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Die Neuen im John-Lennon-Gymnasium

Wie kommen Schüler mit dem Umzug in die Hauptstadt klar? Gibt es spezielle Probleme, oder fällt den Neuen der Schulwechsel leicht? Forum Pisa hat sich an einem Berliner Gymnasium im Bezirk Mitte bei Schülern und Lehrern umgehört.

Von Agnes Steinbauer | 13.05.2005
    "In Baden-Württemberg die Leute sind viel verschlossener, also in Berlin wurde ich gleich in der Klasse aufgenommen, ganz freundlich und hab auch gleich Freunde gefunden..."

    Neu-Berlinerin Wiebke genießt das Großstadt-Flair – auch an ihrer Schule – dem John-Lennon-Gymnasium in Berlin-Mitte. Von der Kleinstadt Offenburg im Breisgau wechselte sie in die 11.Klasse nach Berlin und findet: Hier lernt sich `s besser:

    "Ich fühle mich hier einfach wohler und dann fällt einem alles leichter...ich bin von einer vier in Baden-Württemberg in Mathe auf ne zwei, aber sonst bin ich in allen Fächern gleich gut geblieben..."

    Ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle kann Schulleiter Jochen Pfeifer jedoch nicht feststellen, wenn er die Noten seiner zugezogenen Schüler von früher und jetzt vergleicht:

    "Wir haben hier in Berlin-Mitte natürlich viele Zuzüge aus anderen Bundesländern und insgesamt muß man sagen...es gibt keine signifikanten Abweichungen im Notenbild, zehn Prozent nach oben oder nach unten, das ist so der Normalfall...da sind die Unterschiede innerhalb der Stadt Berlin eher größer..."

    Bei Tilman aus Sangerhausen in Sachsen-Anhalt bestätigt sich das mit einer leichten Tendenz nach oben für seinen Notendurchschnitt:

    "Ich bin um 0,5 besser geworden von drei zu 2,5 und ich hab das Gefühl, ich werde noch besser..."

    Auch ihm fallen Naturwissenschaften hier leichter. Mathe und Chemie sind seine Schwerpunktfächer im Abitur. In Sangerhausen hätte er sich nicht nur auf zwei Leistungskurse konzentrieren können:

    "Es gab da eine Regelung, dass man da in der zwölften Klasse jedes Fach auf Leistungskurs unterrichtet wurde...Man hatte sehr wenig Möglichkeiten, sich zu spezialisieren...ich habe jetzt immer noch Kontakt zu den alten Freunden und höre die immer nur stöhnen..."

    Auch Schülerinnen aus dem nahen Brandenburg, möchten die Vorzüge des Berliner Schullebens nicht mehr missen. Das liegt aber sicher mit daran, daß Ling und Julia aus jeweils kleinen Orten zugezogen sind. Die Lehrer sind hier jünger und engagierter finden sie, Fächer wie "Darstellendes Spiel", also Theater, gab es dort nicht, und auch der geisteswissenschaftliche Unterricht sah etwas anders aus:

    "Die musischen Fächer und Deutsch sind ein bisschen anspruchsvoller, da wird man schon mehr gefordert...wir haben Klausuren geschrieben und ich habe eine echt schlechte Klausur für meine Verhältnisse. Ich hatte nur eine vier bekommen und war an meiner alten Schule in Deutsch wirklich gut...in Deutsch war, dass wir immer nur Klassiker behandelt haben, und hier: Frisch, Kafka...in Deutsch war das schon ein Unterschied, wir haben es halt theoretischer gemacht und nicht so modern..."

    Die Schüler - so scheint es – müssen ihre Noten zwar im Auge behalten. Das Abitur ist ja auch nicht mehr weit. Darüber hinaus sind sich alle vier aus drei verschiedenen Bundesländern über eine Sache einig:

    Tilman: "Man hat mehr Möglichkeiten, sich Sachen praktisch anzuschauen, auch vom Unterrichtsstil her läuft das Ganze sehr viel entspannter ab, man kann auch mal was im Unterricht trinken oder ohne groß zu fragen, auf die Toilette gehen..."

    Rektor Pfeifer sieht Unterschiede für Zugezogene zum Beispiel in der Fremdsprachenfolge. Oder bei den Naturwissenschaften, da ist Berlin strenger, als andere Bundesländer und macht noch in der elften Klasse Mathe, Physik und Chemie zur Pflicht. Bei einem späten Schulwechsel können dann Wissensdefizite auftreten, aber:

    "Die müssen sich dann schlichtweg dahinterklemmen. Das ist aber machbar innerhalb der Osterferien. Zumindest ein Nebenfach kann man partiell soweit aufholen, daß man dann dem Unterricht auch weiter folgen kann..."

    Scheitern wegen Umzugs - das erlebt Pfeifer an seiner Schule nicht. Der größte Unterschied liegt für ihn woanders:

    "Dass das Gymnasium in Berlin erst mit Klasse sieben beginnt, statt mit Klasse fünf in den meisten Bundesländern, das ist ein großer Unterschied - klar, aber von den Fächern her ist der Unterschied klein."

    Wiebke aus Baden-Württemberg nennt "Gemeinschaftskunde" jetzt "Politische Weltkunde" und dass Religion hier kein mehr Pflichtfach mehr ist, findet sie nicht weiter schlimm. Auch ihre Mitschüler sehen den Umzug positiv – mit wenigen Abstrichen:

    "Manchmal läuft es ein bisschen zu "laissez fair" für mich. Das läuft so, daß nur bestimmte Leute was machen...auf der anderen Seite hat das auch die Herausforderung, daß man sagt: ok, ich mache das jetzt für mich und nicht für den Lehrer..."