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Die Safran-Strategie

Seit August 2006 befinden sich rund 1800 niederländische Soldaten in Afghanistan. Wie es nach 2010 weitergeht, ist offen: Als Gastgeber der großen Afghanistankonferenz könnten die Niederländer nur schwer nein sagen, wenn die Amerikaner sie darum bitten, weiter präsent zu sein. Doch die Niederländer wollen noch mehr auf Wiederaufbau setzen und sehen im Safrananbau eine gute Existenzgrundlage für Teile der Bevölkerung.

Von Kerstin Schweighöfer | 31.03.2009
    Vorsichtig manövriert Marco Minnes seinen Geländewagen an den Rand eines Ackers gleich hinterm Deich bei Den Helder. Hier oben im Norden der Niederlande, rund 60 Kilometer von Amsterdam entfernt, liegt eines der größten Blumenzwiebelanbaugebiete der Welt: Tulpen, Narzissen, Krokusse. Ein Blumenzwiebelfeld reiht sich an das andere. Züchter Minnes allerdings hat sich auf eine ganz besondere Zwiebelblume spezialisiert: Crocus Sativus, besser bekannt als Safran:

    "Sehen Sie”, erklärt der 41-Jährige und geht in die Knie. "Die Pflanze sieht aus wie gewöhnlicher Krokus, doch der Crocus Sativus blüht erst im Oktober. Der Safran wird aus der Blume gewonnen, aus den Narbenfäden, die sind so zwei bis drei Zentimeter lang.”"

    Blühen wird die Pflanze allerdings erst in Afghanistan: Die Safranblumenzwiebeln auf diesem Feld sind für den Export bestimmt, für Safranplantagen in Herat im Norden des Landes und im Süden, in der Provinz Uruzgan - und zwar als Alternative zum Mohnanbau für die Opiumproduktion. Denn Safran ist der teuerste Farb- und Gewürzstoff der Welt. Ein Kilogramm kostet bis zu 20.000 Euro.

    ""Wir können den Bauern ihre Zukunft sichern - mit einem legalen, sauberen Produkt”, sagt Minnes. Und das sei doch etwas anderes als Opium."

    Dank niederländischem Knowhow blüht das Geschäft mit dem Safran in der relativ ruhigen Provinz Herat bereits so gut, dass die Bauern dort bis zu 25 Kilogramm pro Jahr ernten können. Im gefährlichen Uruzgan hingegen - bergig, unzugänglich, voller Talibanmilizen - braucht es mehr Zeit. Aus Angst vor Racheaktionen der Taliban trauen sich viele Bauern dort - wenn überhaupt - nur, den Safran versteckt zwischen Mohnpflanzen anzubauen. Im Auftrag des niederländischen Außenministeriums hat Blumenzüchter Minnes in Uruzgan inzwischen rund 50 Bauern in einem Spezialkurs in die Geheimnisse des Safrananbaus eingeweiht. Sie wurden mit einem sogenannten Safran-Diplom ausgezeichnet und sind nun dabei, ihr Wissen an Hunderte andere Bauern weiterzugeben:

    ""Dass ausgerechnet wir Niederländer ihnen helfen können, kommt nicht von ungefähr, wir sind zwischen den Blumenzwiebeln geboren und aufgewachsen, das liegt uns im Blut. Und unsere Regierung sorgt ganz pragmatisch dafür, dass wir unser Wissen weitergeben können - von Bauer zu Bauer. Das ist einzigartig.”"

    "Kämpfen, wenn nötig - aufbauen, wo möglich”: So lautet das Credo der Niederländer in Afghanistan. Stärker als andere NATO-Länder setzen sie auf den Wiederaufbau - und nach typisch holländischer "Poldermodell-Manier” auf die Kraft von Verhandlungen. Die Taliban könnten nicht besiegt werden, also müsse man versuchen, ihnen ihren Einfluss nehmen. Davon ist auch Blumenzwiebelzüchter Minnes überzeugt:

    "”Wir merken es doch selbst, wir hören nur positive Dinge über unsere Soldaten. Dass sie ruhig bleiben und mit den Leuten reden. Gegenüber uns Niederländern haben die Afghanen keine feindselige Haltung.”"

    Rund 300 Millionen Euro hat das niederländische Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit seit 2006 für den Wiederaufbau in Afghanistan ausgegeben. Das sind rund zwei Prozent des Jahresgesamtbudgets. Von diesen 300 Millionen waren rund 100 Millionen für den Anbau von Safran bestimmt.

    Die Voraussetzungen für den Safrananbau in Afhganistan sind ideal: trockene Sommer und nur wenige Frostperioden im Winter.
    Auch ist Safran für die Afghanen kein völlig neues Produkt: Viele Bauern, mit denen Marco Minnes zusammenarbeitet, haben Großeltern, die noch Crocus Sativus angebaut haben. Jetzt, so prophezeit der Niederländer, werde sich der Anbau von Safran wie ein Ölfleck über das Land ausbreiten: Afghanistan könnte zum größten Safranproduzenten der Welt werden - vorausgesetzt, die Welt lasse die Afghanen jetzt nicht im Stich:

    "”Natürlich braucht alles seine Zeit, vielen geht es zu langsam. Aber Nichtstun ist der einfachste Weg. Vieles in Afghanistan hat sich verbessert, das haben wir mit eigenen Augen gesehen! Erstens können wir nur so dem Terrorismus einen Riegel vorschieben. Zweitens erwarten die Menschen dort, dass wir bleiben. Wir können ihnen doch nicht erst Hoffnung geben und sie dann im Stich lassen!”"