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Die Pizza-Connection
Der politische Gegner von gestern ist der Partner von morgen

Eine Koalition von Grünen und CDU erscheint manchen immer noch fremd. Tatsächlich haben beide Parteien auch lange gebraucht, um einander näherzukommen. Aber schon vor mehr als 20 Jahren trafen sich jüngere Abgeordnete von CDU und Grünen in einem italienischen Restaurant in Bonn. Die Vorliebe für Pizza war offenbar nicht die einzige Gemeinsamkeit.

Von Nadine Lindner | 01.04.2016
    Eine Pizza "Grande Sud" wird in Neapel präsentiert.
    Eine Pizza: Darauf können sich auch politische Gegner einigen. (dpa / picture alliance / Ciro Fusco)
    Harmonisch geht es jetzt zu im Südwesten Deutschlands. Ehemals politische Gegner raufen sich zur Koalitionsverhandlungen zusammen. Baden-Württembergs CDU Parteichef Thomas Strobl: "Dass wir ein Bewusstsein bei uns selber haben, dass aus dem politischen Gegner von gestern ein möglicher Partner, ein Regierungspartner von morgen wird." Und auch der grüne Spitzenkandidat Winfried Kretschmann kann der grün-schwarzen Fantasie viel abgewinnen: "Auch unser drittes Gespräch, dass wir nun hatten, fand in einer angenehmen, verbindlichen Atmosphäre statt." Wenn alles nach Plan läuft, kann im Mai die erste grün-schwarze Koalition ihre Arbeit aufnehmen.
    Diese Konstellation ist eine weitere Neuerung in den nicht immer einfachen schwarz-grünen oder grün-schwarzen Beziehungen.
    Treffen beim Italiener in Bonn
    Rückblick: Im Dezember 1985 wird in Wiesbaden die erste rot-grüne Landesregierung vereidigt. Die bürgerliche Opposition aus CDU und FDP schäumte, wie dieser Beitrag aus der Tagesschau vom 12.12.1985 zeigt. "Vor Fischers Vereidigung begründete Holger Börner in einer Regierungserklärung noch einmal die neue Koalition. Mit dem Juniorpartner wolle man bis zur nächsten Wahl, aber wenn möglich auch darüber hinaus ein Gegengewicht im Sozial- und Umweltbereich zur Bonner Wende-Politik bilden. Die Opposition nannte die Vereidigung Fischers beschämend. In einer Anzeigenkampagne hielt die CDU ihm vor, er habe die Wähler betrogen."
    Es sollte noch 10 Jahre dauern, bis die größte Skepsis überwunden war: 1995 hatte es noch den Ruch des Neuen und Verbotenen, als sich erstmals jüngere Bundestagsabgeordnete der CDU und der Grünen in Bonn beim Italiener trafen. Mit dabei in der sogenannten Pizza-Connection: der Grüne Cem Özdemir und von der CDU Peter Altmaier.
    Der nächste Schritt auf Landesebene folgte im Februar 2008: die CDU unter Ole von Beust und die Grüne Alternative Liste schließen den ersten schwarz-grünen Koalitionsvertrag auf Landesebene. Ole von Beust nach der Unterzeichnung: "Ich bin überzeugt, dass in der Politik, auch wie im normalen Leben es richtig ist, die Kraft und den Mut zu haben, neue Wege zu beschreiten, auch wenn es ungewohnt ist."
    In Berlin wird die Neu-Auflage gepflegt
    Das Bündnis scheiterte nach zwei Jahren, aber der Anfang war gemacht. 2009 folgte die Jamaika-Koalition im Saarland. Also schwarz-grün mit der FDP. Auch sie hielt keine komplette Legislaturperiode durch.
    2013 entschließen sich die hessischen Landespolitiker zu schwarz-grün. Dort, wo sich die Bürgerlichen einst über den turnschuhtragenden Minister Joschka Fischer erbosten, herrscht heute geräuschlose Einigkeit. Im gleichen Jahr wurde auch auf Bundesebene zwischen Grünen und Union sondiert. Ein politischer Flirt, der die grüne Spitzen-Frau Claudia Roth damals ins Schwärmen brachte: "Wir kommen aus mehreren Stunden eines Gesprächs, das in einer außerordentlich sachlichen, konstruktiven Atmosphäre geführt worden ist."
    Mit der Koalition ist es nichts geworden, aber in der Hauptstadt wird seitdem beim Italiener die Neu-Auflage der Pizza-Connection gepflegt. Dabei sitzt unter anderem Omid Nouripur. Außenpolitiker der Grünen, zu Hause in Hessen. Vielleicht dient ja der Probelauf in seinem Bundesland und nun mit anderen Kräfteverhältnissen auch in Baden-Württemberg als Blaupause für weitere schwarz-grüne oder grün-schwarze Fantasien. Wer weiß, ob sie nicht 2017 auch auf Bundesebene weitergeträumt werden.