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Die Mischung fehlt

Eltern wollen immer das Beste für ihr Kind. Deshalb entscheiden sich ehrgeizige Akademikereltern in Großstädten immer öfter gegen die nächstgelegene Grundschule. Sei es, weil ihr Ruf schlecht ist, sei es, weil ihnen der Zuwandereranteil zu hoch ist. Um die zugewiesene Grundschule zu vermeiden, melden sie sich einfach pro forma bei den Großeltern oder bei Freunden an. Oder sie ziehen gleich vor Gericht, wie dieser Vater in Berlin, der eine Schule mit hohem Migrantenanteil für seine Tochter vermeiden will.

Von Claudia van Laak | 28.11.2012
    "Wir haben eine sehr aufgeweckte Tochter und sie ist blond, sie ist sehr hellhäutig. Wir haben einfach die Befürchtung, dass sie untergeht ein bisschen, wenn die große Masse eben anders ist."

    Eine heute vorgelegte Untersuchung des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration belegt: Kinder werden bereits in der Grundschule nach sozialer Schicht und Herkunft getrennt. Die Studie hat unter anderem vier innerstädtische Berliner Bezirke untersucht. Die Ausgangsthese: Der Zuwandereranteil an den Grundschulen müsste dem Anteil im Schulbezirk entsprechen. Die Realität sieht anders aus: jede fünfte Grundschule hat einen Migrantenanteil, der doppelt so hoch ist wie der im Schulbezirk.

    "Das ist ein Problem, weil an diesen sozialen und ethnisch segregierten Schulen schlechtere Lernergebnisse erzielt werden. Das zeigen alle großen, vergleichenden Bildungsstudien in Deutschland"

    , erläutert Gunilla Fincke, Direktorin des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat. Auch umgekehrt lässt sich die Entmischung belegen – so gibt es beispielsweise im Berliner Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain staatliche Grundschulen, deren Migrantenanteil sehr viel niedriger ist als in der Wohnbevölkerung.

    "Die Segregation an den Schulen entsteht dabei nur teilweise durch die Segregation im Wohnumfeld. Sie wird in erheblichem Umfang verstärkt durch die Versuche der Eltern, ihr Kind an einer anderen als der vorgesehenen Grundschule anzumelden."

    Die Entmischung führe vom ersten Schultag an zu schlechteren Startchancen für Kinder mit Migrationshintergrund, so der Sachverständigenrat. Wie kann dieses Rad zurückgedreht, wie eine gesunde Schülermischung erreicht werden? Zwang auf die Eltern auszuüben sei der falsche Weg, meint Gunilla Fincke. Diese würden im Zweifel ihr Kind auf eine Privatschule schicken.

    "Privatschulen von der grundsätzlichen Ausrichtung her sind natürlich Schulen, die Segregation befördern, in dem sie einen deutlich höheren Anteil von bildungsaffinen, einkommensstarken Eltern, in der Tendenz dann ohne Migrationshintergrund anziehen. Das heißt, aus Sicht der Integration in eine Gesellschaft ist es definitiv nicht wünschenswert, den Anteil von Privatschulen stark ansteigen zu lassen."

    Drei Vorschläge hat der Sachverständigenrat, um von Abwahl bedrohte Schulen zu stärken: Grundschulen sollten Eltern und Kinder schon vor der Einschulung aktiv einbinden, sie müssen sich mit externen Partnern wie Unternehmen oder Kultureinrichtungen vernetzen und nicht zuletzt: Lehrerinnen und Lehrer sollten so fortgebildet werden, dass sie Schüler individuell fördern können.