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Die Millenniums-Entwicklungsziele am Beispiel Ghana

Die Millennium Development Goals der Vereinten Nationen, bislang eher in Büroräumen und auf internationalen Konferenzen diskutiert, müssen auch umgesetzt werden. In Ghana haben sich so junge Frauen und Männer zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, um die Entwicklungsziele in ihrem Land voran zu bringen. Sie setzen sich dafür ein, dass die Aids-Aufklärung nicht weiter behindert wird. Neben der Sensibilisierung der Jugendlichen wollen sie auch den Druck auf die Politik verstärken.

Von Monika Hoegen | 13.09.2005
    Sonntag Nachmittag im Dorf Leklebi Duga in Ghana, unweit der Grenze zu Togo. Eine Gruppe Jugendlicher hat sich unter dem schattigen Baum auf dem Dorfplatz versammelt und singt ein Lied: "Aids ist überall", heißt es da, "es breitet sich immer weiter aus, also pass auf, was Du tust". Rings um den kleinen Chor haben sich zahlreiche Kinder und ein paar Erwachsene mit ihren Plastikstühlen versammelt. Für die nächsten zwei Stunden gibt es Unterhaltung der etwas anderen Art in Leklebi: Theater zum Mitmachen mit nur einem Ziel: die Menschen im Dorf über Aids aufzuklären.

    Erzählt wird die Geschichte vom Mädchen Olivia, das nicht auf die Ermahnungen seines Vaters hört und sich einer Gruppe falscher Freunde anschließt. Die ermuntern Olivia dazu, Partys zu feiern und sich mit einem Jungen einzulassen. Olivia infiziert sich mit Aids und wird von den Freunden verstoßen. Was da unterm Baum in Leklebi Fiktion ist, hat Edem Wodzra auf ähnliche Weise am eigenen Leib erlebt. Edem ist 40 Jahre alt, eine hübsche, zierliche Frau, die sich gerne schick anzieht. Seit acht Jahren ist sie HIV-positiv. Wer oder was sie angesteckt hat, so sagt Edem heute, wisse sie nicht so genau. Dennoch möchte sie ihre Geschichte erzählen, damit andere Menschen davon lernen können.

    Ich war am Ende. Konnte nicht mehr essen und trinken und mich nicht mehr bewegen", erzählt Edem an diesem Sonntag ihren Zuhörern in Leklebi Duga. "Doch dann bekam ich Hilfe. Heute nehme ich Medikamente und ich weiß: Aidskrank zu sein, das muss nicht das Ende bedeuten. Man kann sogar wieder Spaß am Leben haben, wenn man richtig behandelt wird." Edem will auch erreichen, dass die Menschen sich vor der Krankheit schützen, etwa, indem sie Kondome benutzen. Aber sie weiß, dass das nicht einfach ist.

    "Manche wollen ihr Verhalten ändern, und andere Leute, wenn man mit ihnen spricht, sagen nur: Wenn du stirbst, dann stirbst Du eben. Ende."

    Auch Cecilia Seeno, Krankenschwester und Sozialarbeiterin, kennt die Probleme, die in Ghana, wie anderswo in Afrika, die Aids-Aufklärung behindern.

    "Das größte Problem ist die Stigmatisierung. Menschen, die infiziert sind, geben sich nicht zu erkennen, weil sie Angst haben, von ihren Familien stigmatisiert zu werden. Deshalb verstecken sich viele von ihnen, und manche verbreiten die Krankheit weiter. Denn sie wollen nicht, dass ihr Zustand bekannt wird. "

    Cecilia ist Leiterin einer Gruppe von Jugendlichen, die sich mit anderen Jugendorganisationen zum "MDG Youth Network" zusammengeschlossen hat – einem Netzwerk, mit dessen Hilfe
    junge Frauen und Männer die MDG, Millennium Development Goals, zu deutsch: die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen in ihrem Land voran bringen wollen. Was bislang eher in Büroräumen und auf internationalen Konferenzen diskutiert wird, wollen sie direkt zu den Betroffenen bringen, insbesondere zu den Armen in abgelegenen Regionen und Dörfern. Auch Stephen Kwakudarku, 26 Jahre alt und Student der Medienwissenschaft hat sich dem MDG-Netzwerk angeschlossen. Gerade Jugendliche sollten mehr über die MDG’s erfahren. Dann könnten sie ihre Lebensqualität verbessern, meint Stephen.

    "Nehmen wir zum Beispiel das erste Ziel: Beseitigung von Armut und Hunger. Die Jugendlichen, vor allem auf dem Land, wandern von den Dörfern in die Städte ab. Warum - weil sie glauben, es gibt nicht genug zu tun für sie auf dem Land. Also scheint es ihnen am aussichtsreichsten, in die Stadt zu gehen und Arbeit zu finden. Aber ich sage Ihnen, auch auf dem Land gibt es Jobs. Nehmen Sie zum Beispiel die Landwirtschaft. Wenn die Jugendlichen sich zusammentun würden, könnten sie sogar Hilfe, kleine Kredite von Banken bekommen. Aber weil ihnen das nicht bewusst ist, ziehen sie in die Städte und stecken dann dort fest."

    Doch das Netzwerk will nicht nur andere Jugendliche sensibilisieren, sondern zugleich Druck auf die Politiker ausüben, ihre Versprechen einzuhalten. Ezra Odru, 22, Student der Wirtschaftswissenschaften, formuliert das so:

    "Wenn Ghana die MDG’s im Jahr 2015 erreichen soll, dann darf man die Jugend nicht übergehen. Denn die ist unsere Stärke. Wenn dieses Land vorankommen will, muss es auf die Jugend bauen. Unsere Polit-Strategen und unsere Politiker müssen uns besondere Aufmerksamkeit schenken, der Jugend in diesem Land. Ich denke, dann wird es viel, viel leichter sein, die Ziele bis 2015 zu erreichen. "

    Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Denn auch für Ghana ist es keine leichte Aufgabe, die insgesamt acht Millenniums-Entwicklungsziele innerhalb der nächsten zehn Jahre zu erreichen - obwohl das Land international als afrikanischer Musterknabe gehandelt wird. Das Wirtschaftswachstum beträgt circa fünf Prozent. Ghana gilt als politisch stabil, spätestens mit dem Antritt des demokratisch gewählten Präsidenten John Agyekum Kufuor im Jahr 2000. Das Land hat auch eine eigene Strategie zur Armutsbekämpfung formuliert. Das erste MDG-Ziel, die Zahl der Ärmsten der Armen bis zum Jahr 2015 zumindest zu halbieren, werde man deshalb in Ghana auch erreichen, heißt es zumindest in einem Bericht, der Anfang des Jahres von dem ghanaischen "Zentrum für demokratische Entwicklung" und der Nationalen Planungskommission für Entwicklung herausgegeben wurde.

    Allerdings muss auch der Bericht einräumen: die Ziele Vier bis Sechs, die sich auf verbesserte Gesundheitsversorgung, Bekämpfung von Malaria und Aids sowie Senkung der Kindersterblichkeitsrate und Verbesserung der Müttergesundheit beziehen, bereiten den Ghanaern weiterhin Kopfzerbrechen. Derzeit stirbt in Ghana jedes neunte Kind vor seinem fünften Geburtstag. Ob die Zahl in den nächsten zehn Jahren deutlich gesenkt werden kann ist fraglich. Dr. George Acquaye ist Arzt im Ridge Hospital, einem Krankenhaus im Zentrum der Hauptstadt Accra, das täglich bis zu 500 Patienten versorgt.

    "Das Hauptproblem, wenn wir über Krankheiten sprechen: Die meisten Krankheiten, die wir hier sehen, sind eigentlich vermeidbar. Wir sprechen über Malaria, wir sprechen über Durchfallerkrankungen und ähnliches. Das sind die häufigsten Fälle, mit denen wir hier zu tun haben. "

    Fehlende medizinische Infrastruktur in abgelegenen Gebieten, weite Wege zum nächsten Krankenhaus, kein Geld für den Transport dorthin, das alles sind Gründe dafür, warum Menschen, die eigentlich geheilt werden könnten, oft zu spät oder gar nicht einen Arzt aufsuchen. Viele können sich auch die Behandlung selbst nicht leisten, die in Ghana immer noch bar bezahlt werden muss. Zwar versucht die Regierung seit einigen Jahren ein nationales Krankenversicherungssystem auf die Beine zu stellen, aber das kommt nur schleppend voran. Ein anderes Problem ist die Abwanderung zahlreicher gut ausgebildeter Ärzte und Schwestern nach Europa: Sie werden häufig abgeworben von Ländern wie Großbritannien, die ihnen gute Löhne in Aussicht stellen - ein Vielfaches dessen, was sie in ihrer Heimat jemals verdienen würden.

    Wenn es um Gesundheit geht, mangelt es überdies oft an Aufklärung, besonders auf dem Land. Um das zu ändern, müsste vor allem die Rolle der Frauen gestärkt werden – ganz so, wie es das Millenniums-Ziel Nummer Drei vorsieht. Doch dem steht in Ghana noch hartnäckig die Tradition entgegen, weiß Sozialarbeiterin Cecilia:

    "In unserer Kultur haben Männer mehr Macht als Frauen. Und die Frauen sind von ihren Männern abhängig, wenn es ums Überleben geht. Deshalb können die meisten Frauen ihrem Mann auch den Sex nicht verweigern. Der Mann hat dich geheiratet, er geht aus, er kommt zurück, du weißt, er zieht mit vielen Frauen herum, aber als Frau in seinem Haus musst du das akzeptieren. Du kannst deinen Mann nicht einmal zwingen, ein Kondom zu benutzen. Deshalb ist es mit HIV und Aids sehr schwierig in den Dörfern. Die Frauen haben keine Macht."

    Materielle Abhängigkeit vom Ehemann, Angst vor Scheidung und Mittellosigkeit für sich und die Kinder, das lässt viele Frauen in Ghana ihre althergebrachte Rolle weiterspielen. Hinzu kommt: Wie in vielen Ländern Afrikas haben die Frauen auch hier kaum Zugang zu Grund und Boden oder finanziellen Ressourcen. Und ihre politische Vertretung ist noch schwach: Von 230 Parlamentariern in Ghana sind bisher nur 28 Frauen. Yaa Peprah Agyeman, vertritt eine Organisation, die sich für Frauen und Kinder einsetzt. Sie kennt viele Fälle, in denen Frauen zwar einen Kleinkredit erhielten, letztlich aber von dem Geld nichts hatten.

    "Sie haben irgendein Geschäft gestartet, aber sobald das Geld abwirft, nehmen die Männer es ihnen ab. Sogar wenn Frauen Geld mit Kokosnuss-Resten machen, wenn sie die exportieren, um daraus Seife zu machen, wenn sie mit großen Unternehmen arbeiten, wie Body Shop, selbst dann sagen die Männer: Die Kokusnussreste gehören doch uns. Also gehört das Geld uns. "

    Wie schwierig es ist, Bewusstseins- und Verhaltensänderungen zu erreichen, zeigt sich auch bei Millenniums-Ziel Nummer Sieben: Schutz der Umwelt, Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit und Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zum Beispiel Tema, Hafen von Accra und zugleich größtes Industriegebiet des Landes. Über Jahrzehnte hinweg haben die dort angesiedelten Ölraffinerien, Zement-, Aluminium- und Textilfabriken ihre Abwässer in die Chemu Lagune geleitet.

    Aus dem einst fischreichen Gewässer ist eine trübe, stinkende und vor allem ölhaltige Brühe geworden. Zwar hat die Staatliche Umweltagentur mit einigen Unternehmen eine Initiative gestartet, um Öl von den Abwässern zu trennen und nicht mehr in die Lagune zu leiten. Dreckig ist das Wasser aber immer noch. Viele Betriebe haben kein Geld für Filteranlagen. Und dann sind da noch die Menschen, die sich rund um die Lagune angesiedelt haben und ihren Abfall weiter in den Tümpel schmeißen. Dabei hat die Stadtverwaltung Müllcontainer aufgestellt. Und so zeigte sich Andreana Nelson von der Staatlichen Umweltagentur jüngst bei einer Ortsbesichtigung mit lokalen Politikern in Tema entsetzt:

    "Dafür habe ich keine Erklärung. Aber ich glaube, unsere Einstellung ist oft das Problem. Und auch Faulheit. Manchmal gehen Leute noch nicht einmal auf die andere Straßenseite, um ihren Müll wegzuwerfen. Ich glaube, es ist ein moralisches Problem. Sie glauben, der Fluss fließt ja, und spült alles weg, was man hineinschmeißt. Aber du lebst doch in deiner Gemeinde, und dann musst du auch dafür sorgen, dass sie sauber bleibt. Es muss doch nicht erst ein Politiker kommen und dir sagen, was du mit deinem Abfall machen sollst. Also das Hauptproblem ist unser Verhalten wenn es um Abfallmanagement geht. "

    Das allerdings gilt nicht nur für die Bürger von Tema. Denn auch die von der Stadtverwaltung aufgestellten Müllcontainer sind längst voll – und seit längerem nicht geleert worden. Immerhin: die Ortsbesichtigung der Politiker in Tema war schon mal ein Anfang. Und auch sonst wollen die Verantwortlichen in Ghana jetzt handeln, um den Millenniums-Zielen näher zu kommen. Dafür brauchen sie aber auch eine Grundlage: verlässliche Zahlen.

    Ortswechsel: Neun Uhr morgens im Flagstaff House, einem ehemaligen Militärkomplex in Accra. In einem verdunkelten Raum sitzen etwa zwanzig Mitarbeiter verschiedener Ministerien vor Computern und üben sich im Umgang mit einer neuen Software: GhanaInfo. Das Programm soll es erstmals möglich machen, Daten und Entwicklungsindikatoren, etwa zur Kindersterblichkeit, Einschulungsrate oder Analphabetentum übersichtlich und nach Regionen und Bevölkrungsgruppen sortiert in den Computer eingeben und abrufen zu können. Issa Ouedraogo ist verantwortlich für die Einführung von GhanaInfo und das Training der Beamten. Mit der Software stünden wichtige Informationen zum ersten Mal zentral zur Verfügung:

    "Damit können Leute von außerhalb sich einfach an GSS wenden und bekommen alle Daten. Sie brauchen nicht zum Finanzministerium zu gehen, um etwas über Wirtschaft zu erhalten, zum Gesundheitsministerium, wenn es ums Thema
    Gesundheit geht, und all so was. Sie finden alles beim Staatlichen Statistik Dienst. "

    Auch andere Länder, wie etwa Kenia, Tansania, Malaysia, Indien und Vietnam, haben solche Datenbanken. So sollen sich in Zukunft die Entwicklungsdaten verschiedener Länder auf einer gemeinsamen Grundlage besser miteinander vergleichen lassen – ein wichtiges Instrument für den Millenniums-Prozess und interessant für Politiker, UN-Vertreter, Nichtregierungsorganisationen oder Forscher. Auch Moakin Shoats, Mitarbeiterin in der Planungsabteilung des ghanaischen Frauen- und Kinderministeriums ist beim GhanaInfo-Training dabei. Sie findet das Programm gut.

    "Das ist alles sehr interessant. Ich glaube, verglichen mit anderen Programmen, wird uns das hier sehr helfen. Wir arbeiten für Frauen. Frauen sind von der Gesellschaft benachteiligt. Also diese Möglichkeit, Daten zu sammeln wird uns dabei helfen, nach männlich und weiblich zum Beispiel im Schulsektor zu unterscheiden. Wie viele Jungen sind in der Schule? Wie viele Mädchen? Bei der Gesundheit: Wie viele Jungen haben Zugang zu medizinischer Versorgung, wie viele Mädchen? Das wird uns sehr helfen. "

    Geradezu begeistert von der neuen Software ist Albert Dohnchebe, Sprecher des gerade erst gegründeten Ministeriums für die Reform der Öffentlichen Verwaltung. Mit GhanaInfo, so Dohnchebe, stünde allen Ministerien endlich eine einheitliche Datenbasis zur Verfügung. Das erleichtere den Austausch und die Zusammenarbeit – auch zwischen der Zentrale in Accra und den Distriktverwaltungen. GhanaInfo sei überdies ein tolles Instrument, um die Millenniums-Ziele besser zu erreichen und sei hifreich gegen Willkür, sagt Dohnchebe:

    "Es verändert unser Leben deutlich. Denn im Moment planen wir eigentlich ins Blaue hinein, wir errichten Schulen und Kliniken ohne Information. Wir vertrauen auf unsere Annahmen. Ich bin etliche Meilen weit gereist und habe keine Schule gesehen, also soll hier eine gebaut werden. Aber jetzt bekommen wir konkrete Informationen. Wir sind bisher nicht vorangekommen, weil wir keine Information hatten. Weil wir das, was wir machten, eher per Zufall geschah. Und weil es keine verlässlichen Basisdaten gibt, können Leute irgendwelche Zahlen nennen, um zum Beispiel eine Schule zu bauen. Ich kann eine Schule in meinem Dorf bauen lassen, obwohl es vielleicht keinen Bedarf dafür gibt – nur weil ich gehört habe, dass die Deutschen uns etwas Geld geben. Und niemand kann mich stoppen, weil es keine Zahlen gibt."

    Allerdings: Auch die Statistik hat so ihre Tücken – besonders wenn es um die Millenniums-Entwicklungsziele geht. Denn ob sie erreicht wurden oder nicht, ist vielfach kaum messbar. So werden in Ghana viele Neugeborene gar nicht erst registriert. Wie soll man da Aussagen über die Kindersterblichkeit treffen? Oder was ist davon zu halten, wenn keine verlässlichen Zahlen über das jährliche Pro-Kopf-Einkommen vorliegen und der Präsident mit seinem Finanzminister darüber streitet, ob es nun 400 oder 600 Euro beträgt?

    Die statistischen Unsicherheiten werden auch deutlich mit Blick auf Millenniums-Ziel Nummer Zwei: Grundbildung für alle Kinder bis zum Jahr 2015. Doch was sagen Einschulungsraten aus, wenn viele Mädchen und Jungen nach kurzer Zeit nicht mehr kommen, weil ihre Eltern zwar keine Schulgebühren mehr bezahlen müssen, aber kein Geld für Bücher und Schuluniform haben? Auch viele Entwicklungsexperten selbst stehen den Statistiken mit Blick auf die Millenniums-Ziele skeptisch gegenüber, so zum Beispiel Jörg Bergstermann, Vertreter der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung in Ghana.

    "Wenn man sich beispielsweise die Website der World Bank selbst anschaut zu Ghanas Achievements with Regard to MDG’s, also wie gut ist Ghana auf dem Weg?, dann fällt auf, dass auch die Weltbank selbst unglaublich viele Leerstellen in ihren vergleichenden Tabellen eintragen musste, weil auch die die Daten nicht haben, und dann kann man eben feststellen, o.k., in 2003 ist die Situation bei der Einschulung oder bei der Gesundheitsversorgung so und so laut Statistik, aber es gibt kein Datum mit dem man es vergleichen könnte. "

    Die Menschen selbst, so Bergstermann weiter, haben eher den Eindruck, dass es ihnen schlechter gehe. Das sei durch die Erhöhung der Benzinpreise in Ghana noch verstärkt worden.

    "Wir arbeiten ja mit den Gewerkschaften eng zusammen. Und deren Analyse, die natürlich auch durch statistische Probleme gehandicapt ist undsoweiter, aber deren Analyse weist ganz eindeutig darauf hin, dass sich Einkommensbezieher immer weniger leisten können. Das ist in Accra so, also in der größten und sicherlich reichsten Stadt des Landes neben Kumasi – und das ist auf jeden Fall auf dem Lande so. "

    Lothar Diehl ist für die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, GTZ, in Accra. Er zweifelt an Aktivitäten, wie sie etwa Jeffrey Sachs, UN-Beauftragter für das Millenniums-Projekt im Auge hat.

    "Dessen Vorschlag geht dahin, zum Beispiel er war neulich hier in Ghana auch, zu sagen: Wir müssen diese langzeitbehandelten Moskitonetze frei verteilen an die Bevölkerung überall. Und der stellt sich das so vor, dass halt ein LKW ins Dorf fährt und dann festgestellt wird, wie viel Schlafstätten gibt es hier für Jugendliche und die kriegen halt jeder einn Netz, Punkt. Und das wird alles bezahlt. Die Frage der Nachhaltigkeit wird völlig in den Hintergrund gedrängt Wer flickt die Netze? Wer beschafft neue? Auch die Frage, werden die überhaupt benutzt, für das, was sie intendiert sind? Ich meine, mit den Netzen kann man auch fischen oder weiß der Kuckuck was machen. (lacht)"

    Ob dann die Millennium Development Goals, die UN-Millenniums-Entwicklungsziele für Ghana und viele andere Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas überhaupt sinnvoll sind?

    "Ich persönlich halte sie für sehr ambitiös, ja. Und glaube ich, aufgestellt halt in der Euphorie eines solchen Meetings, wo man sagt, das kriegen wir hin und so, und es zeigt sich jetzt, dass das eben doch sehr schwierig ist, das hinzukriegen. Wie sinnvoll das ist, das jetzt mit Gewalt durchzupuschen, da hab' ich persönlich meine Bedenken. Aber klar, man kann kurzfristig mit viel Geld eine ganze Menge machen. Aber die Frage ist ja, ist das denn also ein Strohfeuer oder wird es tatsächlich zur längerfristigen Verbesserung führen. Das lässt sich meiner Ansicht nach nicht so ohne weiteres beantworten."