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Die ökologische Zeitbombe: der Abbau von Gold mit Hilfe von Zyanid

Mehrere tausend Menschen haben in dieser Woche in Argentinien gegen das Projekt eines kanadischen Konzerns demonstriert, der Gold mit Hilfe von Cyanid abbauen will. Dabei werden große Mengen an Gestein im Tagebau abgebaut, fein gemahlen und das darin enthaltene Gold wird mit Cyanid ausgewaschen. Ein effektives Verfahren, wenn da nicht das Cyanid wäre, eine äußert giftige Lösung, die immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt. Besonders gravierend waren die Folgen Ende Januar 2000, als eine australisch-rumänische Goldfirma das bisher größte Cyanid-Unglück im europäischen Bergbau auslöste. Damals flossen aus einem Staubecken bei der Stadt Baia Mare in Nordrumänien zehntausende Tonnen cyanid- und schwermetallhaltige Abwässer aus einem Staubecken erst in die Theiss, von dort in die Donau und lösten ein massenhaftes Fischsterben, sowie Trinkwasserprobleme in Rumänien, Ungarn und Serbien aus. Trotz dieser Erfahrung und trotz der weltweiten Proteste gegen diese Form der Goldgewinnung soll nun in Westrumänien Europas größtes Cyanid-Goldbergwerk gebaut werden.

Von Keno Verseck | 06.03.2003
    Rosia Montana liegt in den Bergen Westsiebenbürgens. Es muss früher ein idyllischer Ort gewesen sein. Noch stehen hier Häuser mit schönen Fassaden aus der Habsburger Kaiserzeit. Noch treiben morgens Bauern ihre Kühe und Schafe auf Bergwiesen. Nicht mehr lange. Bald müssen die 2.000 Einwohner umziehen. Denn der Boden unter ihren Häusern enthält ein Gramm Gold pro Tonne.

    Das will die kanadisch-rumänische Firma Rosia Montana Gold Corporation aus der Erde holen, und zwar mit Zyanidwäsche. Diese Technologie ist sehr effektiv, wenn Gestein nur geringe Mengen Edelmetall enthält. Aber auch hochgefährlich. Deshalb ist Zyanidwäsche in fast allen europäischen Ländern verboten.

    Auch viele Rumänen wollen seit dem Unfall von Baia Mare vor zwei Jahren keinen Zyanidbergbau mehr. Gabriel Dumitrascu, der stellvertretende Direktor der Rosia Montana Gold Corporation beschwert sich über sie.

    Alle Anschuldigungen von Umweltschützern sind unbegründet und nur apokalyptische Vermutungen. Ich glaube nicht, dass unsere Spezialisten ein Projekt ausgearbeitet haben, das zu einem ökologischen Desaster führt.

    Die Zahlen des Rosia-Montana-Projektes klingen gewaltig: 400 Millionen Dollar Investitionen, mehrere tausend Arbeitsplätze. Auf 21 Quadratkilometern wird jede Handbreit Boden systematisch umgegraben. Ein riesiger Stausee soll die Zyanidabwässer auffangen. Er werde nur geringe Mengen Zyanid enthalten, versichern Ingenieure der Rosia Montana Gold Corporation. Auch ausfließen werde nichts.

    Mihaela Lazarescu, eine Expertin für Bergbauanlagen am staatlichen Institut für Ökologie, die das Gebiet um Rosia Montana gut kennt, widerspricht solchen Beteuerungen.

    Rosia Montana wird eine ökologische Bombe sein. Nach zwanzig, dreißig Jahren, wenn der Goldabbau beendet sein wird, werden wir auf dem Rückstandsbecken und auf den Halden sitzenbleiben, die sehr schwer zu beseitigen sind. Dass ein geschlossener Zyanidkreislauf existiert und nichts austreten wird, das behaupten die Leute von der Firma, aber so etwas gibt es nicht. "

    Die ökologische Bombe, von der Mihaela Lazarescu spricht, ist in der Umgegend von Rosia Montana längst hochgegangen. In mehreren Nachbarorten hat die staatliche Bergbaugesellschaft Minvest, die auch an der Rosia Montana Gold Corporation beteiligt ist, riesige Abraumhalden mit Giftschlämmen hinterlassen. Die Flüsse in der ganzen Gegend sind biologisch tot.

    Die Europäische Union, deren Mitglied Rumänien werden will, würde das neue Bergbauprojekt wohl stoppen, wenn sie könnte. Aber sie ist machtslos, wie Pia Ahrenkilde-Hansen, die Sprecherin des EU-Umweltkomissariats in Brüssel, sagt:

    Wir verfolgen das Rosia-Montana-Projekt. Natürlich ist Rumänien kein EU-Mitglied, und wir können über dieses Projekt nicht entscheiden. Wir haben gegenüber Rumänien jedoch unterstrichen, dass es wichtig ist, Umweltregeln zu beachten. "

    In Rosia Montana selbst sind die Menschen uneins. Manche freuen sich über das Projekt und hoffen auf einen Arbeitsplatz, denn sonst gibt es hier kaum Beschäftigungsmöglichkeiten. Einige Bewohner sind bereits weggezogen. Mehr als hundert Häuser und Grundstücke hat die Rosia Montana Gold Corporation bisher aufgekauft. Die kanadisch-rumänische Firma zahlt ungewöhnlich hohe Preise, das überzeugt viele. Doch es gibt auch Bewohner in Rosia Montana, die um keinen Preis weggehen wollen.

    Einer von ihnen ist Eugen Cornea, 52 Jahre alt und ehemaliger Bergbauingenieur. Er lebt als Rentner mit seiner Frau im Ort. Zusammen mit anderen aus Rosia Montana hat Eugen Cornea die Vereinigung Alburnus Maior gegründet, die gegen die Umsiedlung der Menschen protestiert. Cornea ist froh, dass auch schon ausländische Organisationen wie Greenpeace vor Ort waren und gegen das Projekt demonstriert haben. Seit die kanadisch-rumänische Firma da ist, erzählt er, habe sich das Leben in Rosia Montana zum Schlechten geändert.

    Es ist ein fürchterlicher Stress, sie führen einen psychologischen Krieg gegen uns. Früher waren wir wie eine Familie. Heute bedrohen mich die Leute im Ort. Manche haben mir gesagt, es könnte sein, dass mich ein Auto anfährt. Aber eins ist klar: Wir werden hier nicht weggehen.