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Die Mühle soll wieder klappern

Technik. - Die Technik der Wassermühle ist einfach und seit Jahrhunderten bekannt: Wasser treibt ein Rad an, eine Welle dreht sich und lässt beispielsweise Mühlsteine kreisen. Mit dem Aufkommen der Dampfmaschinen und des Elektromotors geriet die Mühle aus der Mode. Das Wasserrad wurde zur Turbine im Staudamm, und die kleinen Anlagen verschwanden, weil sie als ineffizient galten. Vielleicht zu Unrecht: Die EU lässt die Entwicklung neuer Wasserräder für kleine, dezentrale Strommühlen fördern.

Von Sönke Gäthke | 07.01.2009
    Die klassische Wassermühle bekommt eine zweite Chance - als Kleinkraftwerk. Weit mehr als 50 Jahre, nachdem sie von ihren Mühlbächen verschwanden, verdrängt vom Elektromotor. Als Stromlieferant schied die klassische Wassermühle damals aus, weil die Energieausbeute zu klein war. Eine Mühle nutzt die potentielle Energie des Wassers, sprich: Die Energie, die frei wird, wenn es nach unten fließt oder stürzt. Doch bei vielen Mühlen betrug diese Differenz gerade einmal zwei Meter - zu wenig, um einen Generator zu betreiben. Gerald Müller, Bauingenieur der Universität Southampton, will das jetzt ändern.

    "Na ja, diese geringen Fallhöhen erzeugen zwar relativ wenig Energie, aber die Zahl der Standorte ist sehr hoch."

    Mehrere Tausend gibt es - weil es an fast jedem kleinen Fluss oder Bach irgendwo ein kleines Wehr gibt, an dem Wasser ein wenig gestaut wird.

    "So dass also in Deutschland 500 Megawatt an Energie vorhanden sind, das entspricht einem halben Atomkraftwerk etwa."

    In England sind es gar 800 bis 1000. Doch an diese Megawatt heranzukommen, zu einem relativ günstigen Preis, ist mit der alten Technik nicht möglich: Die klassische Mühle mit ihrem großen Wasserrad kann nämlich nur einen Bruchteil der Wassermenge verkraften, die an diesen Wehren gestaut wird.

    "Wenn Sie sich das so vorstellen: Das Wasser fällt in das Wasserrad rein, wird gestoppt, beschleunigt sich wieder und fällt wieder raus. Das heißt, das Wasserrad muss den gesamten Volumenstrom aufhalten, aushalten und wieder beschleunigen. Deswegen ist die Kapazität dieser Räder begrenzt."

    Das meiste Wasser muss an der Mühle vorbei geleitet werden - ungenutzt.

    "Schön wäre es, wenn man eine Maschine hätte, wo das Wasser einfach durchlaufen kann und Strom erzeugt."

    Dachte sich Gerald Müller - und setzt auf ein anderes Prinzip. Er entwickelt ein Wasserrad, das durch den Druck des gestauten Wassers gedreht wird, und so große Wassermengen nutzen kann.
    "In unserer Maschine wirkt das Wasser seitlich auf die Schaufel und drückt diese vorwärts."

    Dafür ist Müllers Wasserrad perfekt an die jeweilige Fallhöhe des Wassers angepasst: Seine Nabe ist genau so dick, wie das Wasser hoch gestaut ist - also einen halben bis zwei Meter. An der Oberseite schlagen die Wellen an die Oberkante der Nabe; unten strömt das Wasser genau unter der Unterkante hervor. Und die Schaufel sind genau so groß, dass sie von der Nabe bis auf den Grund reicht.

    "Und wenn sie sich weiterbewegt, taucht die nächste Schaufel ein und hält den Höhenunterschied aufrecht, so dass das Rad eigentlich auch selbst das Wehr darstellt, mit dem der Fluss gestaut wird."

    Das Rad selbst hat nur wenig Schaufeln, die zudem schräg gestellt sind - um sich mit wenig Verlusten in das Wasser regelrecht hineinzuschrauben - und um gemäß der neuen EU-Richtlinien möglichst viel Schlamm und Fische passieren zu lassen. Das kostet zwar Energie, aber trotzdem ist Müller zufrieden:

    "Wenn das Verhältnis sehr klein ist, also eine kleine Fallhöhe, dann ist der Wirkungsgrad sehr hoch, der Wirkungsgrad nimmt dann bei zunehmender Fallhöhe ab. Aber weil wir uns ja auf niedrige Fallhöhen konzentriert haben, ist diese eine Maschine mit einer Charakteristik, die unseren Anforderungen eigentlich sehr gut entspricht."

    Mit seinen Kollegen hat Gerald Müller am Modell nachweisen können, dass die Idee funktioniert - und die EU davon überzeugt, die Entwicklung dieser Technik zu fördern. In diesem Jahr noch sollen die ersten Modelle in Bayern, Rostock und Bulgarien gebaut und einem langen Test unterzogen werden. Ab 2012, so hofft der Ingenieur, könnte dann die Entwicklung eines Serien-Wasserrades beginnen, und damit der Mühle vielleicht eine neue Zukunft beschieden sein.