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Die Rotwangen-Schmuckschildkröte macht sich breit

Rotwangen-Schmuckschildkröten sind aufwendig in der Pflege. Das wird vielen Haustierhaltern zu viel. Immer öfter werden die Tiere hierzulande in der Natur ausgesetzt. Das hat Folgen.

Von Claudia Euen | 23.05.2013
    "Wenn ich mit der Dose schüttle, dann kann sie in der hintersten Ecke der Wohnung sein, damit krieg ich sie immer ins Becken."

    Ruckartig streckt Elliot den Kopf bis hoch zur Wasseroberfläche. Für diese Zwischenmahlzeit hat die Rotwangen-Schmuckschildkröte sogar das übliche Nachmittagsschläfchen in der hintersten Ecke ihres Terrariums unterbrochen. Eigentlich füttert Besitzerin Elisabeth Schultz nur bei Bedarf Trockenfutter, bestehend aus Stärke und Fischöl. Ab und zu bekommt Elliot auch frischen Fisch oder Fleisch. Denn die Rotwangen-Schmuckschildkröte ist ein Jäger. In der freien Natur frisst sie zwar Gras und Grünzeug, aber sie macht auch Jagd auf Fische, Kleintiere und Insekten und ist dementsprechend schnell unterwegs. Elisabeth Schultz kennt diese oft unterschätzte Mobilität der Schildkröten aus eigener Erfahrung.

    "Wir hatten eine Zweite. Die haben wir auf dem Balkon laufen lassen und was damit passiert ist, weiß ich bis heute nicht."

    Das war vor 23 Jahren. Elisabeth Schultz war damals zehn Jahre alt. Die zurückgebliebene Schildkröte taufte sie Elliot, aus Liebe zu E.T. Seitdem lebt die Schildkrötendame allein in dem gut geheizten Badezimmer und fühlt sich sichtlich wohl. 25 Zentimeter ist sie inzwischen groß. Neben Füttern muss Elisabeth Schultz fast täglich das Wasser im Terrarium wechseln, für vielleicht noch weitere 25 Jahre – so alt können Sumpfschildkröten werden. Aufgrund der aufwendigen Pflege fallen sie so manchem Haustierhalter zur Last und werden deshalb in der Natur ausgesetzt oder sie gehen verloren, wie bei Elisabeth Schultz. Das hat Folgen, sagt Dr. Michael Pees. Er ist Veterinärmediziner an der Klinik für Reptilien der Universität Leipzig.

    "Das Problem, was wir haben, dass wir sie inzwischen immer häufiger in der freien Natur in Deutschland sehen. Dass Angler sie aus Bächen und Teichen ziehen. Das hat inzwischen dazu geführt, dass die nicht mehr eingeführt werden dürfen, weil sie natürlich damit hier unsere Fauna, unsere Tierwelt verfälschen."

    Das deutschlandweite Importverbot für Rotwangen-Schmuckschildkröten aus Nordamerika führt hauptsächlich dazu, dass man im Handel auf Gelbwangen-Schmuckschildkröten umstellt. Doch auch sie tauchen in der freien Natur auf und werden danach im Tierheim oder im Zoo abgegeben. Sie gelten allerdings nicht als Faunenverfälscher wie ihre Artgenossen mit der roten Färbung an Schläfen und Kopf, die eine regelrechte Bedrohung für einheimische Arten darstellen, sagt Michael Pees.

    "Das heißt, dass einheimische Tierarten, die möglicherweise schon sehr selten sind, durch diese durchsetzungsfähigen importierten Tierarten in der Natur verdrängt werden. Das kann für bestimmte Fische, für bestimmte Lurche und Welse der Fall sein, das kann natürlich auch der Fall sein für die europäische Sumpfschildkröte. Das ist die Schildkröte, die wir eigentlich hier in Deutschland in der Natur finden sollten, die ohnehin sehr selten ist und deren Lebensraum dadurch noch eingeengt wird."

    Siehe Australien: Dort stellen die Rotwangen-Schmuckschildkröten schon heute ein riesiges Problem dar. Aber auch hierzulande sollte man diese Entwicklung ernst nehmen, meint Veterinärmediziner Michael Pees.

    "Wir vermuten, dass sich die Tiere inzwischen in der Umwelt vermehren und da ist es für die Zukunft besonders kritisch, dass sie bei entsprechenden Bedingungen auch wirklich zur Plage werden können."