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Die NPD und die Parteienfinanzierung
Ein demokratisches Dilemma

Die NPD verfolge verfassungsfeindliche Ziele, sei aber zu unwichtig und klein, um verboten werden zu können: So begründete das Bundesverfassungsgericht im Januar sein entsprechendes Urteil. Die Innenminister der Ländern wollen der Partei nun über eine Änderung des Rechts der Parteienfinanzierung und des Waffenrechts Einhalt gebieten.

Von Gudula Geuther, Uschi Götz, Ludger Fittkau | 11.06.2017
    Teilnehmer einer Kundgebung der NPD sind am 01.05.2016 in der Innenstadt von Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) zu sehen. In der Landeshauptstadt wird der Tag der Arbeit durch einen Aufzug der rechtsextremen NPD überschattet. Die Veranstaltung wurde mit bis zu 300 Teilnehmern angemeldet, die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz. Foto: Jens Büttner | Verwendung weltweit
    Die Partei ist zu unwichtig und zu klein, als dass sie verboten werden könnte, so der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle über die NPD. (dpa/Jens Büttner)
    Es war bereits der zweite Versuch, die NPD verbieten zu lassen: Am 17. Januar stand mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fest, dass auch er misslungen war.
    "Nach einstimmiger Auffassung des zweiten Senats verfolgt die NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele, es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt."
    Die Partei ist zu unwichtig und zu klein, als dass sie verboten werden könnte, erklärt Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle damit und fügt selbst hinzu: Dieses Ergebnis könnte manche irritieren. Schließlich geht das Gericht selbst davon aus, dass die NPD die freiheitlich- demokratische Grundordnung beseitigen will.
    "Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an einer ethnischen definierten Volksgemeinschaft ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde aller, die dieser ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehören und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar."
    Das ist ein vernichtendes Urteil, eine Wesensverwandtschaft mit der NSDAP kommt nach Ansicht der Richter hinzu. Nur: Wer seine verfassungsfeindlichen Ziele noch nicht einmal theoretisch erreichen kann, sagen die Richter, für den bedarf es keines Parteiverbots – der schärfsten Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde. Und Voßkuhle fügt hinzu: Es ist eine zweischneidige Waffe.
    "Wir können handeln, wir müssen handeln"
    Diese Zurückhaltung ist neu, beim KPD-Urteil 1956, dem letzten Verbot, das in der Bundesrepublik ausgesprochen wurde, gab es ein solches Kriterium noch nicht. Mit ihrem Ansatz folgen die Verfassungsrichter Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. Das Ergebnis steht also erst einmal fest. Immerhin sei jetzt klar, so die Befürworter des Verbotsverfahrens, dass die NPD verfassungsfeindlich sei. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius mahnte im März im Bundesrat, auf diesem Ausspruch der Verfassungsrichter aufzubauen.
    "Wir können handeln, wir müssen handeln, heute und hier. Indem wir als Bundesländer gemeinsam und einstimmig den Schritt dazu machen, der NPD die staatliche Parteienfinanzierung zu entziehen."
    Inzwischen hat das Vorhaben Gestalt angenommen. Kurz nach dem Bundesrat haben – mit Hilfe aus dem Justiz- und dem Innenministerium – auch die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD Entwürfe zur Änderung der Verfassung und des Rechts der Parteienfinanzierung vorgelegt. Ab Montag werden die Innenminister von Bund und Ländern noch einmal darüber beraten, gleichzeitig ist schon absehbar, dass der Bundestag die Gesetze noch im Juni verabschieden wird. Angeregt hatte einen solchen Schritt das Bundesverfassungsgericht selbst.
    "Ob in einer solchen Situation auch andere Reaktionsmöglichkeiten sinnvoll sind, wie zum Beispiel der Entzug der staatlichen Finanzierung, hat nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern der verfassungsändernde Gesetzgeber zu entscheiden."
    Die drei Richter stehen nebeneinander; Voßkuhle verliest gerade das Urteil, das er in den Händen hält.
    Der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, verkündete am 17.01.2017 das Urteil im NPD-Verbotsverfahren im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. (Kai Pfaffenbach / REUTERS POOL / dpa)
    Mit dieser "Situation" meinen die Richter ein Novum in der deutschen Parteienlandschaft, das der Düsseldorfer Parteienrechtsexperte Matin Morlok beschreibt:
    "Wir haben durch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts drei Arten von Parteien: Wir haben die Parteien, die verfassungsmäßig sind, oder bei denen jedenfalls nicht festgestellt worden ist, dass sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Dann haben wir Parteien, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, und die verboten worden sind, verfassungswidrig nennt man das jetzt. Und wir haben eben Parteien, die mangels politischer Relevanz nicht verboten wurden, aber verfassungsfeindliche Ziele verfolgen."
    Parteien müssen gleich behandelt werden
    Das ist deshalb eine ganz neue Situation, weil an sich der eherne Grundsatz gilt: Parteien – und nach dem Recht existierende Parteien sind eben nur die nicht verbotenen – müssen gleich behandelt werden. Das folgt aus dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. Der hat gewichtige Gründe, sagt Martin Morlok.
    "Parteien stehen im Wettbewerb miteinander. Und Parteien sind – auch ohne böse Absicht – leicht der Auffassung, dass der politische Gegner ganz böse sei und man müsse ihn bekämpfen. Und von Rechts wegen muss man eben alle Parteien strikt gleich behandeln."
    Noch im KPD-Urteil hatten die Verfassungsrichter diesen Grundsatz der Chancengleichheit als so zentral angesehen, dass sie ihn zu den Elementen zählten, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausmachen. Als sich im Januar abzeichnete, dass der eherne Grundsatz nun durchbrochen werden kann, sammelten Verantwortliche vor allem in den Ländern Ideen – weit über den Stopp der Parteienfinanzierung hinaus.
    Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz, hatte noch im Gerichtssaal laut überlegt, dass das Verdikt der Verfassungsfeindlichkeit nicht nur für die Partei Konsequenzen haben könnte, sondern möglicherweise auch für ihre Mitglieder.
    "Wir haben natürlich auch starke Indizien für andere öffentliche Ämter, wo die Verfassungsfrage eine wichtige ist – denken Sie an Beschäftigung im öffentlichen Dienst, oder an die Besetzung von wichtigen Positionen, wo eben gerade das Bekenntnis zu unserer Verfassung eben auch eine deutlich wichtige Rolle spielt."
    Die Frage ist heikel. Der Parteienrechtsexperte Morlok warnt. In den siebziger Jahren sei der Staat mit dem Radikalenerlass davon ausgegangen, dass schon die Mitgliedschaft in einer Partei für die Unzuverlässigkeit einer Person spreche. Heute gelte das nicht mehr.
    Trotzdem: Einzelne Bundesländer ergreifen bereits konkrete Maßnahmen: Im Waffenrecht. Auch das soll Thema der am Montag beginnenden Innenministerkonferenz sein. Der Blick nach Baden-Württemberg zeigt, dass die Vorbereitungen laufen:
    Freitagabend. Mitglieder der Kreisjägervereinigung Tübingen treffen sich zum Schießtraining im Schützenhaus. Zwischen den Übungsdurchgängen ist immer wieder Gelegenheit für kurze Gespräche. Zurzeit geht es wieder einmal um Waffenbesitzer im Land. Die Jäger wehren sich gegen reflexartige Unterstellungen, wie sie wieder aufkommen könnten. Grund: Die Behörden in Baden-Württemberg prüfen seit Beginn des Jahres verstärkt, ob Waffenscheinbesitzer einer rechts- oder linksextremistischen Gruppierung zugeordnet werden können. Walter Jäger, Chemieprofessor und Kreisjägermeister stellt klar:
    "Weil wir Jäger sind natürlich auf keinen Fall Extremisten, sondern wir sind, und das ist auch belegbar durch verschiedene Statistiken, sehr ausgesprochen, sehr gesetzestreue Bürger."
    Die Tübinger Jäger treten der Diskussion gelassen entgegen. Im Januar ging ein Erlass heraus, der die Entwaffnung von sogenannten "Reichsbürgern" im Land anordnete.
    Etwa 350 Demonstranten aus dem rechten Lager, darunter Anhänger der NPD, von HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten), von Pegida sowie Reichsbürger und rechte Burschenschaftler protestieren auf einer Kundgebung unter dem Motto "Gemeinsam für Deutschland" auf dem Washingtonplatz.
    Ähnliche Gesinnungen: In Berlin demonstrierten 2015 unter anderem Anhänger der NPD und der Reichsbürger-Bewegung unter dem Motto "Gemeinsam für Deutschland". (imago/Christian Mang)
    Mitte Mai erfolgte der zweite Erlass in Richtung Extremisten: Auch NPD-Parteimitglieder und -Anhänger sollen laut Anordnung des baden-württembergischen Innenministeriums ab sofort entwaffnet werden.
    Mit Abstand mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei in Deutschland und im Südwesten
    CDU-Landesinnenminister Thomas Strobl begründet das Vorgehen seines Ministeriums mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts:
    "Bei der NPD haben wir nun eine klare verfassungsrechtliche Lage, weil das Bundesverfassungsgericht erst vor sehr kurzer Zeit der NPD, klar Verfassungsfeindlichkeit attestiert hat."
    Die NPD ist die mit Abstand mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei in Deutschland und im Südwesten. Dies geht aus dem jüngsten baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht hervor.
    Demnach sind im Südwesten derzeit rund 390 NPD-Parteimitglieder namentlich bekannt. In Kürze wird geprüft, wer von den Extremisten im Besitz eines Waffenscheins bzw. einer Waffe ist.
    Als Rechtsgrundlage dient den zuständigen Behörden dabei das Waffengesetz. Unter Paragraf 5 sind unter dem Stichwort "Zuverlässigkeit" der Waffenbesitz und Umgang geregelt. Als unzuverlässig gelten demnach Waffenbesitzer, die geltende Gesetze ablehnen und sie möglicherweise auch aktiv bekämpfen. Innenminister Strobl fasst die Haltung der grün-schwarzen Landesregierung zusammen:
    "Dass Waffen in überhaupt keine Extremistenhände gehören, sei es der Rechtsextremismus, sei es der Linksextremismus."
    Bei der Anwendung des Waffengesetzes haben die Bundesländer jeweils die Hoheit:
    "Deswegen werden wir uns als Nächstes die NPD vornehmen."
    Wie etwa auch in Sachsen überprüfen die Behörden also Mitglieder und Anhänger der Partei. Der Parteienrechtsexperte Martin Morlok mahnt auch hier, man werde sich jeden Einzelfall genau ansehen müssen.
    In einer anderen Hinsicht aber – soweit es um die gesamte Partei und ihre Finanzen geht – hält er Konsequenzen für die NPD für möglich – und sogar für geboten.
    "Wir geben unser Steuergeld ungern dafür aus, unsere politische Ordnung abzuschaffen. Sie kennen ja den alten Spruch: nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber. Noch schlimmer: Nur die allerdümmsten Kälber finanzieren ihre Metzger selber. Deswegen ist es richtig, dass man eine Partei, von der das Verfassungsgericht selbst festgestellt hat, dass sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, nicht mit Steuergeldern unterstützt."
    Lex-NPD wird es nicht geben können
    Verfassungsrechtliche Zweifel an solchen Sanktionen äußert vor allem die NPD selbst. Noch im Karlsruher Sitzungssaal reagierte der Anwalt der Partei Peter Richter auf die Anregung des Zweiten Senats:
    "Das Gericht hat lediglich gesagt, dass über eine solche Frage der verfassungsändernde Gesetzgeber entscheiden müsste. Dann müsste dieser Gesetzgeber erst einmal einen Entwurf auf den Tisch legen. Dieser müsste natürlich seinerseits dem geltenden Verfassungsrecht entsprechen. Also eine solche Lex-NPD wird es definitiv nicht geben können."
    Eine Lex-NPD, ein Gesetz also, das nur für diese Partei gilt, dürfte es tatsächlich nicht geben. Wohl aber eines, das derzeit nur für die NPD gelten kann – später aber vielleicht auch für andere Parteien. Die meisten Experten haben keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn tatsächlich muss man zwar die Hinweise der Verfassungsrichter nicht als Anregung verstehen. Man könnte darin auch die Mahnung sehen, finanzielle Konsequenzen nur mit einer Änderung des Grundgesetzes zu ziehen, wie es der NPD-Anwalt tut. Aber so oder so ist klar: Wenn die Verfassung geändert wird, halten die Richter diesen Weg für möglich. Allerdings sind die Hürden hoch. Die Idee, der NPD Gelder zu streichen, ist keineswegs neu. Schon 2009 hatte der damalige Innenminister von Thüringen Peter Michael Huber den Schritt angeregt, heute ist er Verfassungsrichter.
    Eine andere Frage ist, wie man einen solchen Schritt politisch und aus demokratischer Sicht bewertet. In einer Anhörung kritisierte der Dresdener Rechtsanwalt Johannes Lichdi, die winzige NPD, die kaum Wählerstimmen bekomme, könne einen solchen Schritt in der Öffentlichkeit als Argument für sich verbuchen und sich als verfolgte Unschuld darstellen.
    "Die Demokratie tut sich keinen Gefallen, wenn sie offensichtlich Parteien ungleich behandelt, weil das tatsächlich die Märtyrerrolle stärkt."
    Und – wie auch grüne Politiker im Bundestag und im Innenausschuss – warnt Lichdi vor dem Dammbruch. Wo ist die Grenze der Ungleichbehandlung?
    "Man könnte mit dem gleichen Recht, mit den gleichen verfassungsrechtlichen Argumenten, reinschreiben: Verfassungsfeindliche Parteien dürfen nicht mehr im Rundfunk werben und Plakate auf der Straße aufhängen. Wenn Sie so einen Grundgesetzartikel jetzt schreiben würden, dann wäre der nach der Argumentation, wie die hier mehrheitlich vertreten wurde, genauso zulässig."
    Das sind Ideen wie sie auch schon aus dem Saarland und aus Rheinland-Pfalz kamen – und wie sie die Experten für Staats- und Parteienrecht durchweg ablehnen. Auch der Gesetzentwurf verfolgt solche Ideen nicht weiter. Martin Morlok findet, Werbung muss der Partei in jedem Fall erlaubt sein:
    "Wenn man einer Partei diese Möglichkeit wegnimmt, so wäre es letztlich nichts anderes als ein Verbot auf kaltem Wege. Wenn wir jetzt sozusagen ein kleines Verbot haben – keine staatliche Finanzierung -, dann kann man das nicht uferlos ausweiten."
    ARCHIV - Die Parteimitglieder stehen am 21.11.2015 in Weinheim (Baden-Württemberg) zu Beginn des NPD-Bundesparteitags in der Stadthalle und singen. Foto: Jan Peters/dpa (zu lsw: «Stadt Weinheim verbietet NPD-Versammlungen in städtischen Sälen» vom 10.12.2015) | Verwendung weltweit
    Die NPD habe eine Wesensverwandtschaft mit der NSDAP, so das Bundesverfassungsgericht über die Partei. (dpa/Jan Peters)
    Es bleibt die Schwierigkeit: Ganz klar ist die Grenze nicht zu ziehen. Wäre es nicht auch "unerträglich", wenn eine verfassungsfeindliche Partei im gebührenfinanzieren Rundfunk auftreten darf? Und wie weit trägt ein solches Dammbruchargument? Grenzziehungen sind auch sonst nicht einfach. Das zeigt sich sogar in Fragen der Finanzierung. Was, wenn es nicht um die Partei, sondern um Fraktionen geht? Wie sieht es in den Kommunalparlamenten aus? Im hessischen Ort Büdingen wollte man nach dem Karlsruher Urteil schnell reagieren. Und stieß an harte Grenzen:
    Erich Spamer ist der Bürgermeister der hessischen Stadt Büdingen. 21 000 Menschen leben hier, rund 50 Kilometer nordöstlich von Frankfurt am Main. Vor Gericht streitet sich der Politiker der Freien Wähler- Gemeinschaft gerade mit der NPD – in mehreren Verfahren. Erich Spamer verweist auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
    "Das hat uns veranlasst aufgrund des Hinweises, dass man ja die Parteienfinanzierung streichen kann, unsere Satzung zu ändern, damit die NPD keine Fraktionsgelder mehr bekommt. Es geht da lediglich um einen Betrag von 310 Euro im Jahr. Aber das Entscheidende für die Stadt Büdingen und ihre Bürger ist, dass man ein Zeichen setzt, dass man mit staatlichen Geldern nicht Parteien finanzieren darf und soll, die an den Grundfesten des Staates rütteln."
    Es geht ums Prinzip
    Doch die NPD klagte mit Erfolg gegen die neue Entschädigungssatzung der Stadt Büdingen. Die rechtsextreme Partei errang bei der letzten Kommunalwahl wegen des Protestes gegen eine neue Asylbewerberunterkunft 10 Prozent der Wählerstimmen. Unlängst setzte sie sich auch im Streit mit der Mehrheit der Büdinger Stadtverordnetenversammlung beim hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel durch. Daniel Lachmann ist Fraktionsvorsitzender der NPD in Büdingen und Bundesvorstandsmitglied der Partei:
    "Ja, es geht darum, dass halt die Stadt Büdingen uns die finanziellen Mittel verwehren will. Das Verfahren wird 20.000 Euro kosten, wenn die Stadt in der zweiten Instanz unterliegt. Und das ist ja gar nicht zu rechtfertigen, mit den 310 Euro im Jahr."
    Doch der Parteienmehrheit im Büdinger Stadtparlament geht es - wie auch Bürgermeister Erich Spamer - ums Prinzip. Deswegen will die Stadt nun in Revision gehen - vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig:
    "Ja, es sind Kosten. Hier geht es aber um eine grundsätzliche Angelegenheit und da hat das zurückzustehen. Es geht um den Schutz des demokratischen Rechtsstaates und da kann man auch ein bisschen Geld opfern."
    Der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte argumentiert, es müsse bei der Frage der Fraktionsgelder beachtet werden, dass es einen Unterschied zwischen einer Parlamentsfraktion und der Partei gebe, die hinter dieser Fraktion stehe. Die Büdinger NPD-Stadtratsfraktion müsse den anderen Fraktionen im Ortsparlament gleichgestellt werden. Diese Rechtsauffassung teilt der Büdinger Bürgermeister Erich Spamer nicht. Er sieht eine enge Verzahnung zwischen Partei und NPD-Fraktion. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig wird nicht vor 2018 erwartet. Auch in einem zweiten Rechtsstreit unterlag die Stadt Büdingen aktuell in erster Instanz. Gerichtlich fehlt hier also das letzte Wort. Klar ist: Gelder für Fraktionen zu streichen ist – wenn überhaupt - sehr viel schwieriger als im Fall von Parteien. Die Entwürfe für Verfassungs- und Gesetzesänderungen sehen nur Konsequenzen für Parteien vor – und für Parteispender. Sie sollen die Gelder nicht mehr absetzen können.
    Vor allem aber soll eine solche Partei eine Bewährungsmöglichkeit bekommen. Nach sechs Jahren – so lautet der letzte Kompromiss der Koalition – sollen die Staatsgelder wieder fließen. Es sei denn, Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung beantragten, die Sanktionen fortzuführen. In der Regel werden sie das wohl wollen, sie behalten aber das Verfahren in der Hand. Und das heißt auch: Sie wüssten, wann der Staat seine Informanten aus der Partei abziehen müsste. Denn auch für ein solches Verfahren müsste eine Partei "sauber" von staatlicher Einflussnahme sein. In jedem Fall könnte dieser Passus bedeuten, dass sich die Öffentlichkeit – wie schon bisher – in großer Regelmäßigkeit mit der NPD auseinandersetzen muss.
    "Das führt nur unter der Voraussetzung dazu, dass wir uns wieder mit der NPD beschäftigen müssen auch vor dem Karlsruher Gericht, wenn die NPD dann noch existiert. Und danach sieht es ja nicht unbedingt aus."
    Glaubt Martin Morlok. Erst einmal aber existiert sie noch und zeigt sich kämpferisch. Ihr Anwalt Peter Richter hat angekündigt:
    "Falls tatsächlich in dieser Hinsicht irgendwelche Gesetze beschlossen würden, würden wir die selbstverständlich auch hier wieder einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle zuführen."
    Das könnte bald sein. Ohnehin aber dürfte das Bundesverfassungsgericht bald mit dem neuen Gesetz zu tun bekommen. Denn je mehr Zeit seit dem NPD-Urteil vergeht, desto älter ist auch das Verdikt der Verfassungsfeindlichkeit. Irgendwann müsste es wieder überprüft werden. Das heißt: Der ganze Aufwand eines Verbotsverfahrens müsste wiederholt werden. Um das zu vermeiden, so raten die Rechtswissenschaftler, müsste der Antrag auf Verlust der Parteienfinanzierung für die NPD bald in Karlsruhe eingehen.