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"Die Schlacht um Russland setzt sich fort"

Die Russen wissen, dass ihnen heute allenfalls noch Atombombe und Vetorecht im UN-Sicherheitsrat den einstigen Großmachtstatus sichern. Wladimir Putin, aussichtsreichster Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag, lässt das nicht unbeeindruckt - sein außenpolitischer Wahlkampf ist geprägt von kriegerischer Kampfrhetorik.

Von Gesine Dornblüth | 02.03.2012
    Wo immer Wladimir Putin auftritt, umgibt ihn ein weiß-blau-rotes Fahnenmeer. Seine Wahlkampfmanager setzen auf den Patriotismus der Russen – und bemühen dabei das althergebrachte Feindbild Amerika. Je näher der Wahltermin rückt, desto aggressiver wird Putins Rhetorik.

    "Wir lassen nicht zu, dass sich jemand in unsere inneren Angelegenheiten einmischt! Wir lassen nicht zu, dass uns jemand seinen Willen aufdrängt. Die Schlacht um Russland setzt sich fort. Der Sieg ist unser!"

    So Putin vergangene Woche vor 130.000 Anhängern im Moskauer Luschniki-Stadion. Putin nutzt das Feindbild USA in zweifacher Hinsicht: zum einen, um zu signalisieren, dass Russland auf der internationalen Bühne wieder mitspielt; zum anderen, um die Protestbewegung in Russland zu diskreditieren. Seit Dezember sind Zigtausende Menschen vor allem in Moskau gegen Putin und für faire Wahlen auf die Straße gegangen. Putin verbreitet, die Protestierenden seien von den USA bezahlt.

    Putin bekommt Schützenhilfe von seinem Vertrauten Dmitrij Rogozin, Vizepremier und vier Jahre lang Botschafter Russlands bei der NATO. Rogozin bei einem Kongress zur Unterstützung der Armee:

    "Unsere Politik muss die Politik einer stählernen Faust im Lackhandschuh sein. Der Lackhandschuh ist unsere Diplomatie. Niemand darf daran zweifeln, was sich unter dieser Oberfläche verbirgt: Eine stählerne Faust, hart und bereit, sich auf jeden Aggressor zu stürzen - oder auch auf eine Gruppe von Aggressoren, wenn sie sich erlauben, Russland anzugreifen."

    Rogozins Rede wurde landesweit vom Fernsehen übertragen.
    Putins Wahlkampf kreist außenpolitisch um zwei Themen: um den geplanten Raketenabwehrschirm der USA, den Russland als Bedrohung empfindet, und um Syrien. Dabei sind das eigentlich keine Themen, mit denen er sich von seinen Mitbewerbern absetzen könnte, denn die sind ganz seiner Meinung. Der Kommunist Zjuganow:

    "Die Außenpolitik der USA ist immer noch aggressiv, vor allem in Bezug auf Russland. Sie haben Russland von allen Seiten mit Militärbasen umzingelt. Wenn Russland jetzt auch noch Syrien aufgibt, ist das ein dummer Fehler."

    Zjuganow sagte das bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem Nationalisten Wladimir Schirinowskij. Der ist für seine schrillen Töne bekannt.

    "Amerika steckt heute in einer tiefen Krise. Europa ist in einer tiefen Krise. Der Ausweg? Krieg. Sie bombardieren Libyen, stürzen das Regime in Tunis, in Ägypten, im Jemen, haben sich Syrien vorgenommen.

    Ihr, Bürger Russlands, werdet das Staatsoberhaupt wählen. Das Staatsoberhaupt wird entscheiden müssen, wie wir die Südgrenzen unserer Heimat sichern. Um die Sicherheit im Westen zu gewährleisten, ist es zu spät. Die Flugzeuge der NATO stehen im Baltikum. Sie sind in 15 Minuten in Moskau. Niemand kann sie aufhalten."

    Russische Außenpolitik im Wahlkampf – das heißt vor allem Angst schüren und sich selbst als starken Mann präsentieren. Die Folgen davon nehmen die Kandidaten in Kauf.

    Auch der Präsidentschaftskandidat der Partei Gerechtes Russland, Sergej Mironow, stützt die Syrienpolitik der russischen Regierung. Lediglich Michail Prochorow, angeblich drittreichster Mann Russlands und Newcomer in der Politik, schlägt gemäßigte Töne an.

    "Unsere Politiker sagen oft, dass überall Feinde sind. Wir haben die Außenpolitik eines Staates, der nicht mehr existiert: der Sowjetunion. Wir kämpfen immer noch gegen jemanden. Wir müssen aber keine Feinde suchen, sondern Freunde."

    Prochorow gilt als Kandidat des Kreml. Sollte er in die Stichwahl kommen, will er zugunsten Putins verzichten. Ohnehin gilt als sicher, dass Putin wieder Präsident wird. Ob er nach der Wahl wieder auf die NATO und die USA zugehen wird, bleibt abzuwarten. Fest steht: Bei den Menschen hinterlässt der aggressive Wahlkampf Spuren. Zwei Jugendliche in Uljanowsk an der Wolga:

    "Als Land sind die USA eigentlich okay. Die machen nur eine seltsame Politik. Alles ist irgendwie gegen Russland gerichtet. Die sollen mal bei sich für Ordnung sorgen."