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Die Qual der Wahl

Die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank scheint dicht bevorzustehen. Doch auch ein ausländischer Investor, die China Development Bank, interessiert sich für das Kreditinstitut, das sich seit sieben Jahren im Besitz des Versicherungskonzerns Allianz befindet. Während über die Übernahme noch verhandelt wird, fürchten die Mitarbeiter der Dresdner Bank um ihren Arbeitsplatz.

Von Michael Braun und Brigitte Scholtes | 28.08.2008
    Am Wochenende fällt die Entscheidung. Für Sonntag, 14 Uhr, ist der Aufsichtsrat der Allianz zu einer außerordentlichen Sitzung einbestellt, etwas später dann treffen sich die Aufsichtsräte der Commerzbank. Es gibt etwas zu entscheiden. Sie kann immer noch scheitern, aber eine Fusion aus Commerzbank und Dresdner Bank scheint dicht bevorzustehen.

    Sie wäre dann die zweite große inländische Bank nach der Deutschen Bank. Diese würde aber ihre führende Position behalten. Daran ändert auch eine Fusion der Dresdner und der Commerzbank nichts. Edgar Klein, Partner der Unternehmensberatung Deloitte, nennt die Relationen, sagt, was heute gefragt ist im internationalen Bankgeschäft:

    "Das wesentliche Thema ist, wir brauchen eine bestimmte Größe. Wenn Sie heute die Dresdner Bank und die Commerzbank addieren, kommen Sie auf eine Bilanzsumme, die bei circa etwas mehr als 1000 Milliarden Euro liegt. Die Deutsche Bank liegt bei doppelt so viel. Das heißt, sie hat einen viel größeren Geschäftsumfang, den sie bereits betreibt. Weder Commerzbank noch Dresdner sind in dieser Liga angekommen. Und diese Größe muss auch da sein, allein schon aufgrund der Marktkapitalisierung. Es hilft uns nichts, hier eine Bank zu haben, die einfach als Nebenhappen von anderen Banken in den nächsten zwei Jahren irgendwann gekauft werden kann. Man muss auch eine finanzielle Stabilität in Zukunft haben. Und dazu braucht man auch eine bestimmte Größe."

    Um diesem Ziel zumindest näher zu rücken, verhandelt die Commerzbank seit mindestens vier Monaten, nein: nicht mit der Dresdner Bank, sondern mit der Allianz. Dem Versicherungskonzern gehört nämlich seit sieben Jahren die Dresdner Bank. Die Bank ist also zum Verhandlungsobjekt geworden. Und den rund 26.000 Mitarbeitern des Instituts gefällt das nicht. Franz Scheidel, ein Betriebsrat der Dresdner Bank, schildert die Gefühlslage der Beschäftigten:

    "Die Stimmung ist ausgesprochen schlecht, und vor allen Dingen geprägt von Unsicherheit, weil niemand weiß, was jetzt genau als nächstes passiert."

    Die Ursachen dafür, dass die Allianz die Dresdner Bank verkaufen will, sind vielfältig. Wer die Bank seit langem und von innen kennt, hat den Eindruck, dass ein Minderwertigkeitskomplex zu ihrer Geschichte gehört. Sie wurde 1872, zwei Jahre nach der Deutschen Bank, gegründet. Die Rolle des ewigen Zweiten wurde sie nie los. Selbst bei kleinen Entscheidungen, etwa der Förderung wissenschaftlicher Einrichtungen, fragten Dresdner Banker erst: Wie viel gibt die Deutsche Bank? Dann erst legten sie ihren Betrag fest, selbstverständlich lag er unter dem der Deutschen Bank.

    Hinzu kam, dass in der aktuellen Bankenwelt Größe immer mehr zählt. Als etwa Eon die spanische Endesa für einen zweistelligen Milliarden-Betrag übernehmen wollte, mussten Kredite zugesagt werden. Wer sich solche Summen nicht zutraut, kann nicht mithalten, hat keine Chance, gerade im Investmentbanking, wo es um Börsengänge, Wertpapieremissionen und den Handel mit Unternehmensteilen geht. Da wurde die Dresdner Bank erst gar nicht gefragt.

    Hinzu kommt die aktuelle Finanzkrise, die die Banken zwingt, ihre Wertpapierbestände niedriger zu bewerten. Das lässt dann auch das Versicherungsgeschäft schlechter aussehen. Außerdem hat die Krise die Banken billiger gemacht. Professor Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management:

    "Die Bewertungen deutscher Unternehmen und auch deutscher Banken sind sehr niedrig. Damit sind sie attraktiv für einen Kauf. Auf der anderen Seite hat die Fusion zwischen der Dresdner Bank und der Allianz nicht so funktioniert, wie man sich das damals vorgestellt hat."

    Hinzu kommt, dass der deutsche Bankenmarkt als gut bestückt gilt. Es gebe mehr Bankfilialen als Bäckereien lautet der alte Kalauer. 2300 Kreditinstitute sind es tatsächlich, überwiegend Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken. Die privaten Banken wehren sich vor allem gegen die Aufteilung des deutschen Marktes in die drei Säulen: öffentlich-rechtliche, genossenschaftliche und private Institute. Seit Jahren versuchen die Privaten, in den öffentlich-rechtlichen Sparkassensektor einzusteigen, vor allem, um Marktanteile zu gewinnen. Deshalb wird der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, nicht müde zu fordern:

    "Deutschland braucht endlich ein zukunftsfähiges Bankensystem mit weniger, aber stärkeren Instituten. Die bestehende Versäulung behindert die Modernisierung und schränkt - übrigens in allen Gruppen - die Entwicklungsmöglichkeiten vieler Institute stark ein. Quasi alle Bankenmärkte im Ausland sind uns hier meist deutlich voraus."

    Es hat schon frühere Versuche der Bankenkonsolidierung gegeben: Am 9. März 2000 gaben Deutsche und Dresdner Bank bekannt, sie wollten miteinander fusionieren. Die Deutsche Bank war schon damals deutlich größer als die Dresdner, 60 zu 40 lauteten etwa die Mehrheitsverhältnisse. Es sollte dennoch eine Fusion unter Gleichen sein, wie der damalige Deutsche Bank-Vorstandssprecher Rolf-Ernst Breuer versicherte:

    "Dies ist, wie ich noch einmal wiederhole, und mit Nachdruck wiederhole, ein 'Merger of equals'. 'Merger of equals' nicht im technisch-mathematischen Sinne, sondern im Sinne der Partnerschaft."

    Nach wenigen Tagen gab es Krach, Krach vor allem um das Investmentbanking der Dresdner Bank unter dem Namen Kleinwort Benson. Diesen Geschäftsbereich wollte die Deutsche Bank nicht haben. Nur die gut laufenden Bereiche wollte man übernehmen, den Rest verkaufen oder notfalls schließen. So hatte sich die Dresdner Bank eine Fusion unter Gleichen nicht vorgestellt. Bernhard Walter, der damalige Vorstandssprecher der Dresdner Bank, ließ die Fusionsgespräche am 6. April 2000 platzen und sagte einen Tag später zur Begründung:

    "Der weit überwiegende Teil unserer Mitarbeiter im Investmentbanking wäre auf der Strecke geblieben, und das ist mit einem Vorstand der Dresdner Bank nicht zu machen."

    Die Dresdner Bank suchte danach unter einem neuen Vorstandsvorsitzenden nach einer neuen Strategie. Daraus wurde alleine nichts. Sie führte Fusionsverhandlungen mit der Commerzbank - ohne Ergebnis. Schließlich übernahm die Großaktionärin Allianz die gesamte Bank, alles in allem für damals gut 24 Milliarden Euro. Das war im April 2001. Bernd Fahrholz, dem der Vorstandsvorsitz der Bank zugefallen war, zeigte sich erleichtert. Er glaubte, eine für die ganze Branche wegweisende Lösung gefunden zu haben:

    "Ich will sicherlich nicht pathetisch werden, aber es ist ein historisches Datum. Sicherlich, für uns, die Dresdner Bank, und darüber hinaus greifen wir auch nicht zu weit, wenn wir sagen: für den Finanzplatz Frankfurt, Deutschland und auch Europa. Unser Zusammenschluss ist ein ganz wichtiger Schritt zur weiteren Konsolidierung der deutschen Finanzwirtschaft und damit ein Beitrag zur Dynamisierung der deutschen Wirtschaft."

    Die Hoffnungen fußten auf dem Aktienboom der späten neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Den wollten Bank und Versicherung, die Dresdner und die Allianz, in Zukunft gemeinsam fortschreiben. Henning Schule-Noelle, der damalige Vorstandschef der Allianz, setzte auf die private Altersvorsorge als Zukunftsmarkt:

    "Dazu kommt, dass immer breitere Bevölkerungsschichten die Aktie als Anlagemöglichkeit auch in Deutschland inzwischen entdeckt haben. Trotz der schwierigen Verfassung der Kapitalmärkte in den letzten Monaten, ist dieser Trend, wie ich denke, unumkehrbar. Dies bedeutet enorme Wachstumsmöglichkeiten für Lebens- und Rentenversicherung, Aktien- und Rentenfonds."

    Doch der Trend hatte sich schon umgekehrt. Aktien waren nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes, nach dem Platzen der Telekomblase nicht mehr gefragt. Und das blieb auch so, als die Kurse seit 2003 wieder kräftig stiegen. Die Zahl der Aktionäre sank trotzdem. Das Kapitalmarktgeschäft kam kaum in Schwung, Börsengänge etwa blieben selten - und wenn, war Dresdner Kleinwort, die Investmentbank der Dresdner Bank, selten dabei. Dafür häuften sich auch hier Papiere an, die im Zuge der amerikanischen Immobilien- und Finanzkrise im Wert dramatisch gemindert werden mussten.

    Allein im zweiten Quartal dieses Jahres hat Dresdner Kleinwort einen operativen Verlust von 715 Millionen Euro ausgewiesen. Im Rückblick ist das Allfinanzkonzept, also die Kombination von Versicherungs- und Bankgeschäft nicht aufgegangen. Es war für die Versicherung zu teuer. Robert Mazzuoli, Versicherungsanalyst der Landesbank Baden-Württemberg, erklärt das nach dem Motto: "Wer Milch trinken will, muss keine Kuh besitzen."

    "Es sieht ganz danach aus, dass auch die Allianz begriffen hat, dass man für den Vertrieb von Versicherungen über den Bankenkanal keine Bank besitzen muss. Und insofern hat es ihr nur mehr Ärger eingebracht als Nutze. Und jetzt zieht eben Dieckmann die Konsequenzen und möchte die Bank loswerden"

    Diesen Entschluss hat Allianz-Chef Michael Dieckmann schon im März gefasst, als er die Aufspaltung der Dresdner Bank in eine Privatkunden- und Mittelstandsbank und eine Investmentbank ankündigte. Seither also steht die Bank zum Verkauf. Und nach all diesen Monaten schien die Commerzbank lange die aussichtsreichste Interessentin zu sein

    Dabei galt sie selbst bis 2005 als Kandidatin für eine Übernahme. In den Jahren 2002 und 2003 steckte sie tief in der Krise, für 2003 allein musste sie 2,3 Milliarden Euro Verlust hinnehmen. Tausende Jobs wurden abgebaut, das Geschäft restrukturiert. Vor allem das verlustreiche Investmentbanking wurde zurechtgestutzt. Danach begann die Commerzbank allmählich wieder, ihr Geschäft mit Zukäufen, im Bankerdeutsch "deals", zu stärken, eine beachtliche Leistung, meint Edgar Klein von der Unternehmensberatung Deloitte:

    "Nun kann man sicherlich sehen, dass die Commerzbank in den letzten Jahren eine Reihe von Deals durchgeführt hat. Die Deals sind, man könnte fast sagen, von Schritt zu Schritt größer geworden, wie jemand der langsam auf den Marathon trainiert. Von der Warte her sicherlich eine geübte Strategie. Erstmal überhaupt anzufangen, der Bank zu zeigen, dass man wachsen will, dass man wachsen kann, dass man das auch verdauen kann. Und die Stücke wurden ja bis jetzt zur Eurohypo immer größer und mächtiger und sind auch in allen Schritten eigentlich sehr erfolgreich integriert worden."

    Das größte Geschäft war dabei im Herbst 2005 die vollständige Übernahme der EuroHypo, einst gemeinsame Hypothekenbank der drei Großen, also von Deutscher, Dresdner und Commerzbank. Und die Lust auf Akquisitionen ging dem damaligen Vorstands- und heutigen Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller damit nicht aus: Bei jeder interessanten Kaufmöglichkeit hob seine Bank den Finger, etwa im vergangenen Jahr bei der Landesbank Berlin. Dabei und bei anderen spektakulären Geschäften war die Bank zwar nicht erfolgreich, doch Zuversicht verbreitete Müller immer:

    "Wir können das wuppen, was wir wuppen wollen."

    Doch die Dresdner Bank ist ein Brocken, den man nicht so einfach wuppen kann. Zu groß sind die Belastungen, die die "grüne Bank" aus der Finanzkrise tragen muss, das musste auch Dresdner Bank-Chef Herbert Walter im Frühjahr eingestehen:

    "In Teilbereichen, und das ist eben das sogenannte Warehouse Geschäft mit CDOs und sonstigen verbrieften Strukturen, da haben wir es dann eben nicht schnell genug gepackt."

    Das Resultat waren dann Milliardenabschreibungen, und ob die Risiken nun alle identifiziert sind, lässt sich noch nicht absehen. Auch deshalb sollte wohl das Investmentbanking abgespalten werden, denn in dieser Sparte sind die Risiken angehäuft worden. Notwendige Voraussetzung für ein Zusammengehen von Commerzbank und Dresdner Bank wäre eine Abspaltung jedoch nicht, meint Robert Minde, Analyst der BHF-Bank:

    "Die Commerzbank selbst hat ihre eigene Investmentbank vor nicht allzu langer Zeit wesentlich verkleinert, dieses Risikopotezial zurückgefahren und integriert. Davon geh ich dann auch aus, sollte es zu der Übernahme der Dresdner Bank inklusive der Investmentbank kommen, dass man dieses Geschäft in der Form wie jetzt nicht mehr weiter betreibt, sondern auf jeden Fall wesentlich risikoärmer fortführt und in die bestehenden Einheiten integriert, sofern das möglich ist. Aber die großen Klumpenrisiken, so wie man sie jetzt aus dem Investmentbanking hat, kann ich mir in der neu formierten Einheit nicht vorstellen."

    In den anderen Bereichen aber sind beide Banken ähnlich aufgestellt: Beide sind stark auf Privat- und Mittelstandskunden ausgerichtet, wenn auch die Commerzbank in den letzten Jahren erfolgreicher agiert hat als die Dresdner Bank, sagt Robert Mazzuoli von der LBBW:

    "Zum einen spricht dafür, dass die Commerzbank in den letzten Jahren ein sehr fähiges Managementteam zusammensortiert hat und damit die Commerzbank zu neuen Erfolgen gebracht hat. Und das könnte sie natürlich übertragen auf die Dresdner Bank. Das Zweite ist sicherlich, dass man Synergien heben kann, dass man Kosten kürzen kann, dass man gewisse Ertragspotenziale vielleicht besser heben kann."

    "Synergien" und "Ertragspotenziale heben" aber wird von den Beschäftigten übersetzt mit "massiver Jobabbau": 9000 der insgesamt 63.000 Stellen beider Banken seien in Gefahr, hört man aus dem Umfeld der Institute, die Gewerkschaft ver.di befürchtet sogar, dass es bis zu 15.000 Jobs treffen könnte. So meint Franz Scheidel, Betriebsrat der Dresdner Bank:

    "Wenn sich wirklich diese beiden Großbanken zusammenschließen, dann erwarten wir einen massiven Personalabbau, einfach weil sich sehr viele Funktionen in den Zentralen überschneiden und es auch im Geschäftstellennetz breite Überschneidungen gibt. Wir haben dasselbe ja im Jahr 2000 schon mal erlebt, als die Fusion zwischen Dresdner und Deutscher Bank angekündigt war. Wir haben damals damit gerechnet, dass etwa 17.000 Stellen verloren gehen In dem Zeitraum von 2000 bis heute sind genauso viele Stellen allein in der Dresdner Bank weggefallen. Insofern erwarten wir einen weiteren Stellenabbau. Und Sie können mir glauben: Im Moment wird hier auf einem Niveau gearbeitet, dass in allen Stellen die Personaldecke sehr knapp ist."

    Man werde wohl versuchen, behutsam vorzugehen, glaubt indes Analyst Robert Minde von der BHF-Bank:

    "Man wird das sicherlich nicht mit einer angelsächsischen Art durchziehen können, indem man auf einen Schlag Tausende von Arbeitsplätzen abbaut. Wenn überhaupt, wird es hier, nach meinem Dafürhalten, zu einem schleichenden Prozess kommen, dass man versucht ohne betriebsbedingte Kündigungen hier auszukommen, hauptsächlich in den Zentral- und Back-Office-Bereichen, während ich die Vertriebsbereiche, also sprich das Filialgeschäft, das Front-Office, da wird es meines Erachtens wesentlich unspektakulärer zugehen, eben um die Kundschaft auch nicht zu verunsichern."

    Sechs Millionen Privatkunden hat jede der beiden Banken, einige davon dürften sich von ihren bisherigen Hausbanken abwenden, damit ist bei jeder Fusion zu rechnen. Dass ein Zusammengehen der beiden deutschen Großbanken die Konditionen zum Nachteil der Kunden verändern könnte, das glaubt Professor Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management jedoch nicht:

    "Es gibt kaum einen Markt, der derartig vom Wettbewerb zwischen Banken gekennzeichnet ist wie Deutschland. Und sie müssen sich überlegen: Wir reden hier wirklich von einer ganz kleinen Masse. Ich glaube, die fünf deutschen Großbanken haben zusammen gerade einmal 20 Prozent Marktanteil. Und da sind Dresdner und Commerzbank schon dabei. Das heißt, wir haben, die Sparkassen, wir haben die Genossenschaftsbanken. Hier ist so viel Wettbewerb, ich glaube nicht, dass sich die Konditionen verschlechtern. Ich bin mir sogar sicher, sie werden eher attraktiver werden."

    Die Gretchenfrage lautet jedoch: Wie kann die Commerzbank die Übernahme einer Bank stemmen, die wohl zwischen acht und neun Milliarden Euro wert ist? Denn auch die Commerzbank ist von der Finanzkrise mitgenommen, kann also nicht Milliarden einfach auf den Tisch legen. Experten vermuten, dass sie einen Kauf in zwei Schritten angehen könnte. Die notwendigen Milliarden könnte sie aus dem Verkauf von Beteiligungen zusammenkratzen - etwa ihren Anteil am Gasehersteller Linde verkaufen. Sie könnte auch ihre Investmentfondsgesellschaft cominvest der Allianz anbieten und einen Teil durch eine Kapitalerhöhung aufbringen. Aber die Commerzbank dürfte auch noch um den Kaufpreis pokern, vermutet Robert Minde von der BHF-Bank:

    "Der Hauptgrund warum die Verhandlungen zwischen Commerzbank und Allianz sich im Moment so in Länge gezogen haben ist einfach der Preis. Die Allianz ist einfach nicht gewillt hier unter Wert das abzugeben - was ja für sie spricht. Sollte das auch weiterhin das einzige Kriterium sein, wenn ausländische Bewerber einfach mehr zahlen, aus Gründen, etwa um einen Fuß in den deutschen Markt zu bekomme, und dafür auch eine gewisse Prämie dann bezahlen muss, dann wäre die Sache klar."

    Auch wenn seine Chancen schwinden - der einzige ausländische Wettbewerber, der lange im Bieterstreit um die Dresdner Bank mitgespielt hat, ist offenbar die China Development Bank, eine staatliche Entwicklungsbank, die am ehesten mit der KfW in Deutschland zu vergleichen wäre. Erst zu Beginn des Jahres hatte der chinesische Staatsfonds, die China Investment Corporation, ihr 20 Milliarden Dollar übertragen. Die Chinesen könnten also die Dresdner Bank sogar in bar bezahlen. Ein Anreiz für die Allianz, denn sie könnte so leichteren Zugang zum chinesischen Markt finden. Außerdem hegen die Arbeitnehmer große Sympathien für einen ausländischen Investor. Denn dann dürften deren Jobs in Deutschland zumindest sicherer sein, sagt Robert Mazzuoli von der LBBW:

    "Es gibt ja sehr große Überschneidungen zwischen einer Commerzbank und einer Dresdner Bank. Das wäre, wenn ein Ausländer zum Zuge kommt, eben nicht der Fall. Das heißt: Man könnte dort auf Expansion schalten und das würde im Zweifel vielleicht sogar Arbeitsplätze schaffen in Deutschland."

    Ansonsten dürfte ein chinesischer Investor nicht so wohlgelitten sein, glauben Beobachter wie Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance:

    "Das wäre für Deutschland, für den Finanzplatz Deutschland keine Stärkung. Ich glaube auch nicht, dass es so günstig wäre für die Dresdner Bank. Weil: Wie reagieren Mittelständler, wie reagieren Privatkunden, wenn sie plötzlich von einer chinesischen, staatlich kontrollierten Bank quasi als Eigentümer hören?"

    Und nicht nur sie: Ob die Bundesregierung einem Verkauf einer deutschen Großbank nach China, an einen staatlichen Investor, zustimmen würde, ist zweifelhaft - zumal sie erst in der vorigen Woche im Kabinett einen Entwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes verabschiedet hat: Außereuropäischen Staatsfonds soll damit der Zugriff auf strategisch wichtige Unternehmen erschwert werden. Sollte die Allianz an die China Development Bank verkaufen wollen, könnte der Fall Dresdner Bank zum Lackmustest für das noch nicht verabschiedete Gesetz werden, das unliebsame Investoren abhalten soll.

    Die deutsche Volkswirtschaft würde jedenfalls von einer deutschen Lösung mehr profitieren, meint Unternehmensberater Edgar Klein von Deloitte:

    "Eine richtig große deutsche Bank neben der Deutschen Bank zu haben, ist kein Thema. Das ist etwas, das die deutsche Volkswirtschaft braucht. Man stelle sich vor, eine Exportnation, wie wir es sind - wir leben davon, Dinge zu veredeln, wir leben davon, Dinge weltweit zu verkaufen, um uns zu positionieren. All diese Warenströme gehen nur mit Finanzierung, wenn in Zukunft die intelligenten Finanzengineering-Entscheidungen, die dieses Geschäft "supporten" in London, New York, Paris oder in China getroffen werden. Das wäre für deutsche Unternehmen, für die deutsche Volkswirtschaft auch nicht gut. Wir brauchen diese finanzielle Intelligenz auch weiterhin in Deutschland. Und mehr Häuser zu haben, die diese Potenz haben, ist sicherlich besser, als weniger zu haben."