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Die Schlacht von Tsushima

In der Seeschlacht von Tsushima besiegten asiatische Truppen erstmals eine europäische Großmacht. Die überraschte Welt nahm den Aufstieg einer neuen Großmacht zur Kenntnis. Im Zarenreich löste die militärische Niederlage eine Revolution aus.

Von Reiner Tosstorff | 27.05.2005
    "Sieg oder Untergang unseres Reiches hängen von dieser Schlacht ab. Möge jeder seine ganze Kraft einsetzen."

    Mit diesen Worten, die an Lord Nelsons Appell vor der Schlacht von Trafalgar erinnern, ruft am Morgen des 27. Mai 1905 der japanische Admiral Togo die Besatzungen seiner Schiffe zu dem bis dahin größten Seegefecht in der Geschichte auf – in der Nähe der Insel Tsushima im Meer zwischen Japan und Korea.

    Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts stießen die Expansionsbestrebungen des russischen Reiches und des aufstrebenden Japan in Ostasien aufeinander. Um eine Abkürzung der transsibirischen Eisenbahn zur Endstation Vladivostok zu bauen, setzte sich Russland im Nordosten Chinas fest. Zudem sicherte es sich dort den damals unter dem Namen Port Arthur bekannten Hafen, der im Unterschied zu Vladivostok das ganze Jahr garantiert eisfrei ist.

    Im August 1903 forderte Japan ultimativ den russischen Rückzug. Als die Regierung des Zaren auswich, begann im Februar 1904 der Krieg. Der japanische Angriff konzentrierte sich vor allem auf Port Arthur und blockierte dort die russischen Kriegsschiffe. Doch Tausende Kilometer entfernt, in der Ostsee, gab es noch eine russische Flotte:

    " Wir tun jetzt, was getan werden muss, um die Ehre der Flagge zu verteidigen. Wenn nötig, eine Opferung der Flotte, aber um zur selben Zeit der japanischen Seemacht einen tödlichen Schlag zu versetzen, "

    erklärt der russische Admiral Roschdestwenski, als er vom Zaren den Auftrag erhält, die Ostseeflotte zum Kriegsschauplatz zu bringen. Im Oktober 1904 sticht sie in See. Erst im Mai 1905, viel später als geplant, treffen die Schiffe nach mühsamer Fahrt um Afrika herum im Ostchinesischen Meer ein. Da ist Port Arthur schon seit Anfang des Jahres von den Japanern erobert.

    Angesichts knapper Kohlenvorräte können die Russen jetzt nur noch nach Vladivostok. Die kürzeste Route dorthin verläuft zwischen Korea und Japan, vorbei an der Insel Tsushima. Damit rechnet aber auch der japanische Admiral Togo und trifft entsprechende Vorbereitungen. Die auch zahlenmäßig überlegenere, insgesamt modernere japanische Flotte kann schnell ihre höhere Geschwindigkeit und ihre größere Feuerkraft dank besserer Munition ausspielen.

    Es wird, so der Schriftsteller Frank Thiess in seinem in den dreißiger Jahren sehr populären Roman Tsushima,

    " die Geschichte des stückweisen Abschlachtens eines aufgelösten Geschwaders. Mit einer fanatischen Sachlichkeit, mit der Meisterschaft eines Virtuosen, der mühelos die schwierigsten Läufe beherrscht, spielen die Japaner auf den vier Stahlseiten des Todes: Suchen, Einkreisen, Schießen, Versenken. "

    Die russische Niederlage war total. Ein amerikanischer Kriegskorrespondent notierte:

    " Von der großartigen russische Flotte, die um die Welt in die japanischen Gewässer gefahren war, war nur ein Kriegsschiff der Gefangennahme oder Zerstörung entgangen. Beim ersten Kontakt mit dem Feind war die gigantische Armada des Zaren ausgelöscht worden. Nur dem schnelle Kreuzer Almas gelang es, Vladivostok zu erreichen, und einige Transportschiffe flohen nach den Philippinen und anderen neutralen Häfen. "

    Japan ist über Nacht zur Großmacht geworden. Doch noch reichen seine Mittel nicht aus, den Krieg fortzusetzen. Im September 1905 kommt es nach Vermittlung des amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt zu einem Friedensvertrag mit zahlreichen territorialen Zugeständnissen der Russen.

    Dabei hat der Vertrag für Russland auch eine innenpolitische Folge: die revolutionäre Krise, die es seit den ersten Niederlagen gegen die Japaner erschüttert, verschärft sich. Japans Erfolg symbolisiert den ersten Sieg eines nicht-weißen Landes über eine europäische Kolonialmacht.

    " Asien dringt vor, Europa fällt zurück – es ist an die Wand geschrieben, "

    so drückte es ein englischer Militärbeobachter damals aus. Für die erwachende antikolonialistische Bewegung in dem Teil der Welt, den man später Dritte Welt nennen sollte, war das eine große Ermutigung. Doch Japan sollte in Ostasien nicht andere Herrschaftsambitionen verfolgen als die europäischen Mächte und so wuchs hier ein Konflikt heran, der über den japanischen Angriff auf China in den dreißiger Jahren schließlich eine der Wurzeln des Zweiten Weltkriegs bildete.