Arbeitsmarkt

Berlin schafft sachgrundlose Befristungen ab

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Reform auf dem Arbeitsmarkt: Berlin will die Befristung wieder zur Ausnahme machen. © imago / Ralph Peters
Von Marianne Allweiss · 05.02.2018
Bei befristeter Beschäftigung sind der öffentliche Dienst und öffentliche Unternehmen lange mit schlechtem Beispiel vorangegangen. Im vergangenen Sommer hat das Land Berlin den Ausstieg aus der sachgrundlosen Befristung verkündet. Wird es damit zum Vorbild für gute Arbeit?
"Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, das Thema Regel und Ausnahme wiederherzustellen."
Das sagt Matthias Kollatz-Ahnen. Als Regel bezeichnet der Berliner Finanzsenator eine unbefristete Beschäftigung, möglicherweise mit einer Probezeit. Eine Befristung ohne Grund muss für den SPD-Politiker die Ausnahme bleiben.
"Es hat sich dann aber fatalerweise gezeigt, dass es in ganz breitem Umfang eingesetzt worden ist und dass es auch Branchen gibt, in denen es die Mehrheit der neuen Beschäftigungsverhältnisse ausmacht. Und das war sicherlich nicht so gedacht."

Weniger als ein Prozent sachgrundlos Befristete

Nach der Einführung der sachgrundlosen Befristungen im Jahr 1985 hat auch der Öffentliche Dienst des Landes Berlin rege Gebrauch davon gemacht. Bei Behördenmitarbeitern, Kita-Erziehern, Lehrern oder Ärzten. Inzwischen gibt es noch 4500 Beschäftigte mit befristeten Verträgen. Davon sind nur 1052 sachgrundlos befristet. Bei rund 119.000 Beschäftigten weniger als ein Prozent.
"Das Thema ist für das Land Berlin aus eher gesellschaftspolitischen Erwägungen wichtig."
Die rot-rot-grüne Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den Öffentlichen Dienst zum Vorbild für "gute Arbeit" zu machen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller kündigte vergangenen Sommer an, unnötige Befristungen so schnell wie möglich abzuschaffen. Im Herbst stimmte das Abgeordnetenhaus zu. Im Frühjahr soll der Senat einen entsprechenden Beschluss vorlegen. Finanzsenator Kollatz-Ahnen:
"Es war von vornherein klar, dass das ein mehrjähriger Prozess ist."
Oder eben in erster Linie ein Zeichen für mehr soziale Gerechtigkeit, wie der Regierende Bürgermeister betonte. Und ein alter Wunsch der Gewerkschaften:
Verdi-Landeschefin Susanne Stumpenhusen sagt:
"Gute Arbeit ist eben auch planbare Arbeit. Arbeit, die es auch ermöglicht, die persönlichen Verhältnisse danach auszurichten."

Widerstand der Arbeitgeber-Seite

Die Berliner Regelung soll auch für die 53 Landesunternehmen und ihre Tochtergesellschaften gelten – etwa für Kliniken, die Wasserbetriebe oder die Stadtreinigung. Hier sieht Verdi besonderen Handlungsbedarf. Mehrere Tausend Mitarbeiter von insgesamt 50.000 bis 55.000 sind laut der Senatskanzlei ohne Sachgrund befristet beschäftigt. Prozentual deutlich mehr als im Öffentlichen Dienst, so Kollatz-Ahnen.
"Auch da ist es so, dass wir die Zahl zurückführen. Da gab es ja gerade im Gesundheitsbereich eine Diskussion im letzten Jahr. Und da haben wir als Senat für die Anteilseigner-Seite deutlich gemacht, dass das zurückgeführt wird. Und zum Beispiel im Verkehrsunternehmen BVG ist es eben deutlich zurückgeführt worden bereits in den letzten Jahren."
Gegen den Widerstand der Arbeitgeber-Seite. Die weist genau wie die Berliner Oppositionsparteien CDU und FPD auf den Wert befristeter Arbeitsverträge für den Einstieg und Wiedereinstieg in den Job hin. Gerade bei Auszubildenden sei die reguläre Probezeit oft zu kurz, meint die Geschäftsführerin des Kommunalen Arbeitgeberverbandes, Claudia Pfeiffer:
"Auch öffentliche Unternehmen sind Wirtschaftsunternehmen, die im Wettbewerb stehen und die wirtschaftlich arbeiten müssen. Und wenn sie das immer im Vergleich mit Privatunternehmen vielleicht nicht so gut oder nicht so frei können, dann ist das schon mal eher ein Hemmnis der Wettbewerbsfreiheit."

Verdi-Chefin: Nicht ausreichend

Prinzipiell legten die Landesunternehmen Wert auf Qualität und Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse. Auch im eigenen Interesse. Die Gewerkschaften haben andere Bedenken beim jetzigen Fokus auf sachgrundlose Befristungen. Denn die gelten in der Regel höchstens zwei Jahre lang. Dagegen können begründete Befristungen endlos aneinandergereiht werden. Außerdem findet Verdi-Chefin Stumpenhusen:
"Das reicht bestimmt nicht aus. Das ist aber ein wichtiger Baustein."
Berlin leide an einem Fachkräftemangel im Öffentlichen Dienst, an einer kaputtgesparten Verwaltung, mit negativen Folgen auch für die Wirtschaft. Um das zu ändern, müsse viel mehr passieren, so Stumpenhusen.
"Dazu gehören natürlich Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder etwas anderem. Auch die Bezahlung ist natürlich ein Thema."
Hier ist der Finanzsenator gefordert. Kollatz-Ahnen verweist auf seine Erfolge bei der Bezahlung und Einstellung.
"Da sind wir, glaube ich, besser als es häufig wahrgenommen wird."
Berlin hat in den zurückliegenden zwei Jahren jeweils rund 7000 Mitarbeiter eingestellt. 6000 weitere sollen jedes Jahr folgen. Bald ohne sachgrundlose Befristungen.
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