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Die schwierige Reise nach Bologna

Wolfgang Fach, Prorektor für Studium und Lehre an der Uni Leipzig, hält die geforderte Reform der der Bologna-Reform für verfrüht. Er einmal sollte man die Reform wirklich durchführen, dann könne man darüber nachdenken, was an ihr falsch sei.

Wolfgang Fach im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 21.10.2009
    Ulrike Burgwinkel: Bologna - Reform der Reform, Diskussionsbedarf ohne Ende, das haben wir gerade noch gehört in "Campus & Karriere". Kurz: Die Befürworter sind selten geworden, öffentliche Bekenntnisse kaum mehr zu vernehmen. "Bologna sehen und sterben", titelt da jemand in Anspielung auf das geflügelte Wort. Es geht tatsächlich um die Verteidigung dieser eher ungeliebten Reform. Professor Wolfgang Fach, Prorektor für Studium und Lehre an der Uni Leipzig, guten Tag!

    Wolfgang Fach: Guten Tag!

    Burgwinkel: Ein schöner, ein bisschen zweideutiger Titel, was versteckt sich denn dahinter?

    Fach: Dahinter versteckt sich die Überlegung, dass Bologna eigentlich ein sehr schönes Ziel ist - man muss nicht gleich sterben, wenn man dort angekommen sein wird, aber es lohnt sich, dafür zu kämpfen, jedenfalls mit den Mitteln, die man an der Hochschule hat, und es lohnt sich, nach dem neuen Modell zu studieren. Viele wollen das nicht wahrhaben, aber ich bin der festen Überzeugung, dass Bologna ein Fortschritt ist, wenn man denn die Reform wirklich macht. Also wir müssen die Reform nicht reformieren, wir sollten sie erst einmal durchführen, dann kann man wieder darüber nachdenken, was an der Reform falsch ist. Im Augenblick kommt die Reform der Reform für mich eine Stufe zu früh.

    Burgwinkel: Was ist denn für Sie das absolut Gute am Bologna-Prozess?

    Fach: Das absolut Gute ist, wenn man es so zuspitzen will, die Modularisierung der Studiengänge. Ein Modul hat man sich vorzustellen als eine Kombination von meistens drei verschiedenen Veranstaltungen. Das heißt, es gibt jetzt die Möglichkeit, in einer Art und Weise, die nicht früher da war, bestimmte Probleme aus verschiedener Perspektive anzusehen. Das hat eine ganze Reihe von Konsequenzen, zum Beispiel die, dass es jetzt möglich wird zum Beispiel, interdisziplinär heranzugehen. Es wird jetzt sogar notwendig, theoretisch und methodisch sehr viel strikter vorzugehen, weil Sie Probleme nicht erkennen können, nicht einmal definieren können, wenn Sie keine Theorien, keine Methoden haben. Vorgemacht haben uns das übrigens die Mediziner. Was die patientenorientiertes Lernen nennen, das würde ich problemorientiertes Lernen nennen, und das sind nach den Erfahrungen, die wir dort gemacht haben, deutliche Fortschritte. Also Interdisziplinarität, Problemorientierung, theoretisch-methodische Ausrichtung. Das sind Dinge, die immer wieder gefordert worden sind, schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten, die jetzt von der Organisationsform her möglich würden, wenn man sich denn drauf einlassen würde.

    Burgwinkel: Wenn man sich denn drauf einlassen würde, nehme ich jetzt mal zum Anlass, ein zweites nahezu geflügeltes Wort anzubringen: Gut gemeint ist nicht gut gemacht.

    Fach: Das ist in der Tat ein Problem. Also es ist sozusagen die Schwäche meiner Position, dass ich natürlich nicht bis ans Ende dieser Tage darauf herumreiten kann, dass sie überlegen ist, vielleicht jedenfalls überlegen ist, und dass es für sie gute Gründe gibt. Wenn es nicht gelingt, diese Gründe auch anderen deutlich zu machen, dann ist man in der Tat in einer schwierigen Lage. Aber den Punkt haben wir, denke ich, noch nicht erreicht, den Punkt sozusagen, jetzt die Reise nach Bologna abzubrechen, würde ich noch nicht sehen.

    Burgwinkel: Erst mal ankommen in Bologna und nicht zwischendurch Halt machen. Professor Wolfgang Fach, "Bologna sehen und sterben", so heißt sein Vortrag bei den Werktagen auf der Burg Giebichenstein, wo Kunst- und Designstudenten verschiedener Hochschulen zusammen nicht nur netzwerken. Das Ganze tun sie von heute an bis Sonntag.