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Die Schlacht bei Québec

1759 wurde Québec von den Briten erobert. Nach ihrem Sieg bauten sie die Zitadelle der Stadt zu einer gewaltigen Schutzburg aus. 16 Jahre später, im Jahre 1775, kam es hier zu einer Schlacht zwischen der amerikanischen Kontinentalarmee und den kanadischen Truppen. Die Bilanz war für die amerikanischen Angreifer ernüchternd.

Von Ole Schulz | 31.12.2005
    Am Nachmittag des 30. Dezember 1775 hatte das Schneetreiben begonnen, nach Mitternacht weitet es sich zu einem Sturm aus. Die 1603 von den Franzosen gegründete Stadt Québec ist bald von einer dicken Schicht weißer Flocken überzogen. Vor den Toren Québecs stehen die im Frühjahr 1775 aufgestellten amerikanischen Streitkräfte - bereit zum Angriff. Der Historiker Robert McConnell Hatch, einst Bischof von Massachusetts, hat in seinem Buch "Vorstoß nach Kanada" die Stunden vor der Schlacht um Québec rekonstruiert:

    "Brigadegeneral Richard Montgomery, Befehlshaber der amerikanischen Streitkräfte, schreibt seinem britischen Gegner Guy Carleton, dem Gouverneur Kanadas, erneut einen Brief. Sollte Carleton Québec kampflos aufgeben, würde ihm Montgomery freies Geleit zu einem Ort seiner Wahl zusichern."

    Doch zur Übergabe des Briefs kommt es nicht mehr. Denn Montgomery sieht durch den Sturm die Chance gekommen, einen Angriff auf Québec zu wagen. Er weiß, dass es nicht leicht werden würde, weil die Stadt auf dem Cap Diamant liegt - einem großen Felsen, der den Sankt-Lorenz-Strom überragt und daher für die Verteidigung günstig ist.

    Seit mehr als zwei Wochen warten die Verteidiger Québecs, größtenteils kanadische Freiwillige und eine Handvoll Rekruten der britischen Armee, auf den Angriff. In der Bevölkerung Québecs gibt es jedoch Spannungen. Denn obwohl ganz Kanada 1763 von Frankreich an Großbritannien abgetreten worden war, blieb die Stadt Québec französisch geprägt. Robert McConnell Hatch:

    "Die Briten hatten ihre eigenen Probleme mit Kanada und der kanadische Gouverneur hatte - in der Hoffnung, die Spannungen zwischen französischen und englischen Bewohnern zu verringern - Spannungen, die bis heute existieren -, das Parlament, dazu bewegt, den französischen Siedlern rechtliche und religiöse Freiheiten zuzusichern."

    Am 31. Dezember 1775 um vier Uhr morgens sind alle Differenzen vergessen:
    Denn die Truppen der amerikanischen Kontinentalarmee greifen die Stadt von zwei Seiten aus an. Die Einwohner allerdings lassen sich nicht täuschen. Die Glocken der Kathedrale werden geläutet und die Angreifer mit schwerer Artillerie beschossen. Benedict Arnold, dem zweiten amerikanischen General, gelingt es zwar kurzzeitig, einen Teil der mächtigen Stadtbefestigungen zu erobern, doch der Überraschungsangriff schlägt fehl. Denn Montgomerys Truppen werden auf der anderen Seite Québecs schnell aufgerieben - und der General bezahlt den Vorstoß mit seinem Leben. Schon wenige Stunden später ist der Ansturm der Amerikaner niedergeschlagen.

    "General Frank Montgomery wird auf dem Rücken liegend, von Schnee bedeckt tot aufgefunden - eine Hand immer noch ausgestreckt in die Höhe haltend."

    Die Bilanz der Schlacht ist für die Amerikaner ernüchternd: Während die Verluste der Briten und Kanadier lediglich 20 Mann betragen, haben die amerikanischen Streitkräfte viele Dutzend Tote zu beklagen.

    "Montgomery war getötet, Arnold verwundet worden. Das war das Ende der Invasion in Kanada und der Beginn des amerikanischen Rückzugs, der sich zu einer Kette von Unglücksfällen ausweiten sollte."

    Für die Amerikaner hat sich der Versuch, ihren Unabhängigkeitskrieg auf Kanada auszudehnen, als erfolglos erwiesen. Ziel der Invasion war es, die kanadische Bevölkerung zum Anschluss an die amerikanische Revolution zu bewegen und den Briten die dortigen Militär- und Marinestützpunkte zu entziehen.

    Nach der Schlacht bliesen die Amerikaner die Belagerung Québecs ab und zogen sich bald darauf ganz aus Kanada zurück. Im weiteren Verlauf des Unabhängigkeitskrieges gab es keine ernsthaften Versuche, Kanada zu erobern. Die amerikanische Niederlage bei Québec war ein entscheidender Faktor dafür, dass Kanada britisch blieb und kein Teil der USA wurde.