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Die Schlacht bei Höchstädt

Seit Jahren kränkelt der kinderlose spanische König Karl II., und lange bevor er im November 1700 stirbt, hat er aufgrund verwandtschaftlicher Bindungen bereits den bayerischen Kurprinzen Joseph Ferdinand von Bayern zum Erben erklärt. Doch der stirbt überraschend im Februar 1699, so dass Karl nun Philipp von Anjou, einen Enkel Ludwigs XIV., zu seinem Nachfolger erwählt. Diese Entscheidung aber will der habsburgische Kaiser Leopold, Ludwigs größter europäischer Konkurrent, nicht hinnehmen. Gemeinsam mit seinen Verbündeten, England und den Niederlanden, greift er darum im Frühjahr 1702 französische Truppen an: Der spanische Erbfolgekrieg ist eröffnet.

Von Kersten Knipp | 13.08.2004
    Der Vater des verstorbenen Joseph Ferdinand, Kurfürst Max Emmanuel, lässt zunächst offen, auf wessen Seite er in den Krieg eintritt. Schließlich schlägt er sich, gegen das Versprechen gewaltigen Gebietszuwachses, auf die Seite Frankreichs. Schnöder Machtzuwachs ist sein Motiv, eine Regung, die den auf englischer Seite kämpfenden Prinz Eugen von Savoyen im Frühjahr 1704 zu einer scharfen Bemerkung veranlasst.

    Die bayerische Gefahr ist die wahre innere Krankheit, die auch alle etwaigen Siege auf anderen Kriegsschauplätzen nebensächlich erscheinen lassen.

    Und wirklich bestimmt Max Emanuel den Verlauf der ersten Kriegsjahre ganz entscheidend. Im Frühjahr 1703 vereinigt er im Schwarzwald sein Heer mit einem Teil der französischen Armee. Mehr und mehr verlagert sich der Krieg nach Süddeutschland, wo beide Kriegsmächte immer mehr Truppen zusammenziehen. 56.000 Soldaten versammeln die Alliierten, noch ein paar Tausend mehr die Bayern und Franzosen. Kurz vor der Schlacht am 13. August fasst der Pfarrer von Blindheim seinen Eindruck in deutliche Worte.

    In Blindheim sind so viele Soldaten, dass sie gar nicht mehr umfallen können.

    Doch sie werden fallen. Denn der Kampf von Höchstädt ist eine gewaltige Materialschlacht: 10.000 gusseiserne Vollkugeln, vier bis 24 Pfund schwer, verschießen die 142 Geschütze währen der zehnstündigen Auseinandersetzung, mindestens eine halbe Millionen Bleikugeln pfeifen durch die Luft. Und auch die Soldaten werden einander zur tödlichen Waffe. Ein französischer Kommandeur erinnert sich an eine Kampfszene.

    Der Engländer holte nun mit seinem Degen aus, um mich niederzuhauen, aber ich parierte den Hieb und rammte ihm meinen Degen ganz durch den Leib, bis der Griff anschlug. Ich zerrte meine Klinge wieder heraus, doch im Fallen tat er einen weiteren Hieb nach mir, schaffte aber nicht mehr, als in die dicke Kante meines Stiefels zu hacken, was mir keinen Schaden tat. Ich setzte meinen Fuß auf seinen Kopf und rammte meinen Degen durch seine Kehle. Die Klinge drang durch bis in die weiche Erde und zersprang unter dem heftigen Druck. Ich hatte nur noch den Griff in der Hand.

    Aufgrund ihrer Dimensionen ist die Schlacht von Höchstädt als Vorläuferin der furchtbaren Kämpfe des 20. Jahrhunderts bezeichnet worden. Gut 8000 Leichen zählt man am Abend, 16.000 Schwerverwundete, dazu 8000 tote oder verstümmelte Pferde. Der Pfarrer von Höchstädt fasst seine Eindrücke zusammen.

    Nach vollendeter Aktion sind die pläsierten Kaiserlichen und Franzosen hierher gegangen, gekrochen, getragen und geführet worden. Und sind in dem Hospital, in der Bettelstuben und in der Spitalmeisterstuben, in der Pfründ, in der Stuben und dem Hof, in allen Stadeln, Ställen und Winkeln über 300 gewesen, welches ein erbärmlich Aspekt war und ein solches Elend, dass es nicht zu beschreiben.

    Und noch ein Jahr später sind die Spuren der Schlacht nicht beseitigt. Der ehemalige niederländische Gesandtschaftssekretär Blainville besucht den Ort des Schreckens im Juli 1705 - und nimmt furchtbare Eindrücke mit.

    Stücke von halbbegrabenen Körpern, Füße, Arme, Hirnschädel, ganze Gerippe von Menschen und Pferden, mit Flintenkolben, Degentrümmern und Lumpen vermischt, welche die Bauern nach dem Abzug der Armeen nicht für werth gehalten aufzusamlen, stellten dem Auge und der Einbildungskraft den gräulichsten und fürchterlichsten Anblick dar. Eine so schreckliche Aussicht brachte mich darauf, der unverantwortlichsten Thorheit der Menschen nachzudenken, welche mit einer viehischen Wuth erfüllet, der sie den Namen Tapferkeit beylegen, einander auf das grausamste niedermetzeln, ohne eine persönliche Feindschaft und Rachbegierde gegeneinander zu hegen, und bloß, wie sie sagen, zur Ehre, um ein Aufsehen in den Zeitungen zu machen.

    Aus gesamteuropäischer Perspektive starben die Soldaten zuletzt umsonst: 1711 verscheidet der habsburgische Thronfolger Joseph I, ohne einen Thronfolger zu hinterlassen. In den darauf einsetzenden Friedensverhandlungen einigen sich die Parteien endgültig auf den bereits amtierenden Philipp von Anjou, den spanischen Philipp V., als spanischen Thronfolger.