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Die Öffentlich-Rechtlichen in Zeiten des Internets

Am 1. Januar 2013 wird die bisherige geräteabhängige Rundfunkgebühr in einen einheitlichen Rundfunkbeitrag pro Haushalt umgewandelt. Wir erklären die Vor- und Nachteile des neuen Bezahlsystems - und was es finanziert.

Von Brigitte Baetz | 27.12.2012
    "Ich finde es nicht cool, jeder sollte selbst entscheiden können, was er gucken möchte und dementsprechend auch bezahlen. Also einfach was aufdrücken, find ich unfair."

    "Dass das Modell sich ändert, ich glaub, das war einfach notwendig, und das finde ich gut, dass da was getan wurde."

    "Das muss bezahlt werden, das ist klar, und dann ist das auch gerecht. Das ist gerechter als eine GEZ, die einige Menschen eben nicht bezahlen."

    "Wird teuerer, nicht gut, wo wir Rentner sind."

    "Ich finde es eigentlich nicht ok, weil halt voll viele in Mitleidenschaft gezogen werden, die kein Gerät haben."

    "Jeder bezahlt und jeder ist fällig, gleiches Recht für alle. Das steht fest."

    Schon vor seiner Einführung ist er umstritten: der Rundfunkbeitrag, der ab dem 1. Januar 2013 fällig wird. Ausgehandelt wurde er von den Ministerpräsidenten der Bundesländer, denn Rundfunk ist Ländersache.

    Zahlen müssen Zuschauer und Hörer dann nicht mehr für ein Empfangsgerät, sondern für eine Wohnung oder Betriebsstätte. Der Grund für die Umstellung: Hörfunk und Fernsehen werden in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr nur über spezielle Rundfunkgeräte empfangen.

    Die Sender, ob öffentlich-rechtlich oder privat, haben sich längst darauf eingerichtet. Sie stellen einzelne Sendungen in sogenannten Mediatheken bereit oder übertragen ihre Programme via Live-Stream im Internet. Angebote wie die inzwischen 60 Jahre alte Tagesschau sind auch als sogenannte Apps, also als Angebote für Smartphone und Tablet-PCs, sehr gefragt.

    "Jeden Tag sehen Millionen Menschen die Ausgaben der Tagesschau im Fernsehen und im Internet. Die Tagesschau Smartphone Application ermöglicht nun auch unterwegs und mobil einen komfortablen Zugriff auf alle Meldungen. Ob Tagesschau, Tagesthemen, Nachtmagazin, Wochenspiegel oder die Nachrichten des Informationskanals Eins Extra, alle Sendungen können live angesehen werden. Bis zu zwölf Stunden Nachrichten täglich."

    In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Computer, Tablet-PCs und Smartphones stark zugenommen – eine Koppelung der Rundfunkgebühren an einzelne Empfangsgeräte wurde damit problematisch. Für jedes einzelne Gerät extra Gebühren einzuziehen, schien weder praktikabel noch sinnvoll – zumal, wenn es sich um Geräte handelt, die nicht in erster Linie zum Rundfunkempfang gekauft werden. Schon die Rundfunkgebühren für internetfähige PCs waren politisch fast nicht durchsetzbar, sagt Marc Jan Eumann, Staatssekretär für Medien in Nordrhein-Westfalen:

    "Die Länder haben richtigerweise erkannt, dass natürlich ein Personalcomputer mit Internetanschluss auch ein Fernsehempfangsgerät ist, und haben deswegen im Staatsvertrag geregelt, dass für dieses Fernsehempfangsgerät auch eine Rundfunkabgabe fällig ist. Das gab einen erheblichen Aufschrei. Wenn Sie das Bild übersetzen auf jedes Smartphone, hätten wir bald eine Debatte darüber gehabt, ob nicht auch für Smartphones dann die Rundfunkgebühr gerätebezogen fällig gewesen wäre und diese Debatte galt es zu vermeiden, und deswegen haben die Länder sich zu diesem sehr grundsätzlichen Systemwechsel entschlossen."

    Für die meisten Bürger ändert sich durch den Grundsatz "Eine Wohnung – ein Beitrag" nichts, sofern sie Fernseher und Radiogerät angemeldet haben. Wer allerdings bislang auf Fernsehen verzichtet hat, muss nun trotzdem den vollen Betrag zahlen. Ein Splitting gibt es nicht mehr. Er könne nachvollziehen, dass manche Bürger darüber verärgert seien, sagt Willi Steul, Intendant des Deutschlandradios:

    "Es gibt etliche 100.000 Menschen, die sich bewusst dafür entscheiden, dass sie nur Radio hören. Und die müssen jetzt mit 17,98, der vollen Gebühr, das Dreifache zahlen. Dafür kann man kein wirkliches Verständnis finden. Das tut mir fast weh. Aber wissen Sie, es gibt eine Grundüberlegung des Bundesverfassungsgerichtes, die sehr gut nachvollziehbar ist. Die Gebühr, die Abgabe, legitimiert sich dadurch, dass dieser öffentlich-rechtliche Rundfunk, also auch wir, zu einer Meinungsbildung in der Gesellschaft, zur Politikfähigkeit der Gesellschaft beiträgt und dass dieser öffentlich-rechtliche Rundfunk von allen deshalb zu tragen ist, in der Gebühr."

    Hinter einer einheitlichen Abgabe für alle steht auch die Überlegung, dass heutzutage fast jeder, der durch das Internet surft, auch das Fernsehen nutzt. Denn die Besonderheit und die Stärke des Netzes sind ja gerade die Verlinkung und die Aufhebung der Grenzen zwischen Text-, Ton- und Bildangeboten. In Blogs oder auf Facebook-Seiten wird auf Beiträge hingewiesen und kaum jemand wird einen Fernsehclip, auf den er im Netz stößt und dessen Thema ihn interessiert, nicht ansehen, nur weil er keine Fernsehgebühren bezahlt hat.

    Doch wer zahlt eigentlich was? Zum Beispiel in Privathaushalten?

    Pro Wohnung wird nur noch ein Beitrag fällig: 17 Euro 98. Das gilt auch für Wohngemeinschaften oder Familien mit erwachsenen Kindern, die noch zu Hause wohnen. Diese werden also entlastet, mussten sie doch vorher getrennt ihre Rundfunkgeräte anmelden. Und: Alle Privatautos sind in der Abgabe für die Wohnung enthalten. Neu ist: Auch Behinderte müssen zahlen, allerdings einen ermäßigten Satz von 5 Euro 99. Damit hat die Politik eine Forderung des Bundessozialgerichts umgesetzt. Es hatte entschieden, dass die bisherige Komplettbefreiung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung darstellte. Taubblinde sind natürlich weiterhin von einer Abgabe befreit.

    Etwas komplizierter wird es bei den sogenannten Betriebsstätten.

    Sie werden nach der Zahl ihrer Mitarbeiter gestaffelt veranlagt, erklärt der Justiziar des Südwestrundfunks, Hermann Eicher:

    "Nehmen wir einen kleinen Handwerksbetrieb mit etwa acht Mitarbeitern und einem Kraftfahrzeug: Der zahlt 5,99 Euro, und damit sind sämtliche Geräte, die er bereithält, abgegolten."

    Allgemein gilt: Für kleine Betriebsstätten bis zu acht Mitarbeitern, für Kraftfahrzeuge, die zu einer Betriebsstätte gehören, für Hotel– und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen werden jeweils 5 Euro 99 gezahlt. Das erste Kraftfahrzeug einer Betriebsstätte ist beitragsfrei. Für größere Betriebsstätten werden Staffelbeiträge je nach Anzahl der Beschäftigten fällig.

    Das klingt zunächst kompliziert, ist aber, wie SWR-Justiziar Hermann Eicher versichert, wesentlich weniger aufwendig als vorher. Für 90 Prozent der Bürger ändere sich gar nichts. Bei gemeinnützigen Einrichtungen gilt folgende Regelung:

    So wie private Firmen auch müssen sie 5 Euro 99 zahlen, wenn sie nicht mehr als acht Mitarbeiter beschäftigen. Maximal wird ein Betrag von 17 Euro 98 pro Betriebsstätte fällig. Mit diesem Betrag sind dann jeweils auch alle Kraftfahrzeuge abgedeckt. Kindertagesstätten waren früher von der Rundfunkgebühr befreit, den neuen Rundfunkbeitrag müssen nun auch sie zahlen. SWR-Justiziar Eichler erklärt, warum:

    "Das hat der Gesetzgeber deshalb gemacht, um eine Verwaltungsvereinfachung herbeizuführen. Mit den Anträgen auf Befreiung, da gab's halt immer wieder Schwierigkeiten, weil die dann vergessen wurden und dann nachträglich korrigiert werden sollten. Also, da gilt in der Zukunft die einfache Regel: Ein Beitrag, und damit ist alles abgegolten."

    Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass ein leistungsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk unverzichtbar ist für das Funktionieren einer Demokratie. Er sei zuständig für die sogenannte Grundversorgung. Das heißt, er muss informieren, bilden und unterhalten, über Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Kultur berichten, um Meinungsvielfalt zu garantieren. Im vierten Rundfunkurteil von 1986 erklärte das Gericht unter Vorsitz von Roman Herzog, dass private und öffentlich-rechtliche Sender zwar auf technischem Gebiet über kurz oder lang gleichziehen würden, stellte aber auch fest:

    "Unabhängig davon kann von privatem Rundfunk kein in seinem Inhalt breit angelegtes Angebot erwartet werden, weil die Anbieter zur Finanzierung ihrer Tätigkeit nahezu ausschließlich auf Einnahmen aus Wirtschaftswerbung angewiesen sind. Die Anbieter stehen deshalb vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit, möglichst massenattraktive, unter dem Gesichtspunkt der Maximierung der Hörer und Zuschauerzahlen, erfolgreiche Programme zu möglichst niedrigen Kosten zu verbreiten."

    Die Entscheidung für den neuen Rundfunkbeitrag war dennoch eine politische Entscheidung. Wie der Jurist Volker Boehme-Neßler sagt, ist durch das Grundgesetz allein vorgegeben, dass es einen leistungsfähigen Rundfunk geben muss, um eine demokratiefähige Öffentlichkeit herzustellen:

    "Ob das öffentlich-rechtlich oder privat ist, ist demgegenüber sekundär. Es ist völlig klar: Es kann sein, dass in zehn Jahren mal das System geändert wird. Das System ist nicht auf Dauer sakrosankt festgeschrieben. Aber im Augenblick ist tatsächlich, was die Ernsthaftigkeit und die Fundiertheit angeht, ist das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem deutlich besser."

    Grundversorgung, so legte das Bundesverfassungsgericht in einem nächsten Urteil dar, bedeute aber nicht Mindestversorgung. Das heißt: Der durch Gebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk soll auch Massenprogramme anbieten. Er darf nicht darauf festgelegt werden, allein Sendungen zu produzieren, die nur ein kleines Publikum erreichen und die für einen Privatsender nicht kommerziell genug sind. Und: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine Bestands- und Entwicklungsgarantie, die sicherstellt, dass er sich auch in den digitalen Medien positionieren kann und muss.

    Verlage und kommerzielle Fernsehsender sehen damit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Konkurrenz. Die Privatsender monieren, dass ARD und ZDF bei attraktiven Sport- und Filmrechten mitbieten. Die Verlage beklagen, die Öffentlich-Rechtlichen würden im Netz eine Art elektronische Presse zur Verfügung stellen, also beispielsweise verschriftlichte Beiträge. Deswegen haben einige von ihnen eine Klage gegen die Tagesschau-App angestrengt. Und sie haben auf die Regelung gedrängt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Beiträge im Internet nach einer gewissen Zeit löschen müssen.

    Matthias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlages, erklärte gegenüber dem Sender Phoenix, er sei ein erklärter Befürworter des Dualen Systems, also der Koexistenz des privaten Sektors mit ARD und ZDF, beklagte aber, dass sich ...

    " ... die öffentlich-rechtlichen Sender, die sich durch Gebühren, durch Zwangsgebühren, finanzieren und dadurch natürlich auch andere Inhaltekategorien bedienen können, weil sie einfach weniger abhängig von der direkten Refinanzierung sind und damit auch andere Qualitätsstandards bieten können. Das ist eigentlich eine ganz wunderbare duale Ordnung, die darf man jetzt nur nicht ins Wanken bringen, indem Öffentlich-Rechtliche diese Gebühren benutzen, um Gratisangebote im Internet zu machen, die für die Konsumenten gefühlt kostenlos sind, de facto sind sie ja schon durch die Gebühren bezahlt, aber das sieht keiner, wenn er eine Süddeutsche-App und eine Tagesschau-App nebeneinander hat. Für die eine muss er was bezahlen, für die andere nicht. Dann ist das eine für ihn gefühlt kostenlos. Das ist für uns Verlage schon ein Problem."

    So wie Matthias Döpfner sprechen auch viele andere Kritiker des Rundfunkbeitrags von einer "Zwangsgebühr". Diesen Begriff hält der Berliner Rechtswissenschaftler und Politologe Volker Boehme-Neßler allerdings sachlich für nicht gerechtfertigt:

    "Das ist ein polemischer Begriff, das ist ein emotional aufgeladener Begriff, der letztlich tatsächlich Stimmung gegen diesen Beitrag macht. Dieser Beitrag ist letztlich etwas völlig Normales. Wir alle, alle Bürger, zahlen in allen möglichen Bereichen Beiträge dafür, dass der Staat uns eine bestimmte Infrastruktur zur Verfügung stellt, völlig unabhängig davon, ob wir diese Infrastruktur nutzen wollen oder nicht, und wieso soll das bei einer so wichtigen Sache wie dem Rundfunk anders sein?"

    Die besondere Aufmerksamkeit der Verlage gegenüber dem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen System ist auch deshalb in den vergangenen Jahren gewachsen, weil mit Journalismus im Internet bislang kein Geld zu verdienen ist – und das bei sinkenden Verkaufszahlen der gedruckten Blätter. Der Intendant des Deutschlandradios, Willi Steul, äußert deshalb Verständnis:

    "Ich glaube, wir müssen das alle übrigens mit Bedauern sehen, ist, unter welchen Druck die Verlage kommen, wie ihnen das klassische Geschäftsmodell der Refinanzierung ihrer Leistung zerbröselt. Es kann der Gesellschaft nicht gleichgültig sein, wenn eine Zeitung wie die Financial Times Deutschland aufgibt, wenn eine Traditionszeitung wie die Frankfurter Rundschau aufgeben muss. Hier ist eine Tendenz, die nicht wirklich zum Guten ist. Wir müssen die Herausforderung des Internets aufnehmen. Ich glaube auch, dass wir gut daran tun als öffentlich-rechtlicher Rundfunk, nach Wegen zu suchen, wie wir Qualitätsjournalismus, den wir machen, wie wir den vielleicht auch mit Verlagen zusammenbekommen, um uns gegenseitig zu stützen."

    Die Verlage suchen nach neuen Wegen, sie experimentieren mit sogenannten Bezahlschranken. Sollten sie damit Erfolg haben, wären journalistische Informationen im Netz, soweit sie von Zeitungen kommen, in Zukunft kostenpflichtig. Der Journalist und Blogger Stefan Niggemeier findet es verständlich, dass sich die kommerziellen Sender und die Verleger an der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reiben, aber:

    "Ja, es ist ne Marktverzerrung, ich glaube aber, es ist eine, die sich ne Gesellschaft leisten kann und sollte. Also, wenn man sich die Diskussion anguckt, zum Beispiel, wie finanzieren wir Nachrichten im Internet: Am allerliebsten würden die Verlage sich alle zusammentun und sagen: Die beste Chance, dass wir unsere Angebote, unsere Qualität refinanzieren können, ist, wenn wir überall Bezahlschranken davor machen, wenn wir uns zusammentun und sagen: Alles, was Qualität hat, findet nur noch statt, wenn Leute Geld dafür zahlen. Das ist aus deren Sicht vielleicht kommerziell sinnvoll, aus der Sicht der Gesellschaft würde es aber bedeuten, dass plötzlich ganz viele Leute nur dann Zugang zu Informationen, zu guten Informationen bekommen, wenn sie dafür zahlen."

    Zahlen müssen die Bürger natürlich auch den neuen Rundfunkbeitrag. Allerdings kann man sich, wie bisher, aus sozialen Gründen davon befreien lassen, erklärt der Justiziar des SWR, Hermann Eicher:

    "Man muss einen Antrag stellen, und es muss diesen Befreiungsantrag ein vorgängiger Sozialbescheid vorausgehen, also wer einen Bescheid hat für Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter, ALG II, Hartz IV, BAföG, da gibt es einen ganzen Katalog im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, und wer diese Voraussetzungen erfüllt, der fügt seinen Sozialbescheid einem Befreiungsantrag bei und beantragt die Befreiung, und das ist eigentlich alles."

    Sprecherin
    Trotz des vereinfachten Verwaltungsaufwandes für die GEZ, die bald Beitragsservice heißen wird, und der Vereinfachung der Regeln für die Bürger, rechnen Juristen mit Klagen gegen die Gebührenumstellung. Eine erste gibt es bereits: Der Rechtsassessor Ermano Geuer von der Universität Passau hat Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof erhoben.

    "Ich bin jetzt kein genereller Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und meine, das ist ein System, das es jetzt gar nicht geben sollte. Es war einfach auch mal der juristische Reiz, diese Regelung auszuprobieren, weil es eine ganz neue Regelung gibt, zu der es auch noch keine Judikatur gibt und nicht so viel Ansichten in der Literatur, ist es natürlich interessant als Jurist sich damit auseinanderzusetzen, Neuland zu betreten."

    Geuer argumentiert in zwei Richtungen. Zum einen sieht er in der Abgabe für alle Bürger, egal ob sie Empfangsgeräte besitzen oder nicht, einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot. Zum anderen hält er die Abgabe für eine Steuer, die gar nicht von den Ministerpräsidenten hätte beschlossen werden dürfen. Volker Boehme-Neßler, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, widerspricht:

    "Gleichheitsgrundsatz heißt, dass grundsätzlich alles gleich behandelt werden muss, aber es kann ungleich behandelt werden, wenn es sachliche Gründe dafür gibt. Das ist der entscheidende Punkt. Also es heißt keine sklavische Gleichbehandlung, sondern eine sachlich fundierte Ungleichbehandlung ist möglich, und ich glaube, dass es hier eine sachliche Begründung für diese Ungleichbehandlung gibt. Es geht darum, ein funktionierendes Gebührensystem zu installieren, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanzieren kann. Und dafür ist es nötig, die Ausnahmen so gering wie möglich zu halten."

    Auch eine Steuer sei der Beitrag nicht, sagt Boehme-Neßler:

    "Eine Steuer zahlen die Bürger und Bürgerinnen dafür, dass der Staat funktioniert. Sie zahlen das, ohne eine spezielle, konkrete Gegenleistung zu bekommen oder in Anspruch zu nehmen. Darum geht's hier nicht. Die Abgabe wird nicht einfach so gezahlt. Es geht darum, dass man eine abstrakte Gegenleistung bekommt."

    Und diese abstrakte Gegenleistung ist das öffentlich-rechtliche System, das man nutzen kann, aber natürlich nicht nutzen muss. Doch unabhängig davon, wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof entscheiden wird: Ermano Geuer hat mit seiner Klage einen Nerv getroffen.

    "Es melden sich vor allem Privatpersonen, die betroffen sind, die zurzeit nur ein Radio haben oder die sich lediglich übers Internet informieren, und das dann für den Rundfunk nutzen, und keinen Fernseher haben, weil, für die bedeutet das schon eine relativ große Erhöhung, und wenn Sie jetzt nur eine kleine Rente haben beispielsweise, das ist, was mir einige Privatpersonen geschrieben haben, dann ist natürlich die Erhöhung von, sagen wir mal, ungefähr 5 Euro 90 auf ungefähr 18 Euro schon eine ziemlich große finanzielle Belastung."

    Die öffentlich-rechtlichen Sender haben über die Gebühren zuletzt 7,5 Milliarden Euro pro Jahr eingenommen.

    Finanziert werden davon: das Erste Deutsche Fernsehen, das ZDF, ARTE, 3Sat, Phoenix, sämtliche Dritten Programme, Digitalkanäle wie ZDF Neo und ZDF Kultur, das gesamte Hörfunkangebot der ARD und das Deutschlandradio mit Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur und DRadio Wissen. Hinzu kommt das Internetangebot der Sender, inklusive ihrer Mediatheken und Podcast-Angebote, mit dem man zeitsouverän Sendungen anhören und ansehen kann. Und: Auch die Medienaufsicht über die kommerziellen Sender wird aus dem Gebührentopf bezahlt.

    Doch ob alle diese öffentlich-rechtlichen Programme wirklich notwendig sind und in welcher Größenordnung sie gebraucht werden, darüber müssen sich Politik und Gesellschaft immer wieder aufs Neue verständigen. Durch die neue Rundfunkgebühr und die Debatte darüber wächst, so sehen es viele Medienbeobachter, der Legitimationsdruck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.



    Wissenwertes zum Rundfunkbeitrag finden Sie unter www.rundfunkbeitrag.de. Das Informationsportal bietet Details zum Beitrag, beantwortet häufig gestellte Fragen und erläutert Hintergründe zur Reform der Rundfunkfinanzierung. Hier finden Sie auch ab Ende November 2012 die entsprechenden Formulare und Informationen, wenn Sie eine Befreiung oder Ermäßigung beantragen möchten.

    Wir haben für Sie zudem kurz und knapp Zehn gute Gründe für den Rundfunkbeitrag zusammengestellt.

    "Die Reform macht vieles gerechter"- Interview mit Deutschlandradio-Intendant Dr. Willi Steul über den neuen Rundfunkbeitrag.
    Willi Steul, Intendant des Deutschlandradios
    Willi Steul, Intendant des Deutschlandradios (Deutschlandradio - Bettina Fürst-Fastré)