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Die Parteinahme Axel Springers für das junge Israel

Verleger Axel Springers Verhältnis zur deutschen Nachkriegsgesellschaft sowie zu Israel und den Juden steht im Fokus der Ausstellung in Frankfurt. Ein besonderes Augenmerk liegt da auf dem Boulevardblatt seines Hauses - die "Bild"-Zeitung und ihre Schlagzeilen.

Von Jochanan Shelliem | 14.03.2012
    Es ist eine kleine Ausstellung, das Puzzelteil eines Ensembles, das mit einem Symposium des Fritz Bauer Instituts begann und mit einem Aufsatzband im Wallstein Verlag noch nicht beendet ist. Ganz im Sinne der Langzeitdokumentation deutsch-jüdischer Alltagsgeschichte von Ignatz Bubis über die Frankfurter Schule zu einem Blatt, das wie kein anderes die öffentliche Meinung in der alten Bundesrepublik geprägt hat. Bild dir ein Volk - Die Parteinahme des Verlegers für das junge Israel, der - eigenen Aussagen nach - oft an den Schlagzeilen der Bild-Zeitung litt wie ein Hund, eröffnet den Rundgang mit einem grausamen Tryptichon. In einer elliptischen weißen Stahlrohrkonstruktion hängen unter den Stuck-Rokoko-Rosetten des Rothschildpalais die Blatt füllenden Aufnahmen einer blutüberströmten Frau und eines Mannes nach dem Sprengstoffattentat auf einen Bus in Jerusalem, dazu in fetten Lettern die eindeutige Schlagzeile der Bildzeitung. Schaut her, Ihr Möllemänner ! Dmitrij Belkin hat die Ausstellung kuratiert.

    "2002, Zweite Intifada der Palästinenser gegen Israel, parallel in Deutschland Jürgen Möllemann ein FDP-Politiker äußert sich extrem antisemitisch < und verbindet die Politik Ariel Scharons mit den arroganten Äußerungen, nach seiner Meinung, von Michel Friedmann, damals Stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland und da titelt plötzlich die Bildzeitung: "Schaut her Ihr Möllemänner" , indem sie ein schreckliches starkes Bild eines in einer Attacke getöteten israelischen Busfahrers bringt und sagt, dass die Möllemänner jetzt herschauen sollen."

    Das Verhältnis des christlich-gläubigen Springers zu Israel ist religiös bestimmt, verstärkt wird es 1958 nach seiner missglückten Russlandreise zu Nikita Chruschtschow, dem er seine Pläne zur Wiedervereinigung Deutschlands vorlegen will. Springer sieht die Schuldfrage der Deutschen unmittelbar verknüpft mit der Überwindung der deutschen Teilung. Sein Intimus Mahnke wird beauftragt, die bindende Leitthemen für das Unternehmen zu Papier zu bringen. Dass Horst Mahnke, aktives Mitglied der SS gewesen ist und in seiner Zeit beim Spiegel von Rudolf Augstein noch gegen die vermeintlich jüdischen Kaffeeschmuggler von Hamburg hergezogen ist, hindert ihn nicht für Springer das Bekenntnis zu verfassen. Alle Redakteure werden in § 2 ihres Arbeitsvertrages auf "die Herbeiführung einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen" verpflichtet, "hierzu gehört auch die Unterstützung des Lebensrechtes des israelischen Volkes." Dmitrij Belkin

    "Wir haben versucht sichtbar zu machen, dass die "Bild"-Zeitung schon ganz, ganz früh und zwar seit Ende der 50er-Jahre sich sehr intensiv mit den Prozessen gegen die NS Täter beschäftigt hat, dass die Bild Zeitung eine der wenigen Zeitungen in Deutschland war, die über jeden Tag im Eichmann Prozess berichtet hat, dass die Bild Zeitung sich sehr intensiv mit dem Auschwitz Prozess in Frankfurt am Main befasst hat und das geschah wesentlich früher, als Springer 1966 nach Israel reiste und 67 sich diesem Engagement verschrieb."

    Die Ausstellung dokumentiert den Einfluss christlicher Kreise auf den Verleger und die Widersprüche in der Redaktion, wo der innere Zirkel neben den Nationalsozialisten Mahnke und Paul Karl Schmidt alias Paul Carell, dessen Nachkriegsbestseller die Landserfeldzüge verherrlichten, den jüdischen Demokraten und Buchenwald-Überlebenden Ernst Cramer umfasst. Eine Reihe wenig bekannter Paradoxien werden enthüllt.

    "Dutschke wird am Gründonnerstag angeschossen 68 in Berlin und Axel Springer ist gleichzeitig in Brandeis in Boston und eröffnet einen europäischen Lehrstuhl für die europäische Geschichte, den er in Erinnerung an seine Mutter gestiftet hat und hält eine große Rede über die deutsch-jüdische Geschichte."

    Es ist eine merkwürdig aseptische Ausstellung geworden, mit einem klammen Seitenblick wird der Kampf um die Opferrolle nach dem Sechs-Tage-Krieg dokumentiert. "Wer sind die neuen Nazis" fragt die APO während sich die "Berliner Morgenpost" wie 1938 faschistischen Terror-Steinwürfen ausgesetzt sieht. Israel wird für den gescholtenen Verleger zur gefühlten Heimat. Die kleine Ausstellung im Jüdischen Museum sieht sich als Forum einer Diskussion, die sie durch einen Reigen von Vorlesungen von Moshe Zuckermann bis Günter Wallraff befördern will.