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Die Risiken der Kohleasche-Halden
Keine strahlenden, aber langlebige Abfälle

Kraftwerke produzieren nicht nur Strom und Wärme, sondern auch Müll. Über die radioaktiven Abfälle von Atomkraftwerken wird häufig diskutiert, bei anderen Energieträgern sind mögliche Gefahren weniger im Blick. Dabei können auch die riesigen Mengen an Flug- und Kesselasche, die in Kohlekraftwerken anfallen, zum Risiko werden.

Von Volker Mrasek | 19.09.2016
    Abraumhalden liegen im Tagebau Nochten vor dem Kraftwerk Boxberg, Foto vom 18.03.2009.
    Abraumhalden liegen im Tagebau Nochten vor dem Kraftwerk Boxberg in Sachsen. (picture alliance / dpa / Matthias Hiekel)
    Rund 7.000 Kohle-Kraftwerke gibt es weltweit nach offiziellen Statistiken. Forscher haben kürzlich ausgerechnet, wieviel Kessel- und Flugasche sie jedes Jahr produzieren. Fast 800 Milliarden Tonnen sollen es sein. Eine Abfallmenge, die ausreichen würde, um 100 Fußballfelder unter einer einen Kilometer dicken Kruste verschwinden zu lassen:
    "Bei Kernenergie ist der Abfall natürlich immer ein Thema, gerade auch weil er sehr langlebig ist. Aber die Flugasche bei der Kohle, das ist so ein Thema, das eigentlich auch in der Öffentlichkeit nie breit diskutiert wird. Aber wir wissen, dass es immer wieder Unfälle gibt. Und darum haben wir jetzt beschlossen, das anzuschauen."
    Peter Burgherr ist Umweltwissenschaftler am Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz und beschäftigt sich mit den Risiken von Energietechnologien. Dazu rechnet er auch die Aschehalden der Kohle-Kraftwerke:
    "Diese Abfallberge aus Kohleasche oder eben dann auch aus dem Abfall, der aus der Mine kommt, die werden teilweise zu richtigen Hügeln aufgeschichtet. Das Problem ist: Viele dieser Aufschüttungen werden durch so eine Art Erddämme zurückgehalten. Und die können natürlich auch einmal brechen."
    Über 50 Unfälle seit 1997 alleine in den USA
    Besonders viele Asche-Halden gibt es in den USA. Nach Daten der Umweltbehörden sind davon fast zwei Dutzend mindestens 30 Meter hoch.
    Im US-Bundestaat Tennessee kollabierte ein solcher Koloss vor acht Jahren nach einem Dammbruch. Vier Millionen Kubikmeter Ascheschlamm wälzten sich durch ein Tal, zerstörten Häuser und lösten ein Fischsterben in Flüssen vor Ort aus. Rebecca Lordan, Doktorandin an der Universität von Chicago und zurzeit Gastwissenschaftlerin am Paul-Scherrer-Institut:
    "Zu so etwas kommt es für gewöhnlich, wenn die Asche-Ansammlungen im Freien zu feucht werden. Das Material liegt dann nicht mehr fest vor und kann ins Rutschen geraten. So bricht auch schon mal ein Damm, wenn zu viel Regen auf einen Schlag fällt. Unfälle passieren auch, wenn bei einer Routine-Inspektion etwas übersehen wird - zum Beispiel Anzeichen von Erosion oder Aussickern."
    Seit 1997 gab es über 50 Unfälle auf Asche-Deponien von Kohle-Kraftwerken in den USA, so das Ergebnis der Recherchen. Darunter waren laut Peter Burgherr auch Leckagen, bei denen Sickerwasser austrat. Denn die Asche-Halden sind in aller Regel nicht abgedichtet - weder nach oben gegen Niederschläge, noch nach unten gegen Wasseraustritte:
    "Das wurde in Wasserproben, Bodenproben festgestellt. Dann kann das schon eine Gefahr für Mensch und Umwelt bedeuten. Wenn das gewisse Schwermetalle sind, dann sprechen wir schon auch von einem sehr langfristigen Problem hier. Das Problem liegt eigentlich nicht unbedingt bei den neuen Einrichtungen, sondern es ist halt so, dass es auch sehr viele alte gibt. Und da weiß man teilweise heute nicht mehr, wie die konstruiert worden sind."
    Situation in Europa undurchsichtiger
    Der Umweltwissenschaftler hätte gerne auch überprüft, wie die Situation in Europa ist:
    "Wir hatten einfach ein Problem, dass wir für die EU nur sehr stark aggregierte Daten bekommen konnten. Also, wir hatten keine anlagenspezifischen Daten zur Verfügung. Von daher ist es im Moment sehr schwierig, eine konkrete Aussage zu machen. Bei Kupferminen, Kohleminen und so gab's in Spanien, Rumänien auch schon recht große Unfälle. Da haben wir ähnliche Abfälle von der Zusammensetzung. Auch Schwermetalle zum Teil."
    Länder sollten auf jeden Fall ein Inventar all ihrer Kohleasche- und Abraum-Halden erstellen, empfiehlt Rebecca Lordan. Und dann überprüfen, bei welchen Handlungsbedarf besteht:
    "Wenn Kohle als Energieträger zunehmend unrentabel wird, könnten einige Firmen pleitegehen und sich dann nicht mehr um ihre Abfälle kümmern. In solchen Fällen wäre ich besorgt, dass das Risiko für Unfälle wächst."
    In Deutschland ist die Situation anders. Hier darf Kohle-Asche grundsätzlich nicht an Kraftwerksstandorten gelagert werden. Nach Angaben des Umweltbundesamtes ist sie wiederzuverwerten oder landet, falls das nicht möglich ist, auf der Mülldeponie.
    Allerdings gibt es auch hierzulande noch offen gelassene Asche-Aufschüttungen aus früheren Tagen, vor allem im Ruhrgebiet. Die Zechen-Betreiber müssen gewährleisten, dass die sogenannten Bergehalden sicher sind und es auch in Zukunft bleiben.