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Die Rückkehr der Kommunisten

In Prag könnte künftig eine sozialdemokratische Minderheitsregierung von orthodoxen Kommunisten toleriert werden. Zwei Jahrzehnte nach der demokratischen Wende schleicht sich die KSCM auf leisen Sohlen zurück an die Macht.

Von Stefan Heinlein | 25.10.2013
    "Wir Kommunisten versprechen nicht das Paradies, aber wir haben saubere Hände und ein Gewissen."

    So klingt die Wahlhymne der KSCM. Fast jeder fünfte Tscheche glaubt den Ankündigungen der Genossen. Aktuell liegt die Partei hinter den Sozialdemokraten auf Platz 2 in den Umfragen. Parteichef Filip kämpft für eine linke Kehrtwende in Tschechien:

    "Die Rechtsparteien haben unser Land ausgeplündert. Wir werden das wieder in Ordnung bringen. Die politische Landkarte in Tschechien wird sich ändern."

    Das politische Ziel der Kommunisten ist der demokratische Sozialismus. Dazu gehören die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien, der Austritt Tschechiens aus der NATO und eine kritische Distanz zu Brüssel. Dennoch - so Parteivize Jiri Dolejs - reiche die politische Schnittmenge für ein rot-rotes Bündnis in Prag:

    "Wir wollen eine sozialdemokratische Minderheitsregierung. Unsere Programme sind in weiten Teilen identisch. Wir werden die Regierung politisch kontrollieren - im Parlament und auch in den Ausschüssen."

    Tatsächlich gibt die mögliche Duldung einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung den Kommunisten eine politische Schlüsselrolle in Tschechien, warnt der Politikwissenschaftler Lubomir Kopecek. Zwar verliere die marxistisch-leninistische Ideologie langsam an Bedeutung, doch die KSCM sei noch immer ein nostalgisches Freilichtmuseum.

    "Die Kommunisten werden für ihre Unterstützung wichtige Posten im Parlament und, in der staatlichen Verwaltung erhalten. Diese Strategie ist nur ein Zwischenschritt, um allmählich die ganze Macht im Land zurückzuerobern."

    Noch allerdings verhindert ein Parteitagsbeschluss der Sozialdemokraten eine Koalition mit den ultra-orthodoxen Kommunisten auf Landesebene. In den vielen Städten und Regionen gibt es jedoch bereits seit Jahren rot-rote Bündnisse. Ein Modell, das für den CSSD-Spitzenkandidaten Sobotka auch in Prag nicht mehr undenkbar ist:

    "Die Sozialdemokraten stehen den Kommunisten inhaltlich sicher näher als den rechten Parteien. Wir können uns eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten auch ohne eine gemeinsame Regierungskoalition vorstellen – das sollte nicht allzu kompliziert sein."

    Noch immer sind die Kommunisten die mit Abstand mitgliederstärkste Partei in Tschechien. Anders als in den meisten anderen postsozialistischen Ländern verzichtet die KSCM bisher auf eine kritische Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Ihren zumeist älteren Wähler ist das jedoch egal:

    "Im Sozialismus war ich sehr zufrieden. Heute ist alles schlechter. Meine kleine Rente reicht nicht für die Miete und meine Medikamente. Die Kommunisten werden uns retten und ein besseres Leben ermöglichen."

    Auch Präsident Milos Zeman wirbt offen für eine linke Kehrtwende in Tschechien. Eine mögliche große Koalition aus Sozialdemokraten und der liberalkonservativen Partei TOP 09 lehnt er kategorisch ab. Der Wähler wolle ein neues Machtdreieck aus Sozialdemokraten, Kommunisten und seiner eigenen Partei SPOZ:

    "Das ideale Szenario ist eine Minderheitsregierung. Wenn der Wahlsieger von einer anderen Partei toleriert wird, haben sie doch eine Mehrheit im Parlament. Dann ist doch alles in Ordnung."

    Laut Verfassung hat allein der Präsident nach den Wahlen das Recht über die Vergabe des Regierungsauftrages zu entscheiden. Über zwei Jahrzehnte nach der Revolution 89 zweifelt deshalb kaum jemand in Tschechien an der Rückkehr der Kommunisten an die Macht.

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