Donnerstag, 28. März 2024

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"Die Regierung weiß offenbar nicht weiter"

Das Landesverfassungsgericht in NRW habe den "Versuch einer schamlosen Schuldenpolitik" gestoppt, betont der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier. Für die rot-grüne Landesregierung sei dies der "Offenbarungseid".

Peter Altmaier im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 19.01.2011
    Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört hat auf der anderen Leitung Peter Altmaier. Er ist der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin. Guten Morgen, Herr Altmaier!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Altmaier, wie wahrscheinlich ist es, dass in diesem Jahr nicht sieben, sondern acht Landtagswahlen durchgeführt werden?

    Altmaier: Nun, nach diesem Offenbarungseid von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen erwarte ich eine Phase der Instabilität, denn die Regierung weiß offenbar nicht weiter. Sie muss ja einen neuen verfassungskonformen Haushalt vorlegen, aber genau das wird ihr schwierig werden, weil sie dann nämlich unpopulären Sparentscheidungen ausweichen muss. Deshalb war es richtig, dass Norbert Röttgen gestern erklärt hat, wir erwarten, dass dieser Haushalt möglichst bald kommt. Im Übrigen ist die Union vorbereitet auf alle Herausforderungen, das heißt auch auf den Fall von möglichen Neuwahlen.

    Heckmann: Aber den Ruf nach Neuwahlen, den haben wir nicht gehört?

    Altmaier: Ich glaube, dass wir nicht die üblichen Politikrituale jetzt veranstalten sollten. Wir haben gesehen, dass der Versuch einer schamlosen Schuldenpolitik, der von Rot-Grün gemacht worden ist, gestoppt wurde vom Landesverfassungsgericht, Gott sei Dank. Wir haben jetzt auch eine Verantwortung dem Land gegenüber, dafür zu sorgen, dass über das diskutiert wird, was notwendig ist, nämlich wie man für Nordrhein-Westfalen vernünftige, sachlich begründbare Politik macht.

    Heckmann: Es liegt jetzt einigermaßen nahe zu vermuten, dass auch die CDU Neuwahlen nicht anstrebt, weil nach den derzeitigen Umfragen keine Mehrheit für Schwarz-Gelb herauskommen würde?

    Altmaier: Aber Norbert Röttgen hat gestern ganz eindeutig erklärt, dass er im Falle von Neuwahlen umfassend zur Verfügung steht.

    Heckmann: Herr Altmaier, die FDP in Nordrhein-Westfalen hat am Wochenende Gespräche über eine Ampel ins Spiel gebracht. Mit wie viel Misstrauen beobachten Sie dieses Angebot?

    Altmaier: Ich beobachte dieses Angebot nicht mit Misstrauen, sondern stelle fest, wir haben auf Bundesebene eine Bundesregierung, die im letzten Jahr, im letzten Halbjahr offenbar gut gearbeitet hat, denn wir bekommen gute Noten von den Bürgerinnen und Bürgern in Umfragen, heute Morgen noch einmal eine neue Meinungsumfrage mit einem Höchstmaß an Zustimmung für die Union im abgelaufenen Jahr, 36 Prozent. Das heißt, die Menschen erkennen an, dass es Deutschland gut geht, dass die Wirtschaft in Schwung kommt. Und im Übrigen: Im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen haben wir weniger Schulden gemacht auf Bundesebene, denn wir haben im abgelaufenen Jahr gerade mal halb so viele Schulden aufgenommen, wie ursprünglich geplant waren.

    Heckmann: Sie haben also keine Angst, dass die FDP mit SPD und Grünen möglicherweise in Düsseldorf handelseinig würde und die CDU dann draußen vor bleibt?

    Altmaier: Ich habe vor allen Dingen das feste Zutrauen, dass die Koalition in Berlin, die wir haben, eine gute Arbeit machen wird, und das wird seine Wirkungen auch auf der Landesebene nicht verfehlen. Wir haben im Augenblick eine Situation, dass weder die SPD, noch die Grünen bereit sind, die wirklichen Herausforderungen des politischen Handelns anzuerkennen, nachhaltige Politik zu machen, zu konsolidieren, und deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendeine vernünftige Partei bereit wäre, mit der SPD oder mit den Grünen im Augenblick wo auch immer zu koalieren.

    Heckmann: Sie sprechen von guter Arbeit von Schwarz-Gelb in Berlin. Dabei streiten sich die Koalitionspartner derzeit heftig. Bereits vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hatte die Koalition das Regieren praktisch eingestellt, das war ja auch schon von Ihnen als Fehler eingesehen worden. Wie groß ist die Gefahr, dass es zu einer Wiederauflage dieses Stillstands kommt?

    Altmaier: Ich glaube, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Menschen sehen doch, dass sich in Deutschland vieles positiv bewegt. Wir haben den Haushalt auf Konsolidierungskurs gebracht, die Arbeitslosigkeit liegt unter drei Millionen und wir haben jetzt die Aufgabe, das zu verstetigen. Deshalb bereiten wir beispielsweise ein Steuervereinfachungsgesetz vor. Wir haben klar gesagt, wir können keine Geschenke machen, dafür sind die finanziellen Spielräume noch nicht vorhanden. Wir wollen aber den Menschen Bürokratie ersparen und Sie werden sehen, dass wir uns in dieser Woche auf einen entsprechenden Gesetzentwurf einigen werden. Das ist dann der nächste Mosaikstein in einer umfassenden Politik, Bürgerinnen und Bürger zu entlasten und ihnen das Leben leichter zu machen.

    Heckmann: Finanzminister Wolfgang Schäuble möchte ja diese Entlastung nicht zum 1. 1. diesen Jahres greifen lassen, da gibt es eben diesen heftigen Streit mit der FDP. Generalsekretär Lindner hat schon mit einem Koalitionsbruch gedroht. Wie soll diese Lösung denn aussehen?

    Altmaier: Also erst mal, ich habe den Christian Lindner so nicht verstanden, sondern es ist eine ganz normale Debatte, dass man über technische Details von Gesetzen sich unterhält. Wir sind uns klar über die Inhalte des Steuervereinfachungsgesetzes, die vor allen Dingen Arbeitnehmern, Selbständigen, Familien zugutekommen sollen. Wir sind uns auch einig, dass in diesem Jahr keine Haushaltsbelastungen dadurch entstehen dürfen, und wir diskutieren im Augenblick darüber, zu welchem Zeitpunkt im nächsten Jahr welche Regelungen anwendbar sind. Das ist eine normale Debatte, die es bei vielen Gesetzen gibt. Dass es dann auch bisweilen unterschiedliche Akzente in den Fraktionen und in der Regierung gibt, gehört dazu. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass wir spätestens Ende dieser Woche ein überzeugendes Gesamtkonzept in dieser Frage vorlegen.

    Heckmann: Und muss Schäuble seine Position räumen, wonach zum 1. 1. diesen Jahres eben keine Entlastung wirksam wird?

    Altmaier: Ich habe großen Respekt vor dem Bundesfinanzminister und er genießt das volle Vertrauen der Fraktion, weil er es geschafft hat, einen Paradigmenwechsel in der Finanzpolitik vorzunehmen.

    Heckmann: Das war nicht meine Frage!

    Altmaier: Ja, ja! Ihre Frage war im Hinblick auf das konkrete Gesetz, und da bitte ich Sie um ein, zwei Tage Geduld und dann werden Sie sehen, dass wir eine Lösung vorlegen, ohne Sieger und ohne Besiegte.

    Heckmann: Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, war das. Herr Altmaier, danke Ihnen für das Interview.

    Altmaier: Ich danke Ihnen.