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Die Reichen reicher, der Staat immer ärmer

Die oberen zehn Prozent verfügen inzwischen über mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens. Die untere Hälfte der Gesellschaft hat hingegen fast nichts. So steht es im Entwurf für den vierten Armuts- und Reichtumsbericht. Im internationalen Vergleich liegen deutsche Vermögen im Spitzenfeld.

Von Brigitte Scholtes | 18.09.2012
    Der Wohlstand in Deutschland hat in den letzten zehn Jahren kräftig zugenommen. Das Nettovermögen – darunter fallen Immobilien, Geldanlagen, Bauland oder Ansprüche aus Betriebsrenten – hat sich in dieser Zeit von knapp 4,6 auf 10 Billionen Euro gut verdoppelt. Das zeigt der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Während aber die reichsten zehn Prozent der privaten Haushalte mehr als die Hälfte des gesamten Nettovermögens besitzen, verfügt die untere Hälfte nur über gut ein Prozent. Die Reichen haben also an der Krise verdient, sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands:

    "Es ist so, dass dieser private Reichtum, der sich da angehäuft hat, der hat natürlich auch irgendwo Verlierer produziert. Wir haben in Deutschland nach wie vor einen Rekordstand an Armut. Wir haben einen Rekordstand aber auch an öffentlicher Armut, sprich: öffentliche Schulden und leere Kassen in den Kommunen. Das ist die Kehrseite des Reichtums"."

    Denn während die Vermögen der privaten Haushalte sich zwischen 1992 und 2012 mehr als verdoppelten, schrumpfte das Nettovermögen des Staates um mehr als 800 Milliarden Euro. Ähnlich wie bei den Vermögen, verläuft auch die Entwicklung bei den Einkommen: die unteren 40 Prozent der Vollzeitbeschäftigten hätten nach Abzug der Inflation Verluste hinnehmen müssen. Im oberen Bereich seien aber positive Zuwächse verzeichnet worden. Auch hier geht die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland also immer weiter auseinander. Der Abstand zwischen West- und Ostdeutschland hat sich jedoch verringert: Im Schnitt hatten westdeutsche Haushalte ein Geld- und Immobilienvermögen von 132.000 Euro, ostdeutsche von 55.000 Euro. Ein Grund dafür sei aber der Umzug vermögender Westdeutscher nach Ostdeutschland.

    Im globalen Vergleich steht Deutschland an fünfter Stelle, hat der Finanzkonzern Allianz in seinem dritten Vermögensbericht, dem Global Wealth Report, errechnet. Reicher sind nur die Bürger der USA, Japans, Chinas und Großbritanniens. Das gilt für die reinen Geldvermögen ohne Immobilien und unter Einbeziehung der Schulden. Rechnet man das auf die Zahl der Einwohner um und zieht die Schulden ab, dann liegt Deutschland nur noch auf Rang 16 mit einem Netto-Geldvermögen von gut 38.500 Euro. In dieser Betrachtung bleibt die Schweiz mit gut 138.000 Euro unangefochten Spitzenreiter. Doch obwohl die Risikoscheu der Anleger gestiegen ist und die Zinsen so stark gesunken sind, hat Deutschland anders als Westeuropa insgesamt eine positive Bilanz zu ziehen, meint Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz:

    ""Dafür hat aber Deutschland eine gute Konjunktur gehabt, das heißt, die Sparer haben doch einen ganz erheblichen Teil ihres Einkommens auch zur Seite legen können und damit Vermögensaufbau betrieben. Die Sparquote ist ja ohnehin relativ hoch in Deutschland. Positiv wirkt auch bei uns, dass der Deutsche Aktienindex sich hat absetzen können von anderen europäischen Indizes, also die Finanzkrise nicht so stark bei den Unternehmensbewertungen zugeschlagen hat."

    China und andere aufstrebende Länder Asiens wie Indien oder Indonesien verzeichnen zwar die größten Zuwachsraten. Aber je Einwohner liegt das Vermögen bei ihnen unter 4500 Euro, damit gehören sie zu der Gruppe mit den niedrigsten Einkommen.