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"Die Philosophie blutet aus"

Eigentlich sollten Studiengebühren die Ausstattung der Universitäten verbessern helfen. Nachdem die ersten Erfahrungen mit Studiengebühren gemacht werden konnten, hagelt es Kritik. Studierende der Philosophie an der Uni Hannover beklagen, dass ihre Einzahlungen nicht der eigenen, sondern hauptsächlich den naturwissenschaftlichen Fakultäten zugute kommt.

Von Michael Engel | 16.02.2007
    Überfüllte Hörsäle, überlaufene Seminare, und die Bibliotheken sind schon lange nicht mehr up to date. Studierende der Philosophischen Fakultät in Hannover beklagen schlimme Zustände. Hoffnungen, die katastrophale Situation werde sich durch Studiengebühren bessern, diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Denn im Verteilungspoker um Studiengebühren sind die Geisteswissenschaften weit weniger bedacht worden als die naturwissenschaftlichen und technischen Fakultäten. Asta-Referent Ole Petersen ist sauer:

    "Ja betroffen, eher wütend, denke ich. Zumal wir das auch schon haben kommen sehen. Also es ist ganz klar so, dass wir vermutet haben, dass eben nicht von allen gemeinsam entschieden wird, sondern das eben das Präsidium nach seinen Vorstellungen über ein Uniprofil da verfahren wird, was natürlich naturwissenschaftliche Bereiche favorisiert. Und das ist natürlich ungerecht. "

    Obwohl die Philosophen ein Drittel der Studierenden ausmachen, erhalten sie jetzt nur 15 Prozent der fakultätsbezogenen Zuwendungen. Bei den Naturwissenschaften ist das Verhältnis genau umgekehrt. Gemessen an der Zahl der Studierenden fällt bei ihnen die finanzielle Unterstützung doppelt so hoch aus. 14,4 Millionen Euro kassierte die Uni Hannover im Wintersemester 2006/2007 an Studiengebühren. 60 Prozent davon - 8,6 Millionen Euro - bekommen die Fakultäten. Bei der Verteilung war allerdings nicht die Zahl der Studierenden maßgeblich, erklärt Günter Scholz, Vizepräsident für Verwaltung und Finanzen. Das Präsidium rief die Fakultäten dazu auf, Förderanträge zu stellen.

    "Also wir wollten damit erreichen, dass wir wirklich die Defizite in der Universität aufspüren, und die dann beheben. Das führt zwangsläufig dazu - weil es billigere und teurere Fächer gibt - dass die Naturwissenschaften und die Ingenieurwissenschaften es vielleicht leichter hatten, Anträge zu stellen, indem sie gesagt haben, wir müssen Labore austauschen, die 15 Jahre alt sind. Da kommen dann schon sechsstellige Beträge sehr leicht zustande."

    .... sehr zum Ärger der Studentenvertretung: Die sieht den vom Präsidium vorgegebenen Trend bestätigt, die technischen und naturwissenschaftlichen Bereiche zum Nachteil der Geisteswissenschaften zu fördern. Frederike Bayer vom ASTA glaubt, dass Studiengebühren die Probleme der personell unterbesetzten Geisteswissenschaften nicht beheben können. Sie studiert Sozialwissenschaften im 3. Semester:

    "Bei uns ist ja vor allem das Problem, dass wir zuwenig Professoren- und Professorinnen-Stellen haben, und die können ja durch Studiengebühren sowieso nicht finanziert werden. Insofern ist es überhaupt nicht sinnvoll für uns, dass diese Studiengebühren eingeführt worden sind, und die Bedingungen werden ganz klar nicht besser, es gibt nach wie vor Seminar-Rauswürfe, überfüllte Seminare, und das macht die Studierenden natürlich noch wütender, jetzt, wo sie Studiengebühren zahlen, dass dann nach wie vor die Situation so schlecht ist. "

    Dabei hätte sich die Studentin, anstatt Studiengebühren zu bezahlen, ein Laptop kaufen können. 500 Euro musste die 22-Jährige an die Leibniz Universität Hannover überweisen. Das Präsidium hat aus der Verteilungsdebatte gelernt. Jetzt soll mit Hilfe der Studiengebühren doch noch mehr Personal eingestellt werden, um vor allem die Geisteswissenschaften zu entlasten. Zuvor mussten dienstrechtliche Probleme, insbesondere die zeitliche Befristung solcher Verträge geregelt werden. Denn niemand weiß, wie lange die Gelder überhaupt fließen. Schon im nächsten Jahr ist Landtagswahl in Niedersachsen. Und die SPD-Opposition wirbt offensiv mit der Abschaffung der Studiengebühren.