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Die Pianistin Elly Ney
Musikalische Wahrheiten im Auto

Zehn Jahre war Frithjof von Bodungen der Chauffeur der Pianistin Elly Ney. Die Tonaufzeichnungen ihrer Gespräche sind nun auf CD erschienen. Ebenso eine Dokumentation, die Neys Bedeutung als Künstlerin, aber auch ihre Rolle im Dritten Reich beleuchtet.

Von Christoph Vratz | 01.11.2017
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    Die Pianistin Elly Ney zusammen mit ihrem langjährigen Chauffeur Frithjof von Bodungen (DokFabrik)
    1958 lernt der ehemalige Fotolaborant Frithjof von Bodungen 22-jährig die berühmte Pianistin Elly Ney bei einem Hauskonzert kennen. Gespräche und ein Briefwechsel setzen ein, schließlich wird er ihr Chauffeur. Zehn Jahre lang fährt er Ney durch die Lande und hält die Gespräche mit ihr auf Tonband fest.
    Bis zu Elly Neys Tod 1968 fährt von Bodungen die Grande Dame zu Konzerten. Sie unterhalten sich sehr konkret über Musik, aber auch über Gott und die Welt sowie über ihr Privatleben. Seine Tonaufnahmen umfassen am Ende 18 Stunden Material. Sie schlummern zunächst jahrelang in seinem Haus am Starnberger See. Erst Jahrzehnte später stellt er diese Aufzeichnungen dem Autor und Film-Regisseur Axel Fuhrmann zur Verfügung.
    Für Kritiker nach wie vor "Hitlers Pianistin"
    Fuhrmann hat die alten Aufzeichnungen sorgsam ausgewertet und um Interview-Sequenzen mit dem Chauffeur Frithjof von Bodungen ergänzt. Gleichzeitig hat er die Musik, die Elly Ney während der Autofahrten erklärt, auf äußerst subtile Weise mit den gesprochenen Passagen vermischt. So ist ein faszinierendes, knapp einstündiges Feature entstanden, das die Pianistin auf bis dahin ungekannte Weise zeigt: sehr konkret in ihren Aussagen zur Musik (vor allem bei Beethoven), zugänglich, aber auch nachdenklich.
    1882 in Düsseldorf geboren, erspielte sich Elly Ney ab den 1920er Jahren vor allem in den USA den Ruf als führende Beethoven-Interpretin. Wegen ihrer unrühmlichen Rolle als williger Helferin des NS-Systems – sie leitete u.a. während der Nazi-Herrschaft die Beethovenfeste in Bonn - durfte Ney nach dem Krieg zunächst nicht auftreten. Erst in den späten 1940er Jahren begann sie wieder zu konzertieren.
    Elly Ney polarisiert bis heute. Von ihren Befürwortern zum Mythos verklärt, ist sie ihren Kritikern als "Hitlers Pianistin" nach wie vor suspekt. Diese ganze Ambivalenz arbeitet die biographische Filmproduktion von Axel Fuhrmann mit kritischer Distanz heraus.
    Differenziertes Bild, das Widersprüche ungelöst lässt
    Ebenfalls erstveröffentlicht sind in dieser Edition Filmaufnahmen von Beethovens Klaviersonate op. 26, aufgenommen im Jahr 1965 - eine fast vergeistigte, verklärende Interpretation, sehr kantabel, aber weitgehend ohne Beethovens Schroffheiten oder abrupte Kontraste.
    Insgesamt bietet diese Edition auf zwei CDs und einer DVD erhellendes und klug ausgewähltes Material. Die Gespräche im Auto sind alles andere als beiläufige Plaudereien: Man verfolgt mit Spannung und Neugierde, wie die bereits betagte Pianistin leidenschaftlich über Musik spricht. Der Film wiederum zeigt, dass es um Elly Ney auch oft einsam war. Die Verzahnung von Feature und Film liefert ein sehr differenziertes Gesamtbild. Dazu gehört auch, dass letztlich nicht alle Fragen und Widersprüche aufgeklärt werden (können).
    Mondscheinsonate - Die Volkspianistin Elly Ney
    Arthaus Musik (1DVD + 2CDs)