin geht es allein bei diesem Posten um mittelfristige Einsparungen von bis zu 11 Milliarden Euro.

    Offen ist jedoch, wann sich der Staat aus der finanziellen Unterstützung für den Hausbau zurückziehen wird. Die SPD will die Zulage am liebsten sofort streichen, die Union dagegen einen zeitlichen Übergang gewähren. Grundsätzlich sollen die frei werdenden Mittel auch nicht zur Haushaltssanierung eingesetzt werden. Die Union favorisiert einen Kinderbonus in der Rentenversicherung, die SPD wiederum höhere Bildungsausgaben. Deshalb, so CDU-Generalsekretär Volker Kauder gelte auch an dieser Stelle der Grundsatz der Koalitionsgespräche: keine Vorfestlegung:

    Dies gilt letztlich auch für die Erhöhung der Mehrwertsteuer um bis zu zwei Prozentpunkte. Die SPD hat diese Maßnahme bislang abgelehnt, die Union dagegen zur Absenkung der Lohnnebenkosten gefordert. Nun heißt es selbst bei den Sozialdemokraten, es dürfe keine Tabus geben. Und angesichts der chronischen Ebbe in den öffentlichen Kassen liegt es nahe, allen konjunkturellen Bedenken zum Trotz eine Steuererhöhung durchzudrücken, auch wenn SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz erst einmal tief stapelt und die unterschiedlichen Positionen herausstellt:

    " Bisher zeichnet sich nicht ab, wie die zueinander kommen sollen, dazu sind die Verhandlungen da, dass glaube ich ist noch weit von einer Einigung entfernt. "

    Keine Frage: die Zukunft der großen Koalition entscheidet sich bei den Finanzen. Zum einen soll in die Zukunftsbereiche Bildung und Forschung mehr Geld fließen, gleichzeitig jedoch der Etat saniert werden. Nicht zuletzt, um auch die Vorgaben der Verfassung wieder einzuhalten, wonach die Neuverschuldung nicht über den Investitionen liegen darf.

    Schließlich, und dies war auch zuletzt die Maxime von Finanzminister Eichel, darf die Konjunktur nicht kaputt gespart werden, dürfen die öffentlichen Investitionen nicht drastisch beschnitten werden. Viel Spielraum bleibt da nicht, musste vor einigen Tagen bereits SPD-Chef Franz Müntefering einräumen:

    " Es ist ein schmaler Grad auf dem wir da marschieren. Das heißt, wir müssen bei all dem, was wir da sehen immer prüfen, kann man das Problem was wir da haben mit dem Haushalt und was sieben, bald elf Länder haben mit ihren Haushalten, kann man das eigentlich dadurch lösen, dass man Ausgaben einschränkt, oder das man mehr Einnahmen hat, dadurch, dass man steuerliche Subventionen reduziert oder das man mehr Wachstum hat. "

    Bei soviel Pragmatismus bleibt jedoch wenig Phantasie für Steuersenkungen. Eine Absenkung der Steuersätze bei der Einkommenssteuer, wie von der Union zuletzt im Wahlkampf gefordert, ist also kaum noch realistisch, zumal die SPD hier keinerlei Zugeständnisse machen wird, betonte heute noch einmal Generalsekretär Benneter:

    " Ein Tabu gibt es und das ist eben, dass es keine Steuersenkung geben kann in dieser Situation. Aber alles andere ist eben noch mal deutlich gemacht worden, es muss hier wirklich alle angegangen werden können. "

    Aber auch bei den Kompetenzen dürfte noch heftig gerangelt werden, denn im Zuge der neuerlichen Föderalismusgespräche soll es dieses Mal auch um die Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Gemeinden gehen. Ein heikles Thema, nicht zuletzt aus Sicht der Länder. Ein anderer drohender Kompetenzstreit konnte dagegen zunächst einmal entschärft werden: wer innerhalb der großen Koalition ist zuständig für den Aufbau Ost. Formal der designierte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, SPD, der dieses Mal dem Ruf der Partei gefolgt ist und deshalb sein Amt als Oberbürgermeister von Leipzig aufgeben wird. Aber auch die Union will beim Aufbau Ost ein Wörtchen mitreden. Möglicherweise, so CDU-Generalsekretär Volker Kauder, über eine Koordinierungsstelle im Kanzleramt:

    " Der Aufbau Ost ist im Verkehrsministerium angesiedelt, aber trotzdem gibt es natürlich das Thema Innovation Forschung und es gibt Solidarpaktmittel. Es gibt Beschleunigungsgesetze und deswegen ist eine Koordination der verschiedenen Möglichkeiten Aufbau Ost natürlich auch in einer Regierung notwendig. "

    Eine Schlüsselfunktion könnte da erneut den Wissenschaftszentren in den neuen Ländern zu kommen. Denn auch das Ressort Forschung und Bildung soll den vorläufigen Vereinbarungen zufolge eine wichtige Funktion einnehmen.

    Merkel: " Das eine ist die Tatsache, dass drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab 2010 mindestens für Forschungs- und Entwicklungsaufgaben ausgegeben werden sollen. "

    Müntefering: " Das ist eine riesen Anstrengung aber das ist Investition in die Zukunft. "

    So Merkel und Müntefering. Das wären in Teilen Aufgaben von Edmund Stoiber und der designierten Bildungsministerin Annette Schavan, deren Ressort und Aufgaben in der möglichen Koalition als unstrittig gelten, übernommen werden müssten. Annette Schavan wird, ob der föderalen Aufgabenverteilung in der Bildungspolitik ohnehin vor allem die Bundesländer zu einer konzertierten Aktion gewinnen müssen. Dabei kann es nicht nur um die Frage der Elitenförderung an den Universitäten gehen, sondern es wird auch im Blick auf die Arbeitsmarktpolitik um verbesserte schulische Voraussetzungen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gehen müssen.

    " Denn es gibt auch ein Qualifikationsproblem, es gibt in Deutschland unzureichende Bildungs- und Qualifizierungsperspektiven für manche junge Leute, und das ganze führt dann auch wieder dazu, was können wir tun, damit die, die aus den Schulen kommen eine bessere Vorbereitung haben und dann auch geeignet sind für bestimmte Aufgaben. "

    So SPD Parteichef Franz Müntefering der als Arbeitsminister in gleicher Augenhöhe zur Kanzlerin agieren will. Handlungsfähigkeit wird die mögliche Koalition recht schnell im Blick auf die jüngste Arbeitsmarktreform beweisen wollen. Dabei dürfte es jedoch nicht um grundsätzliche Änderungen gehen, sondern primär ein Nachsteuern, um die Ausgaben zu begrenzen. Absehbar kommen auf den Bund durch die Reform Mehrkosten im einstelligen Milliardenbereich zu.

    " Ich glaube, dass das, was bei Hartz vier so nicht gewollt sein kann, und das wir überlegen müssen, wie man das organisatorisch-technisch oder gesetzgeberisch verantwortet."

    Eine Angleichung der Regelsätze in Ost und West erscheint vor diesem Hintergrund bereits als unwahrscheinlich, sie dürfte allerdings auch eine Nebenschauplatz sein. Viel dringlicher erscheint die Frage, ob die Koalition neue Instrumente schmiedet, mit denen sie die Arbeitslosigkeit senken kann.

    " Wir werden das Prinzip Vorfahrt für Arbeit natürlich in die Diskussion einbringen, aus unseren Regierungsprogrammen werden dann in Arbeitsgruppen sehen, welche Instrumente gefunden werden können, um diesem Ziel Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eben bei dem Ziel voranzukommen. "

    So CDU Generalsekretär Volker Kauder. Von der Forderung nach betrieblichen Bündnissen ohne ein Mitspracherecht der Gewerkschaften hat sich die Union ohnehin bereits in den Sondierungsgesprächen zur den Koalitionsverhandlungen verabschieden müssen. Bewegungsspielraum gibt es auf beiden Seiten dagegen beim Kündigungsschutz, im Niedriglohnsektor sowie der Forderung der die Beitragslast zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte senken zu wollen.

    Zwar stimmt die SPD dem zu, doch die Senkung der Lohnnebenkosten habe nicht die allerhöchste Priorität, sagt der SPD Chef. Die noch amtierende rot-grüne Bundesregierung habe die Arbeitgeber im Sommer diesen Jahres um 4,5 Mrd. Euro bei den Lohnnebenkosten entlastet ohne dass sich das in irgend einer Form auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar gemacht habe.

    " Das heißt, ich glaube dass man da nicht Illusionen nachlaufen darf, dass man aber insgesamt daran arbeiten muss, ob man Lohnnebenkosten weiter reduzieren kann. Da bin ich mit dabei, aber ohne das jetzt für die Stelle zu sehen. "

    Um die Lohnnebenkosten geht es auch im Streit in der Gesundheitspolitik:

    " Da haben wir unsere Vorstellung, dass es zu einer Abkoppelung der Beiträge von den Lohnkosten kommen muss, deswegen stellen wir uns vor allem auch bei der Pflegeversicherung vor, dass wir in Kapitaldeckung hineingehen können. "

    So der CDU Generalsekretär. Doch die amtierende und voraussichtlich kommende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt favorisiert in dieser Frage die Bürgerversicherung mit der allenfalls eine Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge möglich erscheint nicht aber die komplette Abkoppelung vom Arbeitsverhältnis.

    " Ich glaube, dass unsere Idee der Bürgerversicherung eine Perspektive ist, die sehr nah an dem ist, was man da miteinander wert vereinbaren könnte. "

    In der Gesundheitspolitik wird es aber auch darum gehen, künftig mehr Wettbewerb zu ermöglichen. Doch daran ist die große Koalition bereits beim vorweg genommenen Reformbündnis im Jahr 2003 gescheitert.

    Auch in der Energie und Umweltpolitik werden Union und SPD nicht schnell zu vorzeigbaren Ergebnissen kommen können. Beim Atomausstieg etwa gilt es harte Nüsse zu knacken und beim erneuerbaren Energien Gesetz liegen die Positionen ebenfalls weit auseinander. Allerdings gilt der designierte Umweltminister Siegmar Gabriel nicht als prinzipientreuer Hardliner.

    Wenig Streitpunkte sind dagegen in den beiden zentralen innenpolitischen Ressorts zu erwarten. Ein Innenminister Wolfgang Schäuble steht, so Merkel, zwar vor großen Herausforderungen auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit. Aber Schäubles Positionen dürften nicht all zu weit neben denen des amtierenden Innenministers zu finden sein. Im Kompetenzteam der Union war Schäuble zwar als Außenminister gehandelt worden, doch das Innenressort führte Schäuble bereits zur Zeit der Wende als er die Verträge zur Deutschen Einheit maßgeblich mit aushandelte.

    Justizministerin Brigitte Zypriss wurde von den Rechtsexperten der Union bereits unter Rot-Grün akzeptiert, weil sie sich als pragmatische Rechtspolitikerin erwiesen hat. Sie dürfte im Zusammenspiel mit dem Innenminister für das Kräftegleichgewicht der Koalition sorgen wollen.

    " Kompromisse müssen übrigens nicht immer bedeuten dass man sich in der Mitte trifft, sondern Kompromisse können auch bedeuten, das man sich in der ein oder anderen Frage für eine Weg diesseits oder jenseits der Linie entscheidet. "

    Sagt der SPD Parteivorsitzende. Um Kompromisse wird es auch in der Außenpolitik gehen. Rot-Grün habe internationales Vertrauen verspielt und Deutschlands Ansehen in der Welt beschädigt heißt es noch im Wahlprogramm der Union. Mit den bisherigen Kanzleramtsminister Frank Walter Steinmeier soll dem Auswärtigen Amt künftig jedoch ein SPD Minister vorstehen der auf den ersten Blick für Kontinuität steht. Doch kommt beiden Lagern eines zu Gute. Die großen Außenpolitischen Fragen Irak Krieg. EU Beitritt der Türkei und der Erweiterungsprozess insgesamt sind gelaufen. Es bleibt also die zeit sich gemeinsam sortieren zu können.

    " Es gibt natürlich Tabus. Wir werden nicht über jedes Stöckchen springen, das ist keine Drohung, das ist nur eine Feststellung und die Tabulisten werden auch nicht auf den Tisch gelegt sondern wir wollen versuchen, zu all den Punkten vernünftiges zu finden. "

    Das gilt nicht nur für die Außenpolitik sondern für alle Politikfelder und beide Seiten gleichermaßen. Die kommenden vier Wochen werden zeigen, ob Union und SPD zum springen bereit sind.