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Die Mutter der Rosenkriege

Über dreißig Jahre tobte in England ein verbitterter Machtkampf zwischen dem Häusern Lancaster und York. Eine Schlüsselrolle spielte dabei eine ebenso schöne wie intelligente Französin. Vor 575 Jahren wurde die Mutter der Rosenkriege, Margarete von Anjou geboren.

Von Sabine Mann | 23.03.2005
    Shakespeare (hier seine Totenmaske) stellte in "Richard III." Margarete von Anjou als geschlagene, verwitwete Frau dar
    Shakespeare (hier seine Totenmaske) stellte in "Richard III." Margarete von Anjou als geschlagene, verwitwete Frau dar (AP)
    Hastig und ohne Überzeugung soll Giacomo Meyerbeer 1820 die Oper "Margherita d’Anjou" für die Mailänder Scala komponiert haben - eine Liebesgeschichte mit Happy End nach einem äußerst unwahrscheinlichen Libretto: die englische Königin tritt da als in einen verheirateten Herzog verliebte Heerführerin auf, verirrt sich nach verlorener Schlacht in einem Wald und vereint zum Schluss hochherzig den Geliebten wieder mit seiner angetrauten Ehefrau. Vielleicht ist die Oper deshalb in Vergessenheit geraten… Meyerbeer verzuckert jedenfalls das Bild einer Regentin, das wir sonst eigentlich nur aus Shakespeare’s Königsdramen kennen: das Bild einer verbitterten, rachsüchtigen, grausamen, machtbesessenen Frau. Unglückliche aber mutige Akteurin im Kampf um die englische Krone, der im 15. Jahrhundert über dreißig Jahre lang zwischen dem Hause Lancaster und dem Hause York tobte.

    Da die Lancaster-Partei eine rote Rose in ihrem Wappen führte und für York eine weiße Rose stand, gingen diese Schlachten als Rosenkriege in die Geschichte ein. Wie daraus die heutige Bedeutung des Rosenkriegs als Kampf zwischen zerstrittenen Eheleuten während einer Scheidung wurde, lässt sich nur vermuten. Vielleicht wegen der bemerkenswerten Fülle an Verrat, Intrigen, Grausamkeit und Vergeltung, die die historische Vorlage auszeichnete? Der Große Brockhaus macht mit Margarete von Anjou kurzen Prozess:

    "…sie beherrschte mit ihren Günstlingen den
    regierungsunfähigen Gatten und war während der Rosenkriege die eigentliche Führerin der Lancasterpartei."

    Heinrich VI. von England war dieser Gatte. Offenbar ein frommer weichherziger Mensch, der Waffen und Krieg verabscheute und seine schwachen Nerven angeblich von der französischen Mutter hatte. Bestimmt nicht der richtige Mann, um das Ansehen einer Krone wiederherzustellen, die im Verlauf des hundertjährigen Krieges immer mehr Provinzen auf dem Festland an Frankreich verloren hatte. Um diesen Prozess aufzuhalten, war Heinrich VI. eben Margarete von Anjou angetraut worden, ein unbedarftes vierzehnjähriges Mädchen, das man in ein fremdes Land zu einem unbekannten depressiven Mann schickte. Mitten in ein Wespennest rivalisierender Interessen, in dem ihr aufgrund ihrer Herkunft von Anfang an Feindseligkeit entgegenschlug. Und ihr erster und einziger Sohn Eduard sofort als Bastard galt. In ihrem historischen Roman "La Rose d’Anjou" beschreibt Catherine Hermary-Vieille das Leben ihrer Heldin Margarete als ziemlich trostlos:

    "An glücklichen Augenblicken hatte sie nur ein bisschen verstohlene Leidenschaft, falsche Triumpfe, leeren Dünkel erlebt. Alles Befriedigungen, die jedes Mal von Unglück, Mord, Krieg und Blutvergießen zunichte gemacht wurden. Politisch ungebildet, von Feinden umgeben, bestand ihre einzige Waffe im unbändigen Willen das zu erhalten, was ihr Gatte ihr übergeben hatte: die englische Krone und die Ehre des Hauses Lancaster."

    Shakespeare lässt in seinem Königsdrama Richard III. Margarete von Anjou als geschlagene, verwitwete und um den Sohn trauernde Frau ihrer Nachfolgerin Elisabeth die ganze Absurdität des gegenseitigen Gemetzels aufzählen…

    "Mein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;
    Mein war ein Gatte, doch ein Richard schlug ihn;
    Dein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;
    Dein war ein Richard, doch ein Richard schlug ihn."

    …und das ist nur der Anfang einer langen Bilanz-Tirade.

    Die historische Margarete von Anjou durfte nur die acht letzten Jahre ihres Lebens einigermaßen friedlich verbringen: aus der englischen Haft freigekauft vom französischen König, im Schlösschen Dampierre hoch über der Loire, zu Hause im Anjou,. Wo sie 1482, erst 52-jährig, starb.